Mindestlohn für alle - auch hinter Gittern!

Volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern

Am Donnerstag, den 15.1. fand in Berlin der Aktionstag der Gefangenengewerkschaft GG/BO statt. Er stand unter dem Motto "Mindestlohn für alle - auch hinter Gittern". Der seit Anfang des Jahres angeblich allgemeinverbindliche gesetzliche Mindestlohn ist eine Mogelpackung, da er für zahlreiche Berufe und Beschäftigtengruppen erst in Etappen eingeführt wird.

Die Gruppe der Inhaftierten, für die zumeist Arbeitspflicht besteht, wurde  bei den Verhandlungen im Regierungslager von Anbeginn  völlig außen vor gelassen. Gefangene müssen nach wie vor für einen Tageslohn (!)  von 9-15 Euro in der Stunde schuften. Für sie werden keine Rentenbeiträge entrichtet. Dabei basiert ihre Beschäftigung genauso wie diejenige von LohnarbeiterInnenn außerhalb der Knäste auf der fremdbestimmten Verausgabung menschlicher Arbeitskraft. Die  Öffentliche Hand  spart Geld und externe Auftraggeber erhöhen ihre Profite, wenn sie im Knast fertigen lassen.
 
Ziel des Protestes war die SPD, deren Arbeitsministerin Andrea Nahles für die Aushandlung eines wie ein Schweizer Käse durchlöcherten Mindestlohngesetzes mit dem Kapital steht.
 
Es gab zwei Kundgebungen, vor der SPD- Bundeszentrale und dem Bundesarbeitsministerium.
 
Vielleicht dem regnerischen Wetter geschuldet, nahmen nur ca. 15 KollegInnen und GenossInnen daran teil. Auch eine Hörfunkreporterin des SWR war zugegen. Vor der SPD- Zentrale kam es zu Gesprächen mit PassantInnen, von denen sich mehrere als ehemalige Strafgefangene outeten und den AktivistInnen viel Glück wünschten... etwas Seltenes in einer Gesellschaft, wo Haftaufenthalte tendenziell ein tabuisiertes Thema sind.  
 
Nach einer Kaffeepause ging es weiter zum Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Hier wurde eine Solidaritätserklärung einer Vertreterin der Gruppe "Erwerbslos in Berlin", einem Zusammenschluss gewerkschaftlich organisierter Erwerbsloser, gehalten. Sie erklärte sich angesichts der über dem Behördeneingang prangenden Losung "der Mindestlohn gilt" für definitiv nicht angesprochen, sind doch ehemalige Langzeiterwerbslose sowie alle in Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit Befindlichen davon ebenso ausgenommen wie Gefangene
 
Der Aktionstag klang mit einer Info-Veranstaltung mit dem Sprecher der GG/BO im Lokal der Basisgewerkschaft Freie Arbeiter_innen Union (FAU) aus.
Mindestlohn für alle - auch hinter Gittern!
Näheres unter : http://www.gefangenengewerkschaft.de/

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Solidaritätserklärung von ‘Erwerbslos in Berlin’

Redebeitrag auf der Kundgebung vor dem Bundesarbeitsministerium

“Erwerbslos in Berlin ist ein Zusammenschluß gewerkschaftlich organisierter Erwerbsloser, und wir solidarisieren uns mit der Gefangenengewekschaft/ Bundesweite Organisation.

Dafür gibt es gute Gründe.

Wir wollen einen Mindestlohn ohne Ausnahmen. Keine Ausnahmen für Langzeiterwerbslose, für Jugendliche, für MaßnahmeteilnehmerInnen, für ein- oder null-Euro-JobberInnen, und selbstverständlich auch keine Ausnahme für Gefangene.
Jede Personengruppe, die vom Mindestlohn ausgeschlossen ist, kann und wird am Arbeitsmarkt gegen andere Gruppen ausgespielt werden. Das gilt auch für Gefangene, und schon allein deswegen muß auch der Mindestlohn für Gefangene gelten.

 

Das Argument lautet so in etwa, Gefangene müsse man nicht vernünftig für ihre Arbeit bezahlen, weil man ihnen ja einen Gefallen täte, wenn sie arbeiten DÜRFEN, denn das diene der “Eingliederung”.

Solche dämlichen Sprüche kennen wir Erwerbslosen gut. Auch uns unterstellt man, daß man uns einen so großen Gefallen tut, wenn man uns um unsere Arbeitskraft erleichtert, etwa in Maßnahmen, 1-€-Jobs oder Praktika, daß man uns nicht auch noch anständig bezahlen müsse.

Der Zweck ist nicht unsere “Eingliederung”, sondern der Zweck ist, uns die Selbstbestimmung über unsere Arbeitskraft zu nehmen, uns um Löhne zu prellen, Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt abzubauen, ArbeitnehmerInnenrechte zu verwehren und verschiedene Gruppen am Arbeitsmarkt gegeneinander auszuspielen.

In Maßnahmen und 1-€-Jobs haben Erwerbslose gar keinen ArbeitnehmerInnenstatus, somit auch keine ArbeitnehmerInnenrechte, und sind damit effektiv aus dem Arbeitsmarkt AUSGEGLIEDERT, statt eingegliedert.

Und deswegen verstehen wir so gut, daß die Arbeitsbedingungen im Gefängnis nichts mit Eingliederung zu tun haben. Durch Arbeit ohne Rechte wird man aus der erwerbstätigen Gesellschaft weiter ausgegliedert, und nicht eingegliedert.

Und dasselbe wie beim Mindestlohn gilt auch für die Rentenbeiträge. Es darf nicht sein, daß ArbeitgeberInnen oder AuftraggeberInnen sich um die Rentenbeiträge drücken können, indem sie im Gefängnis produzieren lassen. Es darf auch nicht sein, daß Menschen, die arbeiten, dabei keine Rentenansprüche erwerben, sondern im Alter auf Sozialhilfe angewiesen sind.
Kein Gericht verhängt als Strafe “soundsoviel Jahre Freiheitsstrafe mit anschließender Altersarmut”.

Wer für andere arbeitet, ist Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin, und hat Anspruch auf Mindestlohn, auf Sozialversicherung, auf ArbeitnehmerInnenrechte wie die Koalitionsfreiheit.

Dankeschön.”

"für einen Tageslohn (!)  von 9-15 Euro in der Stunde schuften" Sind das jetzt 9-15 Euro am Tag oder pro Stunde? Ersteres würde eher Sinn machen, ist so aber verwirrend.

ja, logisch, 9 bis 15E am tag.