übers krank-sein//medizin und psychiatrie//selbstdiagnose

Symbolbild Diskussionen

krank, abnormal, ungesund, anders, verrückt und so weiter. diese worte werden oft von menschen benutzt, die an klare grenzen zwischen gesundheit und krankheit, normalität und anormalität, funktionierend und gestört glauben. zum beispiel justizbeamte und psychiater*innen, die über die zurechnungsfähigkeit einer person entscheiden. oder gutachter*innen, die die macht über die vergabe vom behindertenstatus haben. ärzt*innen, die zu behandlungen raten. das militär, das das politische system eines anderen landes stürzen geht.

 

eltern, die ihrem kind nur gute ratschläge geben wollen und leute, die sich von andersartigen menschen verunsichert fühlen und lieber eine person als gestört abstempeln, statt sich mit dem eigenen verhalten auseinanderzusetzen. und nicht zu vergessen: all jene, die diese zustände aufrecht erhalten und jeden tag reproduzieren.

 

Es gibt auch jene, die diese grenzen als fließend empfinden. psychotherapeut*innen, sozialarbeiter*innen, lehrer*innen, die in der mitte stehen...zwischen harten vorgaben von “oben”, den fakten der wissenschaftlichen untersuchung, der akzeptierten meinung der allgemeinheit – und  auf der anderen seite die eigene meinung, die persönliche erfahrung mit “kranken” aus dem freundeskreis, die subjektive wahrnehmung einer person als kompositum aus verschiedensten eigenschaften, verwoben mit den zuständen der gesellschaft, nicht als auf einen störfaktor zu reduzierendes individuum, das bestenfalls neben beschissenen genen noch beschissene eltern hatte.

und natürlich die, die diese grenzen ablehnen und es satt haben, dass vor allem menschen mit macht darüber entscheiden, wer gesund ist und wer krank, wer daher welche aufwendung bezahlt bekommt und wer nicht, wer therapie machen muss und wer im knast einfach nur vor sich hin modern soll, wer das taschengeld eingezogen bekommt und wer wegen der eins in betragen länger aufbleiben darf. alles zur aufrechterhaltung einer zwielichtigen moral, die einen zwielichtigen rechtsstaat stützt, weil der ein zwielichtig langweilig-schönes leben verspricht, solange du gesund bist.

ich treibe mich eher in der dritten gruppe herum. ich habe was gegen wissenschaft, das gesundheitssystem und große organisationen, denen ich meinen alltag nicht entziehen kann. das alles hat auch seine vorteile. die nachteile überwiegen für mich jedoch. eine wissenschaft, die an ihre zahlen über leichen gekommen ist und alle vorgänge des lebens auf maschinenartige reaktionen reduziert, soll nicht über meine gesundheit entscheiden und kriterien dafür ansetzen, die ich nicht teile.  ein gesundheitssystem, das von einer klaren trennung zwischen heilern und zu heilenden ausgeht, den kranken jede motivation nimmt, selbst heilen zu lernen – vor allem ein system, dass kranke braucht, um  profit zu machen, in so ein system will ich mich nicht integrieren müssen.

im spektrum der menschen, die sich gegen institutionalisierte macht stellen und auf die seite sozialer gerechtigkeit, finden sich glücklicherweise so einige menschen und mittlerweile auch gruppen, die sich kritisch mit dem gesundheitssystem und seinen verstrickungen in geldströme und machtfelder auseinandersetzen.
in diesen zusammenhängen ist viel die rede vom individuum, vom subjekt. ich selbst möchte also entscheiden, ob ich krank bin oder nicht – und ob ich hilfe möchte oder nicht, und vor allem auch: welcher art. diese schlussfolgerung zu ziehen, nachdem sich mensch mit einem total bevormundenden, noch dazu patriarchalen und kapitalistischen gesundheitssystem auseinandergesetzt hat, ist absolut nachvollziehbar. kein chirurg soll mich zwingen können, meinen magen operieren zu lassen, kein psychiater, die abstumpfungspille zu schlucken. kein kapitalismus soll mich dazu zwingen, meine gesundheit durch ein kaputt machendes leben zu ruinieren, damit ich mir dann nur die schlechtesten medikamente, die meinen körper genauso wie das wasser und die erde mit gift vollpumpen, leisten kann (oder dank privilegien die “besseren” medikamente verordnet bekomme, und trotzdem in meiner konsumentenrolle gefangen bleibe.).
nein, selbst entscheiden, selbst, wer sich wann krank fühlt, und wann nicht, und was hilfreich ist! denn einer person hilft eine gesprächstherapie, einer anderen nützt rennen oder den verrückten zustand ausleben viel mehr.
wir reden davon, dass wir unterstützung von unserem umfeld wollen. statt dass wir alle arbeiten gehen, um geld zu verdienen, mit dem steuern und krankenkasse bezahlt werden, damit wir im krankheitsfall doch gepflegt werden können, obwohl kein mensch zu hause ist – weil sie arbeiten gehen, um geld zu verdienen, um...stattdessen wollen wir für uns gegenseitig da sein. wir kennen einander und wissen, was uns gut tut. wir vertrauen einander, einander nichts anzutun oder zu etwas zu überreden, was wir nicht wollen. das soziale netz sollte kleiner werden, persönlicher, und keinen äquivalententausch voraussetzen. das nennen wir solidarität.

