Zweibrücken: Ein wenig Blockade gegen Rassismus und Polizeigewalt

Blockade Poststraße

Überschattet von heftigen Ausschreitungen der Polizei hinterließen die Proteste gegen den NPD-Aufmarsch am vergangenen Samstag in Zweibrücken einen lediglich gemischten Eindruck.

Dabei zeigten die unterschiedlich angelegten Aktionen gegen den Aufmarsch des braunen Mobs durchaus ihre Wirkung – wie schon im März konnte deutlich gemacht werden, dass Zweibrückens Straßen nicht ohne Widerstand deutschnationalen Gewaltpredigern überlassen werden. Diese mussten mehrere Umwege nehmen, um den flexiblen Blockaden auszuweichen um letzten Endes inmitten des bürgerlichen Pfeif- und Trommelkonzertes am Kundgebungsort ihr eigenes Wort kaum mehr zu verstehen.

Nichtsdestotrotz fiel das Signal nicht einmal ansatzweise so deutlich aus wie zuvor in Mainz, Kaiserslautern, Ludwigshafen oder zuletzt in Friedberg und Nidda. Der Aufmarsch konnte gestört, aber nicht verhindert werden.

 

Repressives Vorgehen der Polizei

 

Dies lag auch an dem außergewöhnlich repressiven Vorgehen von Polizei und Staatsschutz, die früh deutlich machten, den Aufmarsch – koste es, was es wolle – notfalls durchzuprügeln. Anders sind die Rempeleien, Schlagstock-, Faust-, Ellenbogen- und Knieeinsätze auch gegen Bürgerliche ebensowenig zu interpretieren wie die hohe Zahl von 10 Festnahmen und zwei Ingewahrsamnahmen seitens der durchweg gewaltfrei agierenden Demonstrant_innen.

 

Schon bei der ersten, von der Polizei schnell eingekesselten, Blockade auf der Poststraße vor dem Hauptbahnhof agierten die teilweise aus Baden-Württemberg herbeigeholten Polizeieinheiten betont aggressiv, fanden erste Festnahmen statt. Ein jüngerer Demonstrant, der den Kessel verlassen wollte, wurde demonstrativ rabiat abgeführt. Als sein mitdemonstrierender Vater, langjähriger Ausländerbeirat in Zweibrücken, zu intervenieren versuchte, wurde dieser umgehend von zwei Polizeibeamten zu Boden gestoßen.

Eine örtliche Gewerkschafterin, die die Gewaltszenen beobachtet hatte, erlitt angesichts der für sie zuvor unvorstellbaren Polizeigewalt einen Nervenzusammenbruch. Als nicht einmal sie aus dem Kessel herausgelassen wurde, schalteten sich mehrere Bürgerliche, darunter auch ein städtischer Mitarbeiter ein, die ein Ende der Polizeirepressionen einforderten. Auch sie wurden aggressiv angegangen, einer von ihnen, Ingenieur bei der lokalen Maschinenfabrik Pallmann, gar in Gewahrsam genommen.

 

Auch im weiteren Verlauf der Gegenkundgebungen kam es immer wieder zu Ausschreitungen seitens der Polizei. Ein junger Mann blutete am Kopf, nachdem er von fünf Polizisten unter Einsatz von Fußtritten und einem Schlagstock zu Boden geprügelt worden war. Er hatte mit seinem Megafon zur Mahnwache auf den Schillerplatz wollen, um dort die Kommunikation herzustellen. Die prügelnden Cops ließen erst von ihm ab, nachdem sie sein vor sich hin heulendes Megafon irgendwann tatsächlich ausgeschaltet bekamen.
Ein weiterer wurde von vier Polizisten auf den Boden geworfen, auf ihm knieend traten sie ihn noch. Als Krönung der lustigen Festnehmerei machte ein Mitarbeiter des Staatsschutzes noch ein Bild von dem auf den Boden Liegenden.

Noch am Ende, die Nazis waren bereits wieder am Bahnhof, wurde ein junger Mann aus dem Orga-Team vor Schmerzen schreiend an die Wand gedrückt und unter dem schallenden Gelächter danebenstehender Polizisten in Gewahrsam genommen.

Zumindest ein Demonstrant wurde zudem widerrechtlich in den Wald gefahren und bei der „Fasanerie“ ausgesetzt.

 

Überhaupt war auffällig, dass den ganzen Tag über gezielt Teilnehmer_innen an- und abgegriffen wurden, die Orga-Aufgaben im Rahmen der Kommunikations- und Koordinationsstrukturen wahrnahmen. Damit sollten die Strukturen wohl effektiv zerschlagen werden, um die restlichen Demonstrant_innen zu zerstreuen und zu vereinzeln. Zugleich sollten der sich im Aufbau befindenden lokalen Antifa-Struktur wohl ein Riegel vorgeschoben werden.

 

Wenige entschlossene Gegendemonstrant_innen

 

Die ungewöhnlich krassen Repressionen allein für das gemischte Resultat verantwortlich zu machen, hieße aber zugleich, sich etwas vorzumachen. Allein schon die Zahl der Gegendemonstrant_innen ließ letztlich sehr zu wünschen übrig.

