[B] - Auswertung des Innenausschuss um die Ereignisse des 1. Mai

Aufkleber zum 1. Mai

Das aktuelle Protokoll des Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung (der Name zergeht auf der Zunge) vom 15.05.2013 liegt nun als Inhaltsprotokoll vor und befasst sich mit den Ereignissen um den 01. Mai 2013 in Berlin. Dabei ziehen alle Parlamentarier_innen eine überaus positive Bilanz. Ein Blick lohnt sich wie immer zu Analyse der Strategien der Führungsstäbe der Ordnung erhaltenden Kräfte.

 

Kommentierte Zusammenfassung: (Für neutrales Bild, lest bitte das angefügte Protokoll selber...)

 

"Der Maifeiertag sei einer der friedlichsten seit Beginn der Ausschreitungen im Jahr 1987 gewesen" betonte Frank Henkel (CDU - Innensenator zu Berlin) Er danke Herrn Herr Polizeipräsident Kandt und der Berliner Polizeibehörde für ihre ausgezeichnete Arbeit sowie der Bundespolizei und den zahlreichen Kräften aus den anderen Bundesländern für ihre Unterstützung. Die Einsatzschwerpunkte hätten in diesem Jahr auf der NPD-Demonstration in Schöneweide und der 18-Uhr-Demonstration von Friedrichshain-Kreuzberg nach Mitte gelegen. Beide Demonstrationen hätten ihren Endplatz erreicht. Damit habe die Polizei deutlich gemacht, dass sie das Versammlungsrecht schütze.

 

[...]

 

Bei der Erfüllung dieser Aufgabe habe die Polizei sich zurückgehalten, jedoch Präsenz gezeigt und dadurch Gewalttäter schnell entmutigt.

 

[...]

 

Er danke den vielen Initiativen, die sich für ein friedliches Miteinander engagiert hätten. Die weitgehend spannungsfreie Atmosphäre und fröhliche Stimmung auf dem Myfest mit knapp 40 000 Teilnehmern habe gezeigt, dass sich die Anwohner ihre Kieze zurückerobert hätten. 

 

Polizeipräsident Klaus Kandt:

 

Auffällig in seinen Ausführungen ist, dass er genau versucht darauf einzugehen, wann die Berliner Einsatzkräfte "Übersichtsaufnahmen" angefertigt hätten. Dies scheint eine Reaktion auf die Debatte vor dem Ersten Mai zu sein, bei der das neue Gesetz zur Videoüberwachung (Neusprech: Videokontrolle) im Eilverfahren durch den Berliner Senat geprügelt wurde.

 

Im weiteren Einsatzverlauf sei es immer wieder zu dezentralen Aktionen und mehreren Durchbruchsversuchen an den errichteten Absperrungen rund um den Veranstaltungsbereich des NPD-Aufzugs gekommen. Darüber hinaus hätten sich kurzfristig nicht angemeldete Spontanaufzüge gebildet. Es hätten ständige Bewegungen größerer Personengruppen von bis zu 1 000 Personen im Bereich Helmholtzstraße, Deulstraße und Siemensstraße beobachtet werden können.

 

[...]

 

Im Zusammenhang mit der Versammlungslage der NPD sei der Wasserwerfer einmal eingesetzt und zweimal angedroht worden. Gegen 12.49 Uhr seien in der Griechischen Allee/Siemensstraße/Wilhelminenhofstraße durch Störer und Gewalttäter die Absperrgitter auseinandergerissen worden. Flaschen- und Steinwürfe seien erfolgt. Die dort positionierten Einsatzkräfte hätten gegen 12.53 Uhr den Wasserwerfer eingesetzt. Es seien in einer Minute 800 Liter in Form von Wasserregen auf die in ca. 20 bis 25 Metern Entfernung befindlichen Störer und Gewalttäter versprüht worden. Gleichzeitig mit der Wasserabgabe seien Lautsprecherdurchsagen erfolgt. 

 

[...]