Aber mich beschäftigt da doch etwas. während ich mich völlig dem anschließe, dass diagnosen verallgemeinernd sind und menschen ein defizit zuschreiben ob sie es wollen oder nicht, während ich auch meine, dass ich in erster linie selbst entscheiden will, ob mein zustand mich gerade beeinträchtigt, ich nicht machen kann, was ich eigentlich machen will – ich mich also selbst be-hindert, krank oder gestört fühle – ich frage mich, wie die wahrnehmung meiner persönlichen gesundheit und krankheit entsteht und ob ich mir wirklich alle kriterien selbst ausdenken kann. ich frage mich auch, was eigentlich in dieser zeit mit den anderen ist. mit denen, die keine machtambitionen haben oder an mir geld verdienen wollen. ich will diese fragen einfach aufwerfen, und werde sie gleich etwas konkreter formulieren, ohne antworten zu geben. eine tendenz meiner meinung lässt sich schon in den fragestellungen erkennen. vielleicht willst du dir auch dazu gedanken machen:


wenn wir die schönheitsideale unserer vorherrschenden kultur ablehnen und uns dagegen wehren, die figur “dünner” oder “dicker” menschen abzuwerten, sie womöglich mit krankheitsbegriffen wie “anorektisch” oder “adipös” zu belegen, ist das eine verbesserung in unserem zusammenleben! ist aber wirklich kein gesundheitliches problem mehr? was ist mit stoffwechselstörungen, gelenkverschleiß, mineralstoffmangel, aufgrund derer dann wieder andere phänomene auftreten? meine erste frage dreht sich also eigentlich darum, ob stoffwechsel“störungen” und mineralstoff“mangel” nicht mehr als solche, als dysfunktion angesehen werden. (verschriftlichtes baumdiagramm folgt:) wenn ja: dann sprengen menschen die grenzen der naturgeschichte, ist die evolution zuende, beziehungsweise der mensch macht seine eigene evolution. und veranlagungen zu ehemals als dysfunktion bezeichneten phänomenen interessieren niemanden? wenn ja: dann wird die menschheit immer abhängiger von einer ausgeklügelten, hochtechnologischen gesellschaft, die die alternativen zu nicht mehr funktionierenden organen bereitstellt, prothesen und operationen am laufenden band produziert. keine weiteren fragen, euer ehren.

Die zweite frage: inwieweit entscheide ich ganz für mich allein, ob ich mich krank oder gestört fühle? wenn ich mit meinen freunden ein tolles unterstützungsnetzwerk habe, das mich auffängt, wenn ich sie brauche, bin ich nicht mehr allein auf dieser welt mit meinen problemen. ich habe menschen um mich, die mich erleben, sowohl in guten, wie auch in schlechten zeiten. diesen menschen kann ich mit meinen macken auf den keks gehen, sie manchmal überfordern, ich kann ständig und immer wieder körperliche oder psychische phänomene erleben, die für mich (noch) keine last sind, für die anderen aber schon. können andere dann sagen: hey, du hast schon wieder, nachdem du dich lange zeit einseitig ernährt hast, entzündungen in den gelenken, das scheint ein muster zu sein, es könnte auf eine verschlechterung deiner rheumatoiden arthritis hinauslaufen (oder: du kannst deine gelenke für immer schrotten). oder: hey, ganz oft, wenn du sehr viel zeit mit dem einen menschen verbracht hast, gehts dir hinterher nicht gut und du hörst auf, dich zu bewegen und kiffst den ganzen tag, da steckt vielleicht was dahinter, es könnte darauf hinauslaufen, dass das dauerbreit sein für dich der ersatz dafür ist, auf dich aufzupassen, wenn andere zu viel einfluss auf dich haben.

