Beim Versandhandel Amazon wurde in der letzten Woche wieder gestreikt, Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di weiß natürlich, dass die Tage vor Ostern genau wie vor Weihnachten zentral für Amazon sind. Dann ist der Druck natürlich besonders groß. Am 30. März besuchte eine Delegaton der italienischen Basisgewerkschaft SI Cobas, die im Logistiksektor in den letzten Jahren beachtliche Organisierungserfolg zu verzeichnen hatte, die streikenden Amazon-Beschäftigten in Leizpig.
Die Amazon-Manager versicherten natürlich sofort, dass pünktlich geliefert werde und der Streik keinerlei Auswirkungen habe. Selbst Journalisten, die mit den Forderungen der Beschäftigten sympathisieren, nehmen diese Aussage für bare Münze und gegen den Amazon-Streik schon verloren. So kommentiert Pascal Beucker in der Taz ( https://www.taz.de/Kommentar-Streiks-bei-Post-und-Amazon/!157407/);
„Ohne sich eine Ausstiegsstrategie zu überlegen, ist Verdi in einen Arbeitskampf gegangen, der unter den gegebenen Bedingungen nicht zu gewinnen ist. Jetzt bleiben nur Durchhalteparolen – und ein paar Kurzmeldungen in den Medien. Bitter, denn die Amazon-Beschäftigten hätten bessere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen verdient." Peucker sieht den Grund für die Schwäche des Amazon-Streiks in der zu geringen Anzahl der Beschäftigten, die sich am Ausstand beteiligen.
Die italienischen Gewerkschafter_innen sind gemeinsam mit Kolleg_innen der Amazon-Streiksolidarität aus Berlin
http://streiksoli.blogsport.de/.
Lassen sich in der Logistikbranche die Kämpfe leichter internationalisieren?
Der italienische Basisgewerkschaftler Roberto Luzzi zeigte sich im Anschlag sehr positiv überrascht, dass in Deutschland die Organisierung von Amazon-Beschäftigten gelungen ist und dass sie über einen längeren Zeitraum in den Arbeitskampf treten. Luzzi ist Aktivist der Basisgewerkschaft SI Cobas http://sicobas.org/, die in den letzten Jahren in der italienischen Logistikbranche einige erfolgreiche Arbeitskämpfe geführt und ihre Mitgliederzahl dort beträchtlich erhöht hat. Durch eine kampforientierte Politik gelang es der Basisgewerkschaft, für die Beschäftigten günstige Tarifverträge abzuschließen. Das erzürnte die großen italienischen Gewerkschaftsbünde, die sich in einen Brief an die Manager der Logistikunternehmen beschwerten, dass sie mit der Basisgewerkschaft bessere Verträge als mit ihnen abschließen. „Dass diese Verträge kein Zugeständnis der Unternehmen sondern Ergebnis einer kämpferischen Gewerkschaftspolitik waren, wurde von den großen Gewerkschaften nicht registriert“, kritisiert Luzzi die Ignoranz der Gewerkschaftsfunktionäre. Dass SI Cobas bei Amazon-Italien keinen Erfolg hatte, liegt nach Meinung von Luzzi an deren kurzen Beschäftigungsverhältnissen. Das ist allerdings ein Problem, dass die Gewerkschaften auch bei Amazon in Deutschland beklagen. Luzzi hat als Teilnehmer eine SI-Cobas-Delegation die Streikenden bei Amazon-Leipzig besucht. Kritisch merkte er an, dass der Arbeitskampf zu defensiv geführt werde.
„Es gab es keine Versuche, die Beschäftigten, die sich nicht am Streik beteiligten, am Betreten des Werkes zu hindern. Auch LKW konnten während des Streiks ungehindert auf das Gelände fahren und es verlassen. Es gab weder Blockaden noch Versuche, mit Flugblättern für den Streik zu werben“, lautete Luzzis Kritik. Die SI-Cobas-Delegation berichtete auf einen Veranstaltung und einen Workshop http://interkomm.so36.net/frame.php über ihre Arbeit und die Organisationsbedingungen in der italienischen Logistikbranche. Unzweifelhaft ist es eine im letzten Jahrzehnt boomende Branche. Wie in Norditalien wachsen auch in vielen anderen Regionen gerade in sogenannten strukturschwachen Gebieten die Großhallen der oft global operierenden Logistikunternehmen aus dem Boden. „Die Arbeitsbedingungen sind oft von besonderer Überwachung, geringen Lohn und ständiger Arbeitshetze gekennzeichnet. Die Arbeitskämpfe in dem Bereich zeigen aber, dass es für die Lohnabhängigen möglich ist, das Management unter Druck zu setzen“, berichteten die italienischen Basisgewerkschafter über Erfahrungen, die auch die Amazon-Beschäftigten machten. Die Logistikbranche ist ein Bereich, in dem Lohnabhängigen eine besondere Macht haben, weil ein entschlossener Streik zu richtigen Zeit schnell dazu führt, dass die Lieferungen verzögert werden. Das bedeutet für die Unternehmen nicht nur symbolische sondern auch reale materielle Verluste. Das aber muss aus der Perspektive der Beschäftigten im Arbeitskampf das Ziel eines Ausstands sein, wenn es auch angesichts der Symbolpolitik der meisten Arbeitskämpfe in Deutschland oft vergessen wird.