 

Beim Erreichen des Szeneobjektes Köpenicker Straße 137 seien pyrotechnische Gegenstände auf dem Dach gezündet worden. Gegen 19.55 Uhr hätten sich ca. 100 Personen des schwarzen Blocks in der Heinrich-Heine-Straße aus dem Aufzug gelöst und in der Schmidstraße Einsatzkräfte mit Steinen beworfen. In der Annenstraße hätten sie weitere Einsatzkräfte mit Steinen beworfen, bevor sie sich wieder dem Aufzug angeschlossen hätten. 


Ebenfalls in der Heinrich-Heine-Straße sei ein Pkw umgekippt, Scheiben an mehreren parkenden Pkw eingeschlagen und gegen 19.56 Uhr Steine auf eine Sparkassenfiliale geworfen worden. Später sei in der Oranienstraße/Ecke Lobeckstraße eine Tankstelle durch Steinwürfe beschädigt worden. Ab dort sei eine einschließende polizeiliche Begleitung der Aufzugsteilnehmer erfolgt, was im vorderen Teil des Aufzugs zur Lageberuhigung geführt habe.

 

Im weiteren Verlauf des Aufzugs sei es nur noch vereinzelt zu Stein- und Flaschenwürfen in 

 

Richtung der eingesetzten Polizeikräfte und parkenden Fahrzeuge gekommen. In der Leipziger Straße sei gegen 20.56 Uhr ein weiteres Geldinstitut beschädigt worden.

 

Dann Zitiert Kandt einen Beitrag aus Indymedia, den er der anwesenden Runde im Ausschuss vorträgt. Hierbei sollte das Augenmerk darauf liegen, dass die Taktiker_innen in jedem Fall hier mitlesen und ihre Schlüsse aus Beiträgen ziehen und gezielt für ihre Propagandastrategien einsetzen.

 

Zur Darstellung des vorhandenen Gewaltpotenzials während des 1. Mai wolle er einen Beitrag von Indymedia vom 2. Mai vorstellen, in dem die 18-Uhr-Demonstration von der linken Szene ausgewertet worden sei: 

 

... Da in vielen Texten die Verhandlungsbereitschaft des Bündnisses mit der Polizei und die dadurch entwickelte Route nach Mitte kritisiert wurde, gab es Einigkeit in großen Teilen der anarchistischen Zusammenhänge, dass die Demo am Moritzplatz verlassen werden muss, um eine Situation wie im letzten Jahr zu vermeiden, bei der die gesamte Masse von den Bullen aufgerieben wurde. So war also die letzte Chance zur gemeinsamen Aktion zwischen U-Bahnhof Heinrich Heine Straße und Moritzplatz. Als einige die Initiative ergriffen und sich aus der Demo lösten, um auf dem seitlichen Grünstreifen nach vorne zu laufen, formierte sich dort sofort ein schwarzer Block, guter Dinge, die Polizei, die in den Seitenstraßen mitlief, anzugreifen. Die friedliche und träge Stimmung der Demo fand ihr Ende, als eine Hundertschaft Berliner Bullen dann dran glauben musste. 


Viele in und auch aus der Spitze der Demo, die in diesem Moment überholt wurden schlossen sich an oder applaudierten. Der Gegenangriff der Hundertschaft verlief sich nach wenigen Metern in der Weite der Grünfläche und im Bewurf aus dem schwarzen Block. In der Folge wurden aus dem Demozug die vielfach fotografierte Sparkasse, einige Bonzenautos und Werbetafeln entglast. Zwei Wasserwerfer in einer Seitenstraße wurden ebenso beworfen, ohne eine Reaktion hervorzurufen. Am Moritzplatz dann versuchten die Bullen, über den Rechtsknick der Demoroute an der linken Seite Spalier aufzuziehen. Das haben sie unterlassen, als sie auch dort mit Steinen attackiert wurden. Somit hatte der schwarze Block sich noch mal Platz verschafft, um bis zur Shelltankstelle entgegen der Prognose mitzulaufen und dort die Bullen anzugreifen, die diese schützten. Sie verschanzten sich hinter ihren Wannen. Kurz später kam dann ein Angriff von rechts in die Demo, in deren folge sich der Block vermutlich ohne Festnahmen auflöste. 


