ETA-Chefs mit Lehrtätigkeit an Freiburger Universität?

Tomas Elgorriaga alias José Gabriel Jiménez als er in Freiburg war.jpg

Ende Oktober wurde der international gesuchte 51-jährige Baske Tomas Elgorriaga in Mannheim verhaftet. Er lebte seit 15 Jahren in Freiburg, wo unter dem falschen Namen José Gabriel Jiménez studierte und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität gearbeitet hat. Behauptet wird, er sei „hochrangiger Funktionär“ der baskischen Untergrundorganisation ETA. Darüber sprachen wir mit dem in Berlin lebenden baskischen Anwalt Jonan Lekue, Sprecher der Familie, der auch am Sonntag um 20 Uhr auf der Veranstaltung im Jos - Fritz-Cafe sprechen wird.

 

Ist es normal, dass „ETA-Führer“ in Freiburg studieren und dann dort an der Universität mit Lehraufträgen arbeiten?

 

Der Vorwurf, zur ETA zu gehören, wurde von Spanien immer breiter ausgedehnt. Politiker, Journalisten, Professoren... wurden und werden als ETA-Mitglieder bezeichnet, verhaftet und bisweilen gefoltert, wenn sie wie die ETA für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Baskenland eintreten. Inhaftiert wurden sogar Politiker, Gewerkschafter und Aktivisten, die sich deutlich gegen deren Gewalt ausgesprochen haben. Deshalb überraschen die  Vorwürfe gegen Elgorriaga nicht. Dass er Führungsmitglied sein könnte, ist völlig absurd. Das ist in einer solchen Organisation, die in ganz Europa verfolgt wird, eine aufreibende Arbeit und lässt sich kaum neben Studium und Forschungstätigkeit erledigen. Beispiele dafür gibt es bisher auch keine.

 

Wieso floh er aber vor mehr als 15 Jahren aus dem Baskenland?

 

Aus Angst vor Folter und harten Haftbedingungen. Er war in seiner Heimatstadt Hondarribia in politischen und kulturellen Basisgruppen aktiv. 1998 wurde er wegen angeblicher Unterstützung der Eta verhaftet und schwer gefoltert. Er kam nach sechs Monaten auf Kaution frei. Das Risiko, erneut verhaftet zu werden, war groß. Deshalb floh er. Menschenrechtsorganisationen kritisieren immer wieder, dass Basken dort gefoltert werden. Erst kürzlich verurteilte der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg Spanien erneut.

 

Wie ist seine Situation jetzt? Was wird ihm vorgeworfen?

 

Er sitzt weiter in Mannheim in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hat ihn auf Basis eines internationalen Haftbefehls verhaften lassen. Sie wirft ihm Urkundenfälschung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Ihm droht zudem die Auslieferung nach Frankreich. Dort wurde er in Abwesenheit, ohne sich verteidigen zu können, wegen ETA-Mitgliedschaft verurteilt. Und Frankreich fordert nun seine Auslieferung.

 

Warum versucht die Familie die Auslieferung nach Frankreich zu verhindern und welche Initiativen wurden dagegen gestartet?

Ihm droht auch in Frankreich eine Ausnahmesituation. Auch dort werden die baskischen politischen Gefangenen „zerstreut“, also weit entfernt der Heimat inhaftiert. Frankreich schiebt Leute wie ihn auch nach Spanien weiter oder „verleiht“ sie für Prozesse an den Nachbarstaat. Ein faires Verfahren kann er vor spanischen Sondergerichten nicht erwarten und ihm droht erneut schwere Folter.

 

Kürzlich gab es schon eine Kundgebung in Berlin. Am kommenden Sonntag, Montag und Dienstag gibt es Informationsveranstaltungen in Freiburg, Heilbronn und Mannheim. Akademiker, Politiker und Juristen haben gerade die Stellungnahme verabschiedet: „Frieden im Baskenland: Engagement von Deutschland und der EU ist notwendig“. Unterzeichnet wird er z.B. von Bundestagsabgeordneten wie Andrej Hunko (Die Linke), Professoren wie Elmar Altvater und Schriftstellern wie Raul Zelik. Deutschland und die EU werden aufgefordert, sich aktiv für den Friedensprozess einzusetzen. Auch die Frage der baskischen Flüchtlinge muss darin gelöst werden.

 

Was ist davon zu halten, dass spanische Medien berichten, in Freiburg sei bei dem „Bombenspezialisten“ Material zum Bombenbau gefunden worden?

Die Polizeiakten sind uns noch immer nicht im Detail bekannt. Doch Spanien kommt man oft mit falschen und manipulierten Berichten. Bisweilen werden derlei „ETA-Führer“ sogar trotz Foltergeständnissen vor spanischen Gerichten freigesprochen, weil Beweise wie Zeugenaussagen, Fingerabdrücke, DNA… fehlen.

 

In welchem politischen Kontext stehen diese Vorgänge?

