Ludwigshafen: Radikale Hooligans im Anmarsch

Erstveröffentlicht: 
10.01.2015

Ludwigshafen droht ein Aufmarsch gewaltbereiter Hooligans aus dem rechtsextremen Milieu. Der vor einer Woche gegründete Verein „Gemeinsam-Stark Deutschland“ hat für 8. Februar in der City eine Kundgebung mit 1000 Teilnehmern angemeldet. Er ist eine radikale Abspaltung der „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa), die Ende Oktober in Köln randaliert haben.

 

Es waren Bilder, die Deutschland schockiert und eine Debatte über eine bisher nicht gekannte Allianz aus Fußball-Hooligans und Rechtsradikalen ausgelöst haben – noch bevor Demos der islamkritischen Pegida-Bewegung in Dresden die Schlagzeilen bestimmten. Köln war für einen Tag im Ausnahmezustand: Polizeitransporter wurden umgestoßen, Scheiben eingeworfen, Passanten und Ordnungshüter verletzt. Es gab wilde Ausschreitungen, die Polizei schien von dieser Machtdemonstration überrascht. Die Hogesa schmiedeten in der Domstadt ein Bündnis der Gewalt und mobilisierten eine Armee von rund 3000 Randalierern – überwiegend schwarz gekleidete Männer mit Sturmhauben, Tätowierungen, Nazi-Stickern sowie Szenecodes auf den Jacken.

 

Zustände wie in Köln befürchtet Jürgen Schmitt hier nicht. Und noch sei unklar, ob am Jahrestag der ersten Proteste von Hooligans gegen Islamisten tatsächlich mit 1000 Demonstranten zu rechnen sei. „Dazu müsste diese Gruppierung über 900 Teilnehmer von außerhalb akquirieren. Dafür fehlt das Einzugsgebiet“, sagt der Präsident des Polizeipräsidiums Rheinpfalz in Ludwigshafen. Verharmlosen will er den angemeldeten Marsch aber nicht. „Wir nehmen das sehr ernst und werden uns entsprechend darauf einstellen.“

 

Was durchaus angebracht scheint. Denn der von 16 enttäuschten Hogesa-Aktivisten in Fulda ins Leben gerufene Ableger, der in Ludwigshafen aufmarschieren will, gibt sich noch radikaler als seine Keimzelle. Er lehnt die Europäische Union ab, hält die Presse für „gleichgeschaltet“, Deutschland für eine „Außenstelle der alliierten Siegermächte“ und Hogesa für eine Bewegung hohler Versprechen. „Sehr unselige Leute“, sagt Schmitt, der 50 bis 60 Personen zur Ludwigshafener Neonazi-Szene zählt – jeweils zur Hälfte Anhänger der NPD und der Organisation „Der III. Weg“. Im Dezember hatten beide Lager in West gegen „Überfremdung“ demonstriert.

 

Schmitt kennt die Fußball-Hooligan-Szene sehr gut aus seiner Kaiserslauterer Zeit und stufte sie bislang „als eher unpolitisch mit rechten Tendenzen“ ein. Zuletzt habe sich diese Klientel jedoch zunehmend von Rechtsextremisten für eine Anti-Islam-Stimmung instrumentalisieren lassen.

 

Warum Ludwigshafen und Erfurt (15. März) für die ersten Aufmärsche ausgewählt wurden, erschließt sich dem Polizeipräsidenten nicht. Zumal diese Städte weder ausgesprochene Hochburgen des Fußballs noch Zentren Rechtsradikaler seien.

 

Offiziell angemeldet hat die Kundgebung des „Vereins Gemeinsam-Stark Deutschland“ ihr Vorsitzender aus Bremen. Schmitt hält es für möglich, dass Christian Hehl der regionale Drahtzieher ist. Der gebürtige Ludwigshafener führt den NPD-Kreisverband Rheinhessen-Pfalz und sitzt für die Partei im Mannheimer Gemeinderat. Der 45-Jährige war auch beim Aufmarsch in West dabei und galt bisher als maßgeblicher Organisator des Hogesa-Netzwerks für Süddeutschland.

