Vorgetäuschte Ahungslosigkeit. Beteiligten Polizisten war Rassenhass des Ku-Klux-Klan in Schwäbisch Hall bekannt

Erstveröffentlicht: 
10.08.2013

Schwäbisch Hall Die Dokumente, die dieser Zeitung nun zugespielt wurden, gehören zum Heiligsten innerhalb des Ku-Klux-Klan. Nur Mitglieder sollen Einblick haben, die Schriften dürfen den Kreis nicht verlassen - aus gutem Grund: Während öffentlich Verfassungstreue hochgehalten wird, wird aus den Texten der Hass der Gruppe gegenüber Farbigen und Juden deutlich.

 

Im Klan-Gesetz steht unter anderem: "Das Ziel der European White Knights of the Ku Klux Klan ist die Erhaltung der weißen Rasse und somit der direkten Blutslinie zu Gott." Als schweres Vergehen wird etwa bestraft, wer die "Vermischung des weißen Blutes mit anderen Rassen" verantwortet oder unterstützt.

 

Von 2000 bis 2003 hatte der deutsche Ableger des Klans seinen Mittelpunkt in einem Teilort von Schwäbisch Hall. Es kam zu mehreren Treffen und Kreuzverbrennungen auf Ruinen wie der Limpurg und der Geyersburg. Rund 20 Personen aus dem ganzen Bundesgebiet mischten dort mit.

 

Der Verfassungsschutz hatte mindestens zwei Informanten in den Reihen: den Klanchef selbst, Achim Schmid, Tarnname "Radler", sowie Thomas Richter alias "Corelli", der direkte Bezüge zum Nationalsozialistischen Untergrund hatte. Clemens Binninger (CDU) vom Berliner NSU-Untersuchungsausschuss mutmaßte, dass der Klan gezielt vom Verfassungsschutz gegründet wurde, um Neonazis anzulocken.

 

2002 flogen so zwei Polizisten aus Böblingen auf, die im Klan mitwirkten. Ein Disziplinarverfahren wurde erst 2005 beendet - zwei Jahre, nachdem sich der Klan aufgelöst hatte. Timo H. und Jörg W. sind noch heute im Dienst. Sie wurden gerügt - die "schwächste Form" einer Konsequenz, so Innenminister Reinhold Gall. Abgelaufene Fristen hätten härtere Sanktionen verhindert.

 

Grund für die milde Strafe könnte auch sein, dass die Affäre nicht öffentlich werden sollte. Doch genau das geschah 2012, als bei Ermittlungen zum NSU und Polizistenmord in Heilbronn Akten an Medien gelangten. W. und H. waren Kollegen der 2007 getöteten Beamtin Michèle Kiesewetter. Einer der beiden war am Tattag ihr Gruppenführer. Es gibt Verbindungen zwischen NSU und KKK. Es gäbe aber keine Hinweise, dass der Klan etwas mit dem Mord zu tun hat, meint Generalbundesanwalt Harald Range.

 

Zu H. und W. heißt es heute, sie hätten nicht gewusst, dass der KKK eine rassistische Organisation ist. "Ich frage mich, wie viel Dummheit oder Weltfremdheit in einem Polizeibeamten stecken darf, ohne dass er aus dem Dienst entfernt wird", kommentierte André Schulz, Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, diese Entschuldigung der beiden Männer.

 

Dieser Zeitung liegen nun Dokumente vor, die belegen, dass beide im Klan früh mit rassistischen Äußerungen konfrontiert wurden. Sie haben sogar einen Schwur darauf geleistet und dies mit Blut aus ihren Fingern besiegelt. Sie wurden etwa gefragt: "Würdet ihr einen Eid schwören, ohne mentale Vorbehalte die weiße Rasse zu verteidigen, zu schützen und voranzubringen?" In einem anderen Teil formuliert der "Klaliff" (Vize-Präsident) den Standpunkt, "dass wir Teil einer Rasse sind, deren Natur und Talent von der Überlegenheit über alle anderen gekennzeichnet ist, und dass der Schöpfer (. . .) beabsichtigt, uns über alle niederen Rassen herrschen zu lassen." Andere Passagen sind noch expliziter rassistisch. Verpflichtend für eine Aufnahme im KKK ist, dass Interessenten eine Abhandlung zu den Themen Rasse, Religion und Politik einreichen.

 

Die Dokumente zeigen, dass die rechte Tendenzen den Polizisten haben bekannt sein müssen. Ein zweites Disziplinarverfahren sei aber nicht mehr möglich, da die Vergehen verjährt sind, so Minister Gall. Zumindest gegen Jörg W. gingen aber bis vor Kurzem noch mehrfach Beschwerden ein, in denen er etwa ein "unerträglicher Rassist" genannt wird. Das bestätigt das Innenministerium in einem Bericht. Der Beamte ist aber weiter im Dienst.

 

Eine Konsequenz hat die KKK-Affäre dennoch: Seit wenigen Tagen müssen künftige Polizisten in Baden-Württemberg einen Fragebogen ausfüllen, in dem explizit nach der Mitgliedschaft in extremistischen Organisationen gefragt wird. Neben Salafisten, NPD und Teilen der Partei Die Linke taucht auch der Ku-Klux-Klan darin auf.