 

Vor drei Jahren hat die ETA ihren Kampf definitiv beendet. Die baskische Linke versucht seit langem einen Friedens- und Normalisierungsprozess anzustoßen.

Nur der spanische und der französische Staat halten an ihren Strategien fest, statt eine demokratische Lösung zu fördern. Sie verweigern sich einem Dialog (wie auch in Katalonien) und beteiligen sich nicht einmal an der Entwaffnung der ETA. Sie setzen weiter auf polizeiliche Maßnahmen, um am Status Quo nichts zu verändern.

 

Mann/Frau kann Tomas auch schreiben:

Tomas Elgorriaga Kunze (bitte, beide Nachnamen müssen angegeben werden)
JVA Mannheim
Justizvollzuganstalt Mannheim
Herzogeriedstrasse 111
68169 Mannheim
Deutschland

 

Veranstaltung:
Freiburg: 14.12.2014
Jos-Fritz-Cafe, 20 Uhr, Wilhelmstr. 15

Heilbronn
: 15.12.2014
Soziales Zentrum Käthe, 20 UHr, Wollhausstr. 49

Mannheim: 16.12.2014
JUZ Friedrich Dürr, 29 Uhr 30, Käthe-Kollwitz-Str 2-4

 

Frieden im Baskenland - Engagement von Deutschland und der EU ist notwendig

Vor mehr als drei Jahren hat die ETA ihren bewaffneten Kampf - und damit 50 Jahre gewaltsamer Aktivität - einseitig und bedingungslos beendet. Wir begrüßen diese neue Situation und die kontinuierlichen Schritte in Richtung von mehr Demokratie, gesellschaftlicher Versöhnung und Einhaltung der Menschenrechte im Baskenland.
Trotz dieser positiven Entwicklung ist das neue Szenario immer noch weit von einem dauerhaften Frieden entfernt. Die vollständige Entwaffnung der ETA, die Anerkennung der Rechte aller Opfer des Konflikts, der Umgang mit der Vielzahl an Folteropfern, die spanische und französische Politik der heimatfernen Unterbringung der etwa 500 Gefangenen, die jede Woche die Angehörigen weiten Reisen zwingt, Massenprozesse gegen baskische politische Aktivisten und nicht zuletzt weltweit Hunderte Exilierte und Flüchtlinge gelten als offene Fragen, die für die Zukunft des Baskenlands und die Bemühungen um Frieden eine zentrale Rolle spielen.
Eine dieser offenen Fragen hat nun Deutschland erreicht. Der vor vierzehn Jahren geflüchtete Tomas Elgorriaga Kunze wurde in Mannheim verhaftet. Ihm droht die Abschiebung nach Frankreich und letztlich nach Spanien. Seit 2001 lebt Elgorriaga Kunze in Freiburg, führt dort ein ganz normales Leben und arbeitet an der Freiburger Universität.
Es ist an der Zeit, sich von der Logik des gewalttätigen Konflikts zu lösen. Weitere Strafprozesse unter
menschenrechtlich fragwürdigen Bedingungen sind kontraproduktiv für die friedliche Lösung des Konflikts. In diesem Sinne sollte Tomas Elgorriaga Kunze weiter in Deutschland leben dürfen.
Wir sind der Meinung, dass alle offenen Fragen des baskischen Konflikts im politischen Dialog gelöst werden müssen. Es wäre zu begrüßen, wenn Deutschland und die EU sich für die Weiterführung des Friedensprozesses im Baskenland einsetzten.

Unterstützerinnen und Unterstützer:
Petra Isabel Schlagenhauf, RA, Berlin
Volker Gerloff, RA, Berlin
Elke Nill, RA, Heidelberg
Thomas Schmidt, RA, Düsseldorf
Gökay Akbulut, Stadträtin, Die Linke, Mannheim
Prof. Birgit Mahnkopf, Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin
Prof. Klaus Meschkat, Leibniz-Universität, Hannover
Dr. Thomas Seibert, Philosoph und Autor, Frankfurt
Bodo Zeuner, Professor, FU Berlin
Raul Zelik, Schriftsteller, Berlin
Elmar Altvater, Professor, FU Berlin
Dr. Wiebke Keim, Universität Freiburg
Ahmed Abed, Rechtsanwalt, Berlin
Andrej Hunko, Die Linke, Mitglied des Bundestages
Stefan Liebich, Die Linke, Mitglied des Bundestages
Ulla Jelpke, Die Linke, Mitglied des Bundestages
Alfonso Cuesta, 25 Jahre lang Gemeinderat in Bayern für die SPD, Träger
des Bundesverdienstkreuzes
Dr. Mario Candeias, Direktor des Institut für Gesellschaftsanalyse der
Rosa-Luxemburg-Stiftung
Pit Wuhrer, Journalist und Auslandsredakteur, Zürich / Konstanz
Ralf Streck, Journalist Freiburg / Donostia
Michael Menzel, Journalist und Geschäftsführer, Radio Dreyeckland, Freiburg
Dr. Uschi Grandel, Freundinnen und Freunde des Baskenlands, Regensburg

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