Nach Meinung vieler Leute führen Flüchtlinge in Deutschland ein schon fast luxuriöses Leben, müssen nicht arbeiten gehen, werden versorgt und erhalten sogar noch Geld. Ein Blick auf die ZASt (Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber [von Sachsen Anhalt]) in Halberstadt zeigt, dass der Mythos von einem luxuriösen Leben, auf das sich Rassisten gerne berufen, nicht der Realität entspricht. Um aufzuzeigen, wie Geflüchtete hier leben (müssen), haben wir mit Kian (Name geändert) ein Interview geführt. Er ist Mitte 20 und ist im Iran geboren. Kian hat seine Freunde und Familie hinter sich gelassen und lebt zum Zeitpunkt der Interviews in der ZASt. (2014)
Wie bist du nach Halberstadt gekommen?
Der Mann von meiner Schwester hat mich zur Grenze an der Türkei gebracht. Von da aus wurde ich in einem LKW in einem verstecktem Bereich mitgenommen bis nach Europa und von dort aus ging es weiter mit dem Zug nach Deutschland. Im LKW hatten wir nur Wasser und Schokolade. Es war dunkel und ich konnte nicht auf die Toilette. Ich kann gar nicht sagen wie lange wir gefahren sind. Vielleicht waren es 5 oder 6 Stunden, vielleicht auch 10. Ich weiß es nicht. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. die anderen sagten, ich soll einfach leise sein und nichts sagen. In Deutschland bin ich zur Polizei gegangen und habe gesagt, dass ich geflüchtet bin. Beim Verhör haben sie laut auf mich eingeredet. Sie wollten, dass ich alles erzähle und aufschreibe, obwohl es schon 22 Uhr war und ich nach der Reise sehr müde war. Danach wurde ich fotografiert und ich musste meine Fingerabdrücke abgeben. Dann sollte ich mich vollkommen entkleiden, obwohl mir meine Religion das verbietet. Ich war dann in einer anderen Unterkunft und bin jetzt in Halberstadt. Ich hoffe, dass ich demnächst einen Transfer [in eine andere Unterkunft] bekomme.
Wie hast du jemanden gefunden,der dich hierher bringt?
Meine Familie hat sich darum gekümmert, dass ich hier herkommen kann. Sie haben Schmuck und einiges mehr verkauft, um mir das zu ermöglichen. Ich hatte mich mit meinem Vater gestritten, weil ich die harten Strafen bis hin zur Todesstrafe kritisiert habe. Er hat gesagt, ich solle gehen. Meine Schwester hat mir geraten zu gehen, denn die Gefahr verfolgt zu werden war zu groß. Daher haben sich meine Schwester und ihr Mann darum gekümmert jemanden zu finden, der mich nach Europa bringt. Ich glaube, sie haben dafür 20 Millionen iranische Rial bezahlt [umgerechnet ca. 600€].
Was waren deine Erfahrungen, seit du hier in Deutschland Zuflucht gesucht hast?
Es gefällt mir hier, jedoch merke ich, dass viele Menschen mir gegenüber abgeneigt sind, weil ich anders aussehe. Wenn ich jemand nach dem Weg frage, werde ich oft ignoriert. Als ich einmal mit meinen Freunden auf dem Weg zum Stadtzentrum war, haben sie uns beleidigt. Sie sagten, wir seien schwul.
Wie fühlt es sich an in der ZaST zu leben?
Mir gefällt es hier nicht besonders gut. Ich habe wenig Platz. Wir haben kleine Räume und ich muss mir mein Zimmer mit zwei anderen teilen. Es gibt sogar Zimmer mit sechs Leuten. Das Essen hier ist nicht gut und wir werden behandelt, als wären wir Tiere. Niemand scheint sich für uns zu interessieren. Bis zu 100 Leute teilen sich eine Küche (zwei Herde und ein Waschbecken und ein Bad: kein Toilettenpapier und Duschen ohne Vorhang).
Wie sieht dein Tagesablauf aus?