Das Kapital ist international - wann internationalisieren wir die Kämpfe?
Eine wichtige Frage beim Austausch mit den italienischen Gewerkschaften waren die Möglichkeiten der Ausweitung der Kämpfe über den nationalen Rahmen hinaus. Die Notwendigkeiten dafür sind offensichtlich. So hat Amazon schon präventiv in Werk in Poznan aufgebaut, um dort hin auszuweichen, wenn in Betrieben in Deutschland gestreikt wird. Ein solcher schneller Wechsel von einem Land in ein anderes ist in der Logistikbranche sehr einfach, weil es dort keine Hochöfen oder komplexe Maschinenparks gibt, die nicht so einfach ersetzt werden können. Wird dadurch nicht auch dem Standortdenken weitgehend die Grundlage entzogen, dass transnationale Arbeitskämpfe erheblich erschwert, oft unmöglich gemacht haben, lautet die Frage, die die Internationalen Kommunist_innen Berlin, die die Kollegen aus Italien eingelud, aufgeworfen hat. Schließlich hatte dieses Standortdenken bei Lohnabhängigen der fordistischen Schwerindustrie die reale Grundlage eben in dem Maschinenpark, der nicht so leicht zu ersetzen oder auszulagern war. Beständen nicht gerade in der Logistikbranche, in der diese Bedingungen entfallen Möglichkeiten für eine transnationale Kooperation von Beschäftigten und warum werden sie so wenig genutzt, war eine zentrale Frage bei der Veranstaltung und dem Workshop.
Denn bisher ist die Kapitalseite bei der Internationalisierung auch im Logistikbereich der Vorreiter. Die Arbeitskämpfe werden hingegen immer noch zu stark in einem nationalen Kontext geführt, kritisieren die Gewerkschaftler. Aber sie sehen auch Ansätze einer Änderung. So gab es kurz vor Weihnachten 2014 auch bei Amazon-Betrieben in Frankreich Streiks, die sich ausdrücklich auf die Arbeitskämpfe in Deutschland bezogen haben. Und im Amazon-Werk in Poznan haben sich mittlerweile einige Beschäftigte in einer kämpferischen Basisgewerkschaft Workers Initiative http://www.forum.ozzip.pl/wspieraj-ip/item/10-about-inicjatywa-pracownicza-workers-initiative organisiert. So könne also bei dem nächsten Amazonstreik genau das eintreten, was das Management verhindern will. Nicht nur in Leipzig und Bad Hersfeld auch in Poznan, das die Ausfälle bereinigen soll, legen die Beschäftigten die Arbeit nieder.
Auch die Streiksolidarität internatinalisieren
Doch damit es soweit kommt, sollte sich auch die Streiksolidarität internationalisieren. Der Besuch der Kollegen von SI Cobas war ein guter Anfang einer Kooperaton über Landesgrenzen hinweg. Ein nächster Schritt müsste darin bestehen, Kontakte zu den Kolleg_innen von Amazon-Poznan aufzunehmen. Schließlich ist es von Berlin nach Poznan nicht wirklich weit und wenn sich die Kolleg_innen und die Unterstützer_innen schon kennen, ist es auch einfacher einmal gemeinsam zu streiken oder vor dem Werktoren einen Streik zu unterstützen.
Gut war auch, dass sowohl auf der Veranstaltung als auch beim Workshp auch italienische Kolleg_innen einbezogen wren, die in Deutschland leben und arbeiten. Mittlerweile haben sich einige von ihnen zu organisieren begonnen und die Initiative eines Socialstreik begannen. Das können alles Schritte zu einem Zustand sein, den die italiensichen Kollegen so zusammenfassen.
Wir müssen Kolleg_innen werden statt Aktivist_innen werden.
Link zu den Kämpfen in der italienischen Logistikbranche:
http://de.labournet.tv/video/6673/der-kampf-der-logistikarbeiterinnen-italien