Eine Demo gegen die Piusbrüder hat in der Statistik die Zahl linksextremer Straftaten nach oben getrieben. Jetzt wurde eine Freiburger Studentin zu einer Geldstrafe verurteilt.
Der Richter blieb am unteren Ende dessen, was er für "schuld- und 
tatangemessen" hielt: 15 Tagessätze zu je zwölf Euro für die 25 Jahre 
alte Studentin seien "denkbar gering". Die Staatsanwaltschaft hatte 50 
Tagessätze gefordert. In einem Anklagepunkt sprach der Richter die nicht
 vorbestrafte angehende Sozialpädagogin frei, zu einem Freispruch auch 
im zweiten Punkte wollte er sich aber nicht durchringen. Und obgleich er
 in seiner Urteilsbegründung hervorhob, man befinde sich im 
Gerichtssaal, nicht im Politikseminar, folgte genau dies: eine Belehrung
 in Sachen Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt in einer 
demokratisch-pluralistischen Gesellschaft.
Ausgangspunkt war eine Kundgebung der Piusbruderschaft gegen das Recht 
auf Abtreibung gewesen. Diese begann vor der Freiburger Beratungsstelle 
von pro familia. Genehmigt war ein anschließender Demonstrationszug 
durch die Kaiser-Joseph-Straße. Den etwa 100 Teilnehmern der Kundgebung 
stellten sich ähnlich viele Gegendemonstranten in den Weg. Dazwischen 
die Polizei: Sie hatte den Auftrag, die angemeldete, erlaubte politische
 Versammlung zu ermöglichen. Videoaufnahmen dokumentieren ein Schieben 
und Drücken der Demonstranten; die einen rufen Protestparolen und 
trillern mit ihren Pfeifen, die anderen singen "Jesus ist mein König" 
und rufen die "heilige Maria Mutter Gottes" an, sie möge sie "vor den 
Nachstellungen des Teufels" schützen. Dazwischen Durchsagen der Polizei,
 den Weg freizumachen, damit sie "den ordnungsgemäßen Verlauf der 
genehmigten Versammlung gewährleisten" könne. Ergänzt durch den Hinweis:
 Wer sich dem widersetze, mache sich möglicherweise strafbar.
				
				
Was der Verteidiger bezweifelte. Eine Versammlung könne nur nach 
Versammlungsrecht aufgelöst werden, nicht nach Polizeirecht. Dies sei 
hier nicht der Fall gewesen. Mithin habe es sich bei der 
Gegendemonstration um eine – obwohl nicht angemeldete – rechtmäßige 
Versammlung gehandelt. Daher sei es keine Widerstandshandlung, sich 
gegen das Abdrängen zu wehren. Dem schloss sich das Gericht nicht an: 
Niemand habe das Recht auf Versammlung bestritten, aber es gebe kein 
Recht, dies just zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort zu tun, an dem 
eine andere Versammlung stattfinde.
Über die Stadtgrenze hinaus bedeutsam wurde der Vorfall dadurch, wie er 
statistisch und rechtlich behandelt wurde. Denn jede einzelne Rangelei 
wurde vom Landesamt für Verfassungsschutz als eine linksextremistische 
Gewalttat gewertet – was in dessen Jahresbericht zu einem signifikanten 
Anstieg linksextremer Straftaten führte. Zudem wurden 33 
Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft Freiburg eingeleitet. 
Davon wurden einige eingestellt, andere mit einem Strafbefehl 
abgeschlossen.
Die jetzt verurteilte 25-Jährige indes wollte diesen nicht akzeptieren 
und legte Widerspruch ein. Auch um ein öffentliches Forum zu haben für 
ihr Statement gegen politischen und religiösen Fundamentalismus. Der 
Richter äußerte durchaus seine Anerkennung für diese Haltung, mahnte 
jedoch in seiner Urteilsbegründung mit den Worten von Rosa Luxemburg 
mehr Respekt vor der Meinung Andersdenkender an.

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