Ich stehe meist morgens um 7:30 Uhr auf. Bis um 9:00 Uhr können wir frühstücken. Zum Frühstück gibt es jeden morgen ein kleines Trinkpäckchen Milch, ein gekochtes Ei, ein kleines Stück abgepackte Butter und ein Brötchen. In der Regel kann ich mir kein neues Essen holen, da es meist keins gibt. Nur selten ist noch mehr da. In meinem Zimmer kann ich leider nicht essen, da es dort viel zu klein ist. Von 11:30 Uhr bis um 13:00 Uhr gibt es bei uns Mittagessen. Wenn ich tagsüber Wasser trinken will, dann muss ich mir welches aus dem Wasserhahn abkochen, das ist dann aber auch nicht immer sauber. Meine Wäsche wasche ich mit der Hand, da wir keine andere Möglichkeit haben. Ich habe kein Internet und keinen Fernseher und wir haben oft nichts zu tun, daher schlafe ich am Nachmittag oft. Manchmal spiele ich auch Fussball oder gehe mit meinen Freunden in die Stadt zum einkaufen, aber wir müssen sehr früh wieder hier sein, da es von 16:30 Uhr bis 17:30 Uhr Abendessen gibt. Wenn wir etwas selber kochen wollen, müssen wir uns Pfannen oder Töpfe kaufen, da es in den Küchen nur zwei Herde (teilweise kaputt) gibt. Es teilen sich bis zu 100 Leute ein Küche! Mir ist es nicht gestattet außerhalb zu schlafen. In meinem Zimmer habe ich ein Bett. Die Bezüge dafür sind aber schon alt und ziemlich abgenutzt. Gegen 23 Uhr gehe ich meist schlafen.
Fährst du auch manchmal in andere Städte?
Durch die Residenzpflicht darf ich den Landkreis nicht verlassen. Wenn ich wegfahren möchte, muss ich einen „Urlaubsschein“ beantragen. Dieser wird jedoch nur selten ausgestellt. Erwischt man mich ohne einen solchen Schein außerhalb des Landkreises, muss ich 70€ Strafe zahlen und ich werde vorbestraft. Die mehrmalige Verletzung der Residenzpflicht ist eine Straftat.
Wie viel Geld bekommst du hier?
Als ich in Halberstadt ankam, wurde mir versprochen, dass ich innerhalb von 2 bis 3 Monaten mein Visa bekommen würde. Da ich dieses immer noch nicht erhalten habe, bekomme ich 140€ monatlich. Wir bekommen das Geld bar und leider nicht immer pünktlich, sodass wir es manchmal auch erst zwei Wochen später erhalten.
Gibt es in der ZASt Anwesenheitskontrollen?
Nicht direkt. Wir müssen uns einmal die Woche unsere Essensgutscheine bei einem Sozialarbeiter abholen. Wenn sich jemand seine Gutscheine nicht holt, wissen die Beamten, dass er nicht da ist.
Was hast du in deinem Heimatland gemacht?
Mein Vater arbeitet in der Moschee und meine Familie hat wenig Geld, daher konnte ich nicht zur Schule gehen oder studieren. Ich habe angefangen, Englisch zu lernen.
Wie stellst du dir deine Zukunft vor?
Ich würde gerne studieren oder eine Ausbildung im Bereich der Wissenschaften machen oder am Computer arbeiten. Allerdings habe ich Angst davor abgeschoben zu werden, denn wenn ich wieder im Iran sein sollte, werde ich sterben. Man wird mich hängen oder köpfen, weil ich mich kritisch geäußert habe und weggelaufen bin.
Möchtest du uns zum Schluss noch etwas sagen?
Ja, ich bin nicht nach Deutschland gekommen, weil ich hier rumsitzen oder nur essen möchte. Ich hatte in meiner Heimat große Probleme. Ich musste meine Familie und meine Freunde zurücklassen und möchte mir hier ein neues Leben aufbauen. Ich hoffe, dass ich bald mein Visum bekomme.
Danke für das Interview und wir wünschen dir alles gute für deine Zukunft.
Wir rufen alle dazu auf, sich am 14.06. in Halberstadt an der Demonstration zu beteiligen, um gegen die menschenunwürdigen Bedingungen zu demonstrieren, unter denen geflüchtete Menschen hier leben müssen! Freedom of movement is everybodies right!
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