sind das schon illegitime gedanken? mein umfeld, das mir so viel gibt und mich stützt – hat es kein mitspracherecht? sind wir nur atome, die einwilligen, miteinander zu sein bis zu einer bestimmten grenze der erträglichkeit– und beim übertreten der grenze verabschieden wir uns voneinander, suchen uns neue atome mit anderen grenzen? weil wir nichts dazu zu sagen haben, was ein anderer mensch fühlt und erlebt? selbst nicht, wenn es ohne jeglichen zwang ist? kann ein netzwerk aus freunden nicht auch etwas erwarten, nämlich, dass ich auf mich aufpasse und nicht mitsamt solidarischem freundeskreis von einer evtl. hausgemachten herausforderung zur nächsten taumele?

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DU kannst doch frei wählen, ob du medizinische Hilfe in Anspruch nehmen möchtest, oder nicht und selbst dann musst du jedem einzelnen Schritt zustimmen. Vom Gespräch bis zur OP bist du als potenzieller Patient immer der letzte Entscheidungsträger.

Und bei Menschen, die eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen, bin ich froh, wenn sie nicht allein draußen herumlaufen. Dass es manchmal Fehlentscheidungen gibt, ist bedauerlich. Das wissenschaftsfeindliche Kauderwelsch aus dem Artikel ist bei deren Erkennung allerdings keine Hilfe.

und wer entscheidet wann und ob jemand eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt?  Staat, Oolizei, Psychiater,  Ärzte,  Obrigkeit .  verstehe die Ansätze der*des autor_in hier nur zu gut, gute Gedankengänge! !

Worauf willst du hinaus? Könntes du deine Gedanken konkretisieren?

>>sind wir nur atome, die einwilligen, miteinander zu sein bis zu

>>einer bestimmten grenze der erträglichkeit– und beim

>>übertreten der grenze verabschieden wir uns voneinander,

>>suchen uns neue atome mit anderen grenzen?

 

Freundschaft nicht als Geben und Nehmen, sondern als Form von Konsum? Freundschaft als Wegwerfprodukt einer kapitalistischen Gesellscchaft? Und sobald Grenzen überschritten werden, wird alles hingeschmissen, sucht man sich die nächsten "Atome"? Das ist die totale Vereinnahme durch den Kapitalismus. Man nimmt was man kriegen kann und wenn es nichts mehr zu holen gibt, zieht man weiter. Sucht sich die nächsen "Atome", von denen man ertragen wird. Mit seinen Diagnosen und Macken. Damit vermeidet man, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Man läuft vor sich selbst weg. Aber, letztlich gibt es  kein Entrinnen vor uns selbst.

wir sind alle nicht frei.
nicht, weil sich viele nicht mehr vorstellen können, sich anders gesund zu machen als durch ärzt*innen und tabletten und operationen. es ist eine entmündigung und enteignung passiert.
nicht, weil der glaube an die autorität der ärzt*innen viele menschen betört. es muss nicht immer zwang sein, genauso wie bei der polizei - viele brauchen keinen zwang, die ehrfurcht, die angst, oder der glaube an "deeskalation" reichen aus. das ist mit unseren freien gehirnen passiert.
nicht, weil vieles trotzdem ohne zustimmung geschieht. auch wenn ich nicht an gesetze glaube, so verstößt die medizin gegen ebendiese. operationen an intersexuellen säuglingen, nichtbeachten von patient*innenverfügungen, zwangsbehandlungen in der psychiatrie passieren trotzdem.
ich empfehle dazu ein paar zines zu gesundheitsthemen, ganz besonders die hier zusammengestellten:
http://zinelibraries.info/2013/07/20/unreproductive/
es geht um die themen geburtenkontrolle (akzeptanz/nicht-akzeptanz einer schwangerschaft und eigene handlungsoptionen im zusammenhang damit, ohne pharmaindustrie und expert*innen). das thema geburt und abtreibung wurde frauen* völlig entrissen und eigene handlungsmöglichkeiten werden fast überall verschwiegen.
und das thema psychiatriekritik, da tun sich abgründe auf, wenn mensch sich mit diagnosekriterien, der geschichte und der praxis der psychiatrie auseinandersetzt.

p.s.: eigendlich will ich gar nichts mehr, zumindest im bezug zum text sagen, bzw. schreiben. finde aber gerade im bezug zur selbstbetroffenheit und zu linken szeneproblematiken, den text einfach nur tatsache kritisch "gut" und interessant. oder aber das dieser text super platziert ist und "linksradikale" und "kommunistische" psychater(-*Innen) zum nachdenken anregen sollte. an euch und mein ehemaliges sexistisch homophobes linkes umfeld ist meine antwort, auf eure übergriffe gerichtet.

