Gerichtsverhandlung gegen Aktivisten wegen Proteste gegen Schünemann Veranstaltung

Solidarität mit dem Aktivisten 10.07.13

Mittwoch 10.07.13 ||| 09 Uhr ||| Amtsgericht Göttingen 

Schünemanns Nachbeben...

Am 10. Januar 2012 war der damalige niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU)  zusammen mit dem Göttinger Polizeipräsidenten Robert Kruse zu einer Veranstaltung unter dem Titel „Ein Blick auf die Kriminalitätsbekämpfung in Niedersachsen und Göttingen im Speziellen“ in die Universität gekommen. Eingeladen hatte der CDU-nahe Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), der diese Veranstaltung als Wahlkampfveranstaltung für die anstehende Uni-Wahl verwenden wollte. Der ehemalige RCDS-Vorsitzende schrieb später dazu: "Herzlichen Dank an alle freiwilligen und unfreiwilligen Wahlkampfhelfer."

 

Zahlreiche linke Gruppen riefen zu Aktionen gegen die rassistische Abschiebepolitik Schünemanns und die Kriminalisierungswut gegenüber Linken durch Kruse auf. Diesem Aufruf folgten etwa 500 Demonstrant_innen, die vor dem Hörsaal lautstark und kreativ ihren Protest zum Ausdruck brachten. Da zwei der Eingänge versperrt wurden, mussten die beiden Referenten den Hörsaal durch einen Hintereingang betreten. Vor etwa 270 Zuhörer_innen begann die Veranstaltung mit einiger Verspätung, aber nicht ungestört von Zwischenrufen und lautes Klatschen.


Nach einiger Zeit eskalierte die Polizei die Proteste und räumte mit massiver Gewaltanwendung den Eingangsbereich des Hörsaals, wobei die Demonstrierenden getreten, geschlagen, gewürgt und mit dem Kopf gegen die Wand geschleudert wurden. Ein Aktivist verlor das Bewusstsein, ein anderer erlitt eine Gehirnerschütterung. Zwei Aktivist_innen mussten im Krankenhaus behandelt werden.


Auch die Abreise von Schünemann verlief nicht ohne Protest. Ein Mannschaftswagen der Polizei, in dem der Innenminister abtransportiert werden sollte, wurde von einigen Protestierenden blockiert. Bei ihrer Räumung durch die Polizei ist ein Betroffener an der Kapuze über den Beton gezogen worden, er ist ans Ohr geschlagen und an den Oberschenkel getreten worden. Ein Anderer ist mit dem Kopf auf den Asphalt geschlagen und aufs Fußgelenk getreten worden.

 

Die Polizei rechtfertigte ihren Einsatz damit, das die Demonstrant_innen die Eskalation herbeigeführt hätten, als sie “versuchten, sich durch Drücken gegen die Zugangstür unberechtigt und gewaltsam Zutritt zum Veranstaltungsraum zu verschaffen”. Absurd, denn die Tür des Hörsaales wird nach außen geöffnet. Kruse hatte später den Einsatz gelobt und sich bei den Beamt_innen bedankt. Ihr Vorgehen sei "angemessen, konsequent und professionell" gewesen. Es seien angeblich sechs Polizeibeamte verletzt und mehrere Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Landfriedensbruchs eingeleitet worden.

 

Im Mai 2013 legte die Göttinger Polizei ihre Jahresstatistik 2012 zu politisch motivierter Kriminalität vor und bezeichnete Göttingen als “regionalen Brennpunkt linksmotivierter Straftaten in Niedersachsen”. 17 von den erfassten 96 linksmotivierten “Delikten” sollen sich bei der Veranstaltung mit Kruse und Schünemann im Januar 2012 ereignet haben. Kruse gab anfangs an, das von den 17 Strafverfahren gegen Demonstrant_innen fünf zu einer Verurteilung führten. Auf Kritik musste Kruse die Zahl der Verurteilten auf zwei reduzieren. Das heißt, das die restlichen Delikte zu Unrecht in der Jahresstatistik zur politisch motivierten Kriminalität auf.


Die Ermittlungen gegen Polizist_innen wegen Körperverletzung im Amt wurden eingestellt, weil die mutmaßlichen Gewalttäter_innen nicht identifiziert werden konnten.

 

Polizeipräsident Kruse kam 2010 nach Göttingen. Er war zuvor Verfassungsschutzvizepräsident in Hannover und übernahm den Posten von Wargel, der zum Leiter der Verfassungsschutzabteilung und Verfassungsschutzpräsident des niedersächsischen VS wurde. Damit ist das Gebot der Trennung von Geheimdiensten und Polizei aufgehoben . Kruse tut sich immer wieder durch seine Gleichsetzung zwischen Links- und Rechtsextremismus vor. Und wie sein Vorgänger Wargel sieht er überall die Gefahr des Linksterrorismus, wie das Beispiel des vermeintlichen Anschlages in der Teeküche der Ausländerbehörde des Landkreises Göttingen und die folgende Kriminalisierung zeigt. Dieses Herbeireden soll das harte Vorgehen gegen die linke Szene legitimieren, wie z.B. die Stationierung der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) in Göttingen. Diese wird regelmäßig gegen Proteste eingesetzt und ist für ihre brutalen Übergriffe auf Demonstrationen wie z.b. während der Conny Demo 2009 bekannt.

