Warum sollte man am 01.12. mit besonderer Aufmerksamkeit nach Kroatien blicken, und inwiefern können die Liberalen für soziale Minderheiten gefährlicher sein als Rechtsradikale?
Mehrere Leiden belasten das jüngste Mitglied der europäischen Familie - wirtschaftliche Krise, vernachlässigte Arbeiterklasse, hohe Arbeitslosigkeit, junge Leute ohne Perspektive, die sich in täglich wachsender Zahl für Auswandern entscheiden. Aber das ist leider keine große Neuigkeit, fast jeder Staat Europas kämpft derzeit mit solchen oder ähnlichen Problemen. Was besondere Aufmerksamkeit auf Kroatien zieht, ist die schnelle Stärkung der radikalen Rechten in verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens.
Aber sicherlich die größte Aufmerksamkeit und die Spaltung der Gesellschaft brachte die schmutzige, homophobe, letztendlich faschistische Kampagne gegen die Homo-Ehe. Diese auf eine Verfassungsänderung zielende Kampagne wollte - und hat es auch geschafft - Unterschriften von 10 % des Wahlkörpers sammeln (über 700 000), um ein kontroverses Referendum zu erzwingen (mit der Frage: „Sie sind damit einverstanden, in der Verfassung der Republik Kroatien eine Bestimmung einzutragen, nach der die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau besteht?“)
Nach der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit (nicht 
auf Anfrage der kroatischen Regierung) entschied das Verfassungsgericht,
 dass diese Referendumsfrage in Übereinstimmung mit der Verfassung ist, 
und dass das Referendum am 01.12. stattfinden kann. 
Im Sommer 
dieses Jahres erschien in der Öffentlichkeit eine neue, traditionelle, 
pro katholische, bürgerliche Initiative - "U ime obitelji" (In Namen der
 Familie). 
Hinter diesem (auf den ersten Blick) harmlosen Namen 
verstecken sich Mitglieder der rechtsextremistischen Partei "Hrast", die
 schon 2011, bei den letzten parlamentarischen Wahlen in Kroatien, ein 
politisches Debakel erlebt hatte, mit gewonnenen 2,41% der Stimmen. Die 
Führer und Mitglieder dieser Partei (Željka Markić, Krešimir Planinić, 
Krešimir Miletić, Ladislav Ilčić) versuchen dieses Mal, deren 
faschistisches Programm "schöner zu verpacken". Sie verwenden die 
gleiche affirmative Herangehensweise, die ihr amerikanisches Pendant 
- “National Organization for Marriage”( NOM ) - schon erforscht und in 
der Öffentlichkeit getestet hat. 
Mit der moralischen und 
finanziellen Unterstützung der Kirche verbreitet diese Initiative 
Intoleranz gegenüber denjenigen, die anders sind als sie selbst. In den 
letzten Monaten konnte man unter anderem aus wissenschaftlicher Sicht 
falsche, diskriminierende, fälschlich beschuldigende oder einfach 
unglaubliche Aussagen gegen die LGBT-Bevölkerung hören. Dies sind nur 
einige von ihnen: 
Wir möchten mit diese Verfassungsänderung die traditionelle, katholische Familie beschützen (!?) 
Homosexualität ist nicht natürlich, ergo ist es eine Krankheit. 
Die Kinder brauchen Mutter und Vater für die normale Entwicklung. 
Die
 Ehe besteht zwischen einem Mann und einer Frau, weil nur die beiden 
Nachkommen erzeugen können, alles andere ist keine Ehe/Familie. 
„Wir müssen Menschen diskriminieren, sonst besteht Anarchie.“ (Ivan Poljaković) 
„Die homosexuelle Ehe wäre wie taubstumme Menschen in eine Musikakademie einzuschreiben.“ (Ivan Poljaković) 
„Wenn
 die [die LGBTIQ Leute] die Homo-Ehe legalisiert kriegen, würden die 
sich für Pädophilie als sexuelle Orientierung einsetzen!“ (Ivan 
Poljaković) 
Allein aus diesen paar Aussagen, aber sicherlich aus
 der ganzen Kampagne und den sie begleitenden Veranstaltungen, ist es 
möglich, die tieferen Probleme, die die kroatische Gesellschaft plagen, 
zu erkennen, und zu sehen, auf welcher Stufe sich die junge kroatische 
Demokratie befindet. 