 

KOMMUNISMUS/TRANS- und HOMOSEXUALITÄT SIND NICHT HEILBAR.

Ich frage mich aber, nachdem ich deinen Text aufmerksam durchgelesen habe, ob du selbst schon Erfahrung mit solchen "Krankheitszuständen"gemacht hast. Das gesellschaftliche und politische Problem existiert, aber es rückt in ein fast schon lächerliches Licht, wenn du dich einmal selbst schon mit so einem existenziellem und niederschmetterndem Tiefgang konfrontiert sehen musstest. Nach anfänglich großem Interesse muss ich leider sagen, dass mir das Thema zu oberflächlich und polemisch beleuchtet wird. Freue mich aber, dass solche Themen diskutiert werden. Liebe Grüße

ich finde es zwar quark, sich immer selbst etikettieren zu müssen, um über etwas sprechen zu können...
krankheit kann jeden menschen treffen.
aber ja, ich habe erfahrung mit krankheit, haha, und ich habe auch erfahrung mit der institution psychiatrie machen dürfen, und dann noch die "normalen" erfahrungen von "normalen" ärzt*innen wie frauen*ärzt*innen, die jungen leuten die pille verschreiben, um das hautbild zu verbessern...wie zugänglich sind die medikamente und behandlungen? und wie zugänglich sind die informationen zu den risiken und alternativen?

Wäre gut, wenn Du mal auf die Kommentare eingehen würdest. Manchen ist nicht klar, was du überhaupt willst. Wenn Dein Gehirn nicht frei ist, dann projeziere das doch bitte nicht auf andere.

ich bin auf die kommentare eingegangen, zu denen ich selbst etwas zu sagen habe.

 

ich finde es sinnlos, selbst texte zu tippen, die bereits jemand anderes aufgeschrieben hat. wer bereit wäre, meinen text in der kommentarspalte zu verfolgen, kann auch auf den link klicken und sich die zines durchlesen oder auf eigene faust erstmal ein wenig zum thema psychiatrie/krank-heit recherchieren.

 

ich gebe aber gern nochmal schlagwörter: antipsychiatrie/psychiatriekritik/zwangsbehandlung/patientenverfügung (deren nichtbeachtung)/alternativen zur psychiatrie (von expert*innen beispielsweise soteria, trialog mit angehörigen der patient*innen, besseres monitoring "auffälliger" kinder...=prävention [ebenso wieder übertragbar auf die arbeit anderer repressionsorgane] usw)/alternativen von betroffenen und nicht-betroffenen *gibt es nicht-betroffene?* durch fremde menschen (weglaufhaus) oder durch bekannte menschen (radical peer support z.b.)/selbstbehandlung bzw. durch freund*innen mit "weichen" mitteln (kräuter, körperentspannung, "anfälle" ausleben)

 

aus der beschäftigung mit dem konzept von radical peer support heraus ist mein text entstanden.

also in kurzform: wenn menschen es schaffen, nicht mehr vermittelt füreinander da zu sein (nicht mehr solidargemeinschaft deutschland, sondern solidargemeinschaft hausprojekt/politgruppe/freundschaft usw) und die derzeitigen grenzen von gesund/krank abgelehnt werden (homosexualität bis 1992 eine krankheit laut weltgesundheitsorganisation, transsexualität bis heute geschlechtsidentitätsstörung -> wer es nicht kennt: alex, 12 jahre, zwangspsychiatrie. http://www.taz.de/!90229/), können/sollen dann neue konzepte von gesundheit/krankheit und dem raum dazwischen entstehen, wie werden sie definiert und von wem? nur von der person, die sich als gesund/krank erlebt oder auch der unterstützer*innenkreis, der diese zustände miterlebt?

jetzt verstanden?