 

Der damalige Innenminister von Niedersachsen, Schünemann, ist bzw. war für seine rücksichtslose Abschiebepolitik und seine Law-and-Order Politik bekannt. Er ist politisch mitverantwortlich für das vielfache Leid von Flüchtlingen und steht für die rassistischen Ausgrenzungsmechanismen und die Sondergesetze, wie z. B. Residenzpflicht, Isolation in Lagern, mangelnde medizinische Versorgung und Abschiebung. Immer wieder hetzt er gegen Flüchtlinge, wie z.B gegen Geflüchtete aus Serbien und Mazedonien, die angeblich “tausendfachen Asylmissbrauch” begehen, weil sie Asyl lediglich “zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation” beantragen würden. Unzählige Menschen wurden unter Schünemann abgeschoben. Auch auf sein persönliches Drängen, wie z.B. eine Iranerin, die zum Christentum übertrat und sich von ihrem muslimischen Ehemann hatte scheiden lassen, weshalb sie nach iranischem Recht gesteinigt worden wäre. Oder Gazale Salame, die von ihrer Familie getrennt und schwanger in die Türkei abgeschoben wurde. Für einige Menschen ist Suizid der einzige Ausweg, einer Abschiebung zu entgehen, wie Slavik C, der sich 2010 in der JVA Langenhagen erhängte, weil er nach Armenien abgeschoben werden sollte.

 

In Sachen Law-and-Order Politik setzte Schünemann voll auf Repression: er ließ Überwachungsdrohnen bei Anti-Castor-Protesten einsetzen... verschärfte das Demonstrationsrecht... führte im November 2012 die BFE in Göttingen ein... ließ ein Heft erstellen, mit dem u.a. Arbeitgeber erkennen sollten, ob eine Radikalisierung bei vermeintlich muslimischen Betriebsangehörigen stattfindet und diese dann bei Behörden denunzieren...


Er forderte verdachtsunabhänge Kontrollen vor Moscheen... die präventive Telefon- und e-mailüberwachung... die Ausweitung der Videoüberwachung auch auf „belebte Plätze in den Innenstädten“... die Einführung der „elektronischen Fußfessel“ ohne richterlichen Beschluß für „gefährliche Ausländer, die nicht abgeschoben werden können.“... die heimliche Durchsuchung von Wohnungen durch die Polizei u.v.m.

 

„In Zeiten wie diesen...sitzen menschen in knästen, deren verbrechen es ist, keine papiere zu haben, für ein land wie dieses...in zeiten wie diesen...für d-land, dem freien und sozialen und achso zivilisierten, kein traum eher ein traumata land, mit soviel geschichte, schon soviel vergessen von verfolgung und morden, das es so leicht funktioniert menschen abzuschieben, sie auszufliegen in gebiete mit krisen, in gebieten mit kriegen...in zeiten wie diesen...“ (Yok)

 

Am Mittwoch, dem 10. Juli 2013, ist ein Aktivist angeklagt, dem vorgeworfen wird Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt bei der Veranstaltung mit Schünemann und Kruse begangen zu haben.

 

Wir erklären uns solidarisch mit dem angeklagten Aktivisten.


Warum soll es ein Verbrechen sein, sich gegen Rassismus in all seinen Formen zu wehren?

Warum soll es ein Verbrechen sein, sich dagegen zu wehren, das Menschen diskrimiert, eingesperrt,  gefoltert, abgeschoben oder gar in den Tod getrieben werden?

Warum soll es ein Verbrechen sein, wenn sich jemand für ein selbstbestimmtes Leben für alle Menschen einsetzt?

Warum soll es ein Verbrechen sein, sich gegen die Einschränkung bzw.  Abschaffung von Freiheiten durch staatliche Institutionen einzusetzen?

Wir finden es ist kein Verbrechen, sondern legitim und erforderlich gegen den Rassismus in den Institutionen, in den Gesetzen und in den Köpfen Widerstand zu leisten.

 

Kommt alle am Mittwoch, dem 10. Juli 2013, um 09 Uhr zum Amtsgericht Göttingen.

 

Seid solidarisch, seid laut, seid kreativ !

Betroffen ist einer – gemeint sind wir alle !

Kein Mensch ist illegal !

Für ein freies und selbstbestimmtes Leben !