Kroatien hatte schon immer ein "Problem" mit 
der extremen Rechten und faschistischen Tendenzen. Es ist wichtig zu 
beachten, dass diese Ideologie sich so weit entwickelt hat, dass sie 
anders als in ihrer früheren Geschichte, in der sie direkter auftrat, 
heute perfide wirkt, versteckt und scheinbar "legalistisch". 
Die
 angeblich sozialdemokratische Regierung, die Hauptschuldige für die 
Einberufung dieses Referendums, rechtfertigt ihre angeblich liberale 
Haltung mit Verabschiedung des Lebenspartnerschaftsgesetzes. 
In der 
Zwischenzeit haben Faschisten – diejenigen, die Steine auf die Gay 
Pride in Split 2011 warfen, diejenigen, die LGBT-Personen auf der Straße
 angegriffen haben, und letztendlich diejenigen, die im Fernsehen und am
 Altar der Kirche zum Hass aufrufen - sie alle haben durch dieses 
liberale Verhalten der Regierung eine indirekte Bestätigung ihrer 
Aktionen! 
Junge liberale Organisationen, die sich in 
Referendumsumfragen als „PROTIV“ (gegen) erklären und sich für einen 
Schutz der Minderheitsrechte einsetzen, sind ebenso leichtsinnig und 
gefährlich im Sinne des langfristigen Kampfes. Sie vertreten die 
Position, dass ein Dialog zwischen zwei verschiedenen Meinungen möglich 
sei! 
Aber wie der slowenische Philosoph Slavoj Žižek sagen 
würde: „Man denkt nicht, wenn man plötzlich an Hitler vorbei laufen 
würde, hey, ich will mich mit dem Faschisten da einen Moment 
unterhalten!“ 
Es ist wichtig, verschiedener Meinung zu sein von 
Hassreden und Diskriminierung zu unterscheiden. Keinem Menschen würde 
heutzutage einfallen, z.B. die interraciale Ehe zu verbieten. 
Einen 
Dialog mit einem Faschisten zu führen, würde bedeuten, dass wir seine 
Hassposition akzeptieren, daraus folgt, dass wir die Missachtung der 
Menschenrechte akzeptieren und die Bedeutung dieses Problems nicht 
anerkennen. 
Führer der katholischen Kirche in Kroatien müssen 
verstehen, dass Kroatien ein säkularer Staat ist. Und als solcher muss 
er sich bei keiner Religion für seine staatlichen Geschäfte 
rechtfertigen. 
Kroatische Bürger ≠ Katholik und Nationalist 
Ehe - ein Vertrag zwischen zwei Bürgern ≠ religiöse Ehe 
Die
 Haltung, dass die Ehe eine Verbindung zwischen einem Mann und einer 
Frau ist, und dass Kinder von einem Mann und einer Frau erzogen werden 
sollten, zeigt die Haltung der Kirche, dass es natürliche Rollen gibt, 
die erklären, was Männer und Frauen zu tun und zu lassen haben, und 
diese dürfen nicht geändert werden. Diese zutiefst patriarchalische und 
homophobe Haltung ist nicht nur schädlich für LGBT Paare, sondern auch 
für Frauen und ihre reproduktiven und anderen Freiheiten, für 
Alleinerziehende und jede andere Art von Familie. 
Der Kampf für die 
Rechte von Minderheiten ist wichtig, aber er muss nur ein Segment des 
größeren Kampfes für die Rechte von allen sein, die heute unterdrückt, 
diskriminiert und ausgebeutet werden. 