So beteiligten sich an der ersten Blockade auf der Poststraße gerade einmal 120 jeweils hälftig autonome und bürgerliche Antifaschist_innen. Im weiteren Verlauf blieben dem von den lokalen Antifa-Strukturen vorbereiteten flexiblen Blockadekonzept dann jedoch nur gut 50, überwiegend autonome Gegendemonstrant_innen erhalten. Die andere Hälfte – soweit nicht auf dem Weg festgenommen – schloss sich der Mahnwache am Schlossplatz an, wo die NPD-Anhänger_innen, immerhin eingetaucht in ein gellendes Pfeifkonzert, ihre große Kundgebung abhielten.

 

Insgesamt kann man von gut 100 Bürgerlichen sprechen, die in unterschiedlicher Weise zu den Gegendemonstrationen beigetragen haben. Für eine Stadt mit immerhin über 35.000 Einwohner_innen, die zudem alljährlich, dieses Jahr schon zum zweiten Mal von marschierenden Nazis heimgesucht wird, ist das doch ein enttäuschendes Zeichen der Gleichgültigkeit, vielleicht auch einer Resignation gegenüber den wachsenden braunen Strukturen und deren immer wieder aufflammenden Hetze und Gewalt.

Auch die Mobilisierung im Antifa-Lager kann keineswegs zufriedenstellen, auch wenn die Vorlaufzeit von ein paar wenigen Tagen recht kurz ausfiel, die Mobilisierung im Sommer erfahrungsgemäß immer etwas schwierig ist und Zweibrücken im Umland längst einen schlechten Ruf genießt.

 

Mit ursächlich für den ausbleibenden Erfolg ist aber auch die schwierige, im Ergebnis unzufriedenstellende Kommunikation zwischen den an Gegenmaßnahmen beteiligten Akteuren. Es gelang im Vorfeld nicht, die von verschiedener Seite geplanten, mobilisierten und durchgeführten Einzelaktionen hinreichend abzusprechen und zu koordinieren. Wichtige Informationen wurden nicht rechtzeitig weitergegeben. An diesen völlig unnötigen Schwachpunkten muss gearbeitet werden. Auch die Verfestigung der Antifa-Zusammenhänge in der gesamten Westpfalz (Kaiserslautern, Zweibrücken, Pirmasens) zu vernetzungsfähigen, weil auch von außen ansprechbaren, autonomen Gruppen wäre einer effektiver koordinierten antifaschistischen Arbeit dienlich.

 

Blockadekonzept und die Alternativen

 

Positiv hervorgehoben werden muss, dass sich im Vorfeld auch innerhalb der bürgerlichen Zusammenhänge die Erkenntnis langsam durchsetzte, dass bewusstes Wegschauen, stiller Protest oder „Würstchenbraterei“ abseits der Route noch nie etwas gebracht hat und auch beim letzten Aufmarsch im März keinerlei Wirkung zeigte, sondern nur zu Spott seitens der Rechtsradikalen einlud. So wurden die autonomen Blockaden im März ausdrücklich als der richtige Weg gewürdigt.

Immerhin einige Bürgerliche zogen aus dieser Erfahrung sichtbar ihre Konsequenzen und beteiligten sich solidarisch an der Blockade in der Poststraße. Andere ließen sich die Instrumentalisierung für Wahlwerbungszwecke nicht nehmen – anstatt eines roten SPD-Werbebusses am Infostand wäre sicherlich ein gemeinsam organisierter Lautsprecherwagen hilfreicher gewesen.

 

Positiv hervorheben muss man auch die Antifaschist_innen, die teilweise weite Wege nicht gescheut haben, um Zweibrücken und die Zweibrücker den Nazihorden nicht völlig zu überlassen. Aus dem Saarland, dem Rhein-Neckar-Raum, Frankfurt, Trier und sogar aus Luxemburg kamen junge und alte Menschen angereist, um die Antifaschist_innen vor Ort zu unterstützen. Dass sie insgesamt nicht übermäßig viele waren, ist nicht denjenigen anzulasten, die gekommen sind.

 

Das mittlerweile bewährte Blockadekonzept zeigte durchaus auch in Zweibrücken seine Wirkung, es hätte jedoch mindestens der doppelten Anzahl an Beteiligten bedurft, um mittels zumindest einer zweiten Blockade Ausweichmöglichkeiten ebenso zu verschließen. Für die Zukunft muss eine hierfür ausreichende Unterstützung schon im Vorfeld absehbar sein, um Menschen aus Antifa-Zusammenhängen für ein gemeinsames Konzept gewinnen zu können. Ansonsten bieten sich punktuelle Interventionen autonomer Kleingruppen im gesamten Stadtgebiet als Handlungsoption an. Was hingegen im Interesse aller nicht in Frage kommen kann, ist hingegen, den Nazis die Westpfalz als Aufmarsch-, Rückzugs- und Rekrutierungsgebiet zu überlassen.