 

Stoppen lässt sich der Hooligan-Aufmarsch kaum, schätzt Ordnungsdezernent Dieter Feid (SPD), dem die Anmeldung am Donnerstag auf den Schreibtisch flatterte. „Ein Verbot ist nicht so einfach. Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut, über den Verein haben wir kaum Erkenntnisse und sonntags sind die Geschäfte zu.“ Ob die vom Verein ins Auge gefasste Route durch die Innenstadt mit Start am Berliner Platz so genehmigt wird, ist laut Feid offen. „Wir prüfen das mit der Polizei.“

 

Zur Sache: Kein Platz mehr für Rechte im „Hexenkessel“

 

Der „Hexenkessel“ an der Ecke Saarland-/Rottstraße in Süd, der bis vor einem halben Jahr noch „Treiber Stuben“ hieß, sieht aus wie eine stinknormale Gastwirtschaft: 45 Plätze, geteilt in Raucher- und Nichtraucherbereich, zwei Spielautomaten, viel Nippes. Dunkles Holz dominiert. Über den Toilettentüren hängt ein Besen, daneben ein Bild von Frank Sinatra. Als Tagesmenü wird gerne ein Rindergulasch serviert. Ein Kaffee kostet 1,80 Euro.

 

Dass sich dort im vergangenen Frühjahr die „Pfälzer Kulturfreunde“, etwa ein Dutzend Leute, getroffen haben, klang für die zwei Betreiberinnen erst mal unverdächtig. Zumal diese Runde von einer Bekannten eingefädelt wurde. „Wir wussten nicht, wer sich dahinter verbirgt“, beteuern Melanie S. (35), die das Lokal seit zwei Jahren führt, und ihre Mutter Elvira F. (55), die kocht. Sie nennen sich „Elli & Melli“.

 

Auch als ein kräftiger, großer Mann mit Glatze und vielen Tattoos ein halbes Jahr später nachfragte, ob sich im Lokal ein Stammtisch etablieren könne, dämmerte ihnen nicht, wen sie sich da ins Haus holen. Von der politischen Gesinnung Christian Hehls, dem Mann mit Glatze, wollen sie erst jetzt aus dem Internet erfahren haben. Der 45-jährige Ludwigshafener ist ein führender Kopf der Neonazi-Szene in der Region, die angeblichen „Pfälzer Kulturfreunde“ ticken ähnlich.

 

Ab August marschierten fortan hochrangige NPD-Funktionäre und bundesweit bekannte Referenten der rechtsextremen Szene jeden ersten Montagabend im Monat für zwei Stunden in den „Hexenkessel“ – auch zu „Schulungsveranstaltungen“, letztmals am 1. Dezember. Die für 5. Januar geplante Zusammenkunft wurde kurzfristig telefonisch abgesagt, wie „Elli & Melli“ berichten. Übrigens auch via Facebook vom NPD-Landesvorsitzenden.

 

Ein Grund mag sein, dass lokale Anti-Rechts-Bündnisse und die RHEINPFALZ Wind davon bekommen haben. Polizei – und wohl auch Verfassungsschutz – wurden aufmerksam. „Wir hatten das im Auge“, bestätigt Polizeipräsident Jürgen Schmitt. Jetzt haben auch „Elli & Melli“ Konsequenzen gezogen, den Nazi-Stammtisch „mit sofortiger Wirkung“ aufgelöst und das schriftlich fixiert. So wie es das Bündnis Ladenschluss, das in Süd seit Jahren gegen Rechte kämpft, gefordert hat. Elvira F. sagt: „Wir distanzieren uns zu 100 Prozent von den Nazis.“

 

Ortsvorsteher Christoph Heller (CDU) glaubt, dass „Elli & Melli“ nicht bewusst gewesen ist, „wen sie da bedient haben“. Er will nun den Ortsbeirat in die Kneipe einladen. „Um aufzuklären“, wie er sagt. „Wir werden alles tun, damit Süd nazifrei bleibt.“ (ier)

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"...Ludwgshafen kein Zentrum Rechtsradikaler..."

Wenn man mal von Verbindungen lokaler Nazis zum NSU und zum Blood & Honour Netzwerk absieht.

Zum Kotzen, wie lokale staatliche Stellen die Rechte Szene in und um Ludwigshafen klein reden...