Beispiel dafür sind die 
letzten Ereignisse in der vom Krieg zerstörten Stadt Vukovar. Da gibt es
 eine nationalistische, radikale Gruppe, die sich „Stožer za obranu 
Vukovara“ (Komitee für die Verteidigung von Vukovar) nennt! 
Deren 
Hass und Nazismus ist so tief, dass sie sich, natürlich wieder unter 
Bestätigung der Kirchenführer, organisiert haben, um die zweisprachigen 
(kyrillischen und lateinischen) Amtsschilder abzuhängen, welche die 
Regierung neulich angebracht hat. Sie behaupten, dass dies eine 
Provokation der sozialdemokratischen Regierung wäre, und sind schon 
dabei, fleißig die Unterschriften zu sammeln (auch in der Kirche), um 
den Verfassungsparagraphen über nationale Minderheiten zu ändern! 
Trotz
 der Vergangenheit schickt Kardinal Bozanic, statt Botschaften der 
Versöhnung, des Friedens und der Gemeinschaft, wiederum (wie die 
kirchlichen Autoritäten der neunziger Jahre) nationalistische 
Hasssprüche wie z.B.: „... In Vukovar geht es nicht an erster Stelle um 
diejenigen, die es zerstört haben, sondern um diejenigen, die es 
beschützt und gebaut haben.“ 
Nur mit diesem Satz trat der Kardinal 
die Rechte der nationalen Minderheiten mit Füßen, widersprach der 
kroatischen Verfassung und, was sehr wichtig ist, er gab rechtsradikalen
 faschistischen Kräften, die solche Ausbrüche führen, indirekten 
"Segen". 
Das wiederum (zwanzig Jahren nach dem Krieg) stellt die Koexistenz zwischen Kroaten und Serben in Ostkroatien in Frage. 
Besonders
 peinlich sind auch Aussagen und Taten der kroatischen, international 
berühmten Sportler. Neulich hat der Fußballspieler Josip Simunic bei 
einem Sieg seines Teams mit einem nazistischen Ruf, eigentlich mit einer
 kroatischen Version von Sieg Heil, gefeiert. Nach dem Spiel rief er vor
 dem vollen Stadion „Za dom“ (für die Heimat) und, was noch viel 
besorgniserregender ist - 10 000 Fans riefen zurück „spremni“ (bereit). 
FiFa untersucht den Fall und bereitet eine Strafe vor, aber der Schaden ist getan. 
Es
 gibt bereits eine Online-Petition, die eine Geldstrafe für Josip 
Simunic und einen Ausschluss Kroatiens aus der nächsten 
Weltmeisterschaft fordert: 
https://www.change.org/petitions/fifa-take-disciplinary-proceedings-and-a-monetary-penalty-against-josip-simunic-personal-and-against-croatian-national-football-organization-suspend-the-croatian-team-from-brazil-2014 
Zurecht haben
 viele kroatische Bürger heutzutage Angst und fragen sich, was als 
nächstes kommen soll? Ihre Ängste sind am besten in den Worten des 
Pastoren Martin Niemöller gefasst: 
„Als die Nazis die Kommunisten holten, 
habe ich geschwiegen; ich war ja kein 
Kommunist. 
Als sie die Gewerkschafter einsperrten, 
habe ich geschwiegen; ich war ja kein 
Gewerkschafter. 
Als sie die Juden holten, habe ich 
geschwiegen, ich war ja kein Jude. 
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der 
protestieren konnte.“
  
Kontakt: neumann.marla385@gmail.com


Update
http://www.theguardian.com/world/2013/dec/01/croatia-vote-ban-gay-marriage-referendum
Hier das Ergebnis des Referendums
Copy-Paste
http://www.funnyjunk.com/If+you+think+your+country+is+stupid/funny-pictures/4910521/
Die Neue Rechte schreibt
Sie neu-rechte "Blaue Narzisse" schreibt das hier:
blauenarzisse.de/index.php/aktuelles/item/4290-kroaten-gegen-homo-ehe