 

Völkischer Rassismus, provozierend nach außen getragen

 

Mit deutlicher Verspätung starteten die rund 80 Neonazis, darunter NPD-Funktionäre aus der Westpfalz und dem Saarland, aber vor allem auch viele autonome Nationalisten aus der gesamten Region, um Viertel vor Zwölf vom Hauptbahnhof los. Neben der "Kameradschaft Zweibrücken-Pfalz" fiel dabei auch die recht neu gegründete Kameradschaft "Saarsturm" in einheitlich bedruckten schwarzen T-Shirts auf, deren erster großer Auftritt dies wohl war. "Saarsturm" versucht - analog der Strategie des sich gerne als "Neurechten" gerierenden saarländischen NPD-Vorsitzenden Frank Franz - durch eine vorsichtige Lockerung des Szenekodexes eine breitere Basis für militant-völkische Positionen zu schaffen.

 

Nachdem die Neonazis direkt zu Beginn um die erste Blockade herumgeleitet werden mussten, machten sie sich auf den weiteren Weg in Richtung Schlossplatz, den sie nach einer knappen halben Stunde erreichten. Auf diesem, einst nach Adolf Hitler benannten Paradeplatz zogen sie provokativ mit an islamische Gesänge erinnernden Klängen ein und formierten sich mit Blick unmittelbar auf das dort ansässige Oberlandesgericht. Vergleichsweise selten gelingt es Neonazis den Raum zu bekommen, ums auf solch vielschichtige Weise zu provozieren. Das ohrenbetäubende Pfeif- und Trommelkonzert der bürgerlichen Gegendemonstrant_innen tat einem etwaigen rechten Propagandaerfolg zwar einen gehörigen Abbruch, nichtsdestotrotz muss eine solche Situation künftig von vornherein verhindert werden.

 

Auf der nicht enden wollenden 90minütigen Kundgebung ließen der gerade erst wegen Volksverhetzung vor Gericht stehende Schweriner NPD-Fraktionsvorsitzende Udo Pastörs sowie das saarländische NPD-Spitzenduo Peter Marx und Frank Franz ihre Hass schürenden, tief in völkischem Gedankengut getränkten, Phrasen ab. Wie erwartet, beschränkten sich die Redner auch keineswegs auf verklausulierten Rassismus, sondern schüchterten Menschen außereuropäischen Hintergrunds ganz offen mit einem hinausgeschmetterten „gute Heimreise“ ein. Wer in Anbetracht solcher Hetze und Einschüchterung noch von Meinungsfreiheit faselt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.

 

Danach zogen die Nazis auf der um den ohnehin uninteressanten Abstecher durch das Gewerbegebiet verkürzten Route noch eine kleine Runde durch die Stadt. Dabei mussten sie ein weiteres Mal um eine Blockade herumgeleitet werden. Gegen halb drei war der Spuk dann vorerst zu Ende. Doch wie auch schon morgens vor der Demonstration markierten auch noch den ganzen Abend lang durch die Stadt ziehende Faschogruppen ihren Anspruch auf die Straßen.

 

Autonome Strukturen gründen!

 

Bezeichnend war schon im Vorfeld die Entscheidung der Zweibrückener Ordnungsbehörde, sich dem geplanten Naziaufmarsch in keiner Weise entgegenzustellen. Einen deutlicheren Bezug auf das Dritte Reich hätte die NPD kaum herstellen können, als am 8.8. mit dediziert ausländerfeindlichen Parolen durch die Stadt zu ziehen und eine Kundgebung am einst nach Adolf Hitler benannten Schlossplatz, direkt vor dem Oberlandesgericht zu zelebrieren.

 

Doch obwohl es offensichtlich jeden Grund dafür gegeben hätte, wurde keinerlei Verbotsversuch unternommen. Dass letztlich zwar der Durchmarsch durch die Fußgängerzone untersagt wurde (um den Geschäftsbetrieb nicht zu stören) sowie eine Kundgebung im relativ uninteressanten Gewerbegebiet (womöglich weil den Einsatzkräften zu weit vom Schuss), nicht jedoch die Kundgebung am hervorragend ideologisch instrumentalisierbaren Schlossplatz, stellt die bestenfalls gleichgültige Einstellung der Zweibrückener Ordnungsbehörde zur Schau.

 

Doch warum sollte man auch einen Pfifferling auf das Ordnungsamt einer aus einer gewissen Tradition braunen Stadt geben, die nach wie vor Hitler in der Ehrenbürgerliste führt. Warum sollte man auf gleichgültige Bürger_innen zählen, für die Naziaufmärsche bestenfalls „Business as usual“ sind? Schließt Euch zusammen, gründet autonome Strukturen, in Zweibrücken, in Homburg, in Pirmasens, in Kaiserslautern. Stemmt Euch gegen den braunen Mob, und viele, viele Gleichgesinnte aus der Region werden Euch gerne dabei aktiv unterstützen!

 

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