Auch über wenig Bildmaterial dürften sich die Bullen ärgern, da Fotograf_innen von Anfang an eine klare absage an ihren Voyeurismus erteilt wurde. Einige Kameras mussten dafür zu Bruch gehen. Es ist seit einiger Zeit ein guter Trend erkennbar, Presse und Spanner aus den Aktionen fernzuhalten. So weit ist die anarchistische Präsenz auf der Demo als Erfolg zu werten. 


Dass die Demonstration dann durch Mitte bis Unter den Linden lief wurde unserallerseits nicht erwartet. Welche Gründe das hatte weiß die Einsatzleitung. Vermutlich liegen diese irgendwo zwischen Skrupel und Angst. Skrupel davor, eine ausländische demokratischbürgerliche Partei anzugreifen. Angst davor, den gut zusammenhaltenden und scheinbar gut organisierten schwarzen Block noch mehr als durch ihre Präsenz zu provozieren. Hätten alle gewusst, dass der Rückweg vom Demoende auf Unter den Linden nach Kreuzberg durch die schlecht geschützte Friedrichstraße führte, hätte sich der schwarze 

Block sicherlich breitschlagen lassen, mitzukommen. 

 

Dieser Bericht der linken Szene sei ein Beweis dafür, dass die Doppelstrategie der Polizei 

Berlin greife, Gewalttätern keinen Raum zu lassen. Wo Raum gewährt werde, finde Gewalt 

statt. Die Polizei verfüge jedoch über erfahrene Kräfteplaner, die einzelfallbezogen genau 

kalkulierten, wie viel Personal bei welchem Anlass benötigt werde.

 

Dr. Robbin Juhnke (CDU):

 

[...] Dass die „Revolutionäre 18-Uhr-Demonstration“ trotz gewalttätiger Aktionen an ihrem Ziel angekommen sei, habe die Gerüchte, dass die Polizei alles unternehmen werde, um den Aufmarsch im Vorfeld abzubrechen, nicht bestätigt. Die Teilnehmer sollten daraus lernen, dass politische Botschaften mehr Gehör fänden, wenn sie friedlich artikuliert würden.

 

[...]

 

Man dürfe sich nicht daran gewöhnen, dass der 1. Mai friedlich verlaufe, und denken, dass es nur mithilfe von 7 000 Polizeibeamten möglich sei, ihn nicht in bürgerkriegsähnliche Zustände abgleiten zu lassen. Er appelliere an die linken Parteien, zu verdeutlichen, dass Gewalt kein Mittel der Auseinandersetzung sei.

 

Oliver Höfinghoff (PIRATEN):

 

[...] die Taktik der Polizei offensichtlich aufgegangen sei. Man habe lernen können, dass eine Demonstration – abgesehen von wenigen Ausnahmen auf beiden Seiten – überwiegend friedlich bleibe, wenn man sie in Ruhe ihren Weg ziehen lasse.

 

[...]

Wie viele Wasserwerfer und Räumfahrzeuge seien rund um den 1. Mai im Einsatz gewesen? Das Erscheinungsbild habe an einen Truppenübungsplatz erinnert. 

 

Kurt Wansner (CDU):

 

Auch zwischen 1933 und 1945 hätten Menschen, vor allem viele Sozialdemokraten, gegen das Naziregime demonstriert. Sie hätten allerdings einige Stunden später nicht mehr gelebt, das sei der Unterschied zur heutigen Zeit. Heute demonstrierten alle gegen Nazis, egal, welcher politischen Couleur. Die Grünen sollten nicht immer vorgeben, sie seien die einzigen. 


Eigentlich sollte man die NPD weniger zur Kenntnis nehmen. Wenn massiv gegen sie demonstriert werde, tue man ihr möglicherweise einen Gefallen. Herr Höfinghoff habe möglicherweise Defizite in manchen Geschichtsbereichen. – Herr Höfinghoff bewerte bestimmte polizeiliche Maßnahmen immer wieder aggressiv. Die Polizei wäre die erste, die am 1. Mai zu Hause bliebe, wenn die Arbeiter wieder für mehr Rechte auf die Straße gingen und nicht die Gefahr von Krawallen bestünde. 

 

Klaus Kandt: (CDU - Polizeipräsident)

 

Der Feststellung von Herrn Höfinghoff zur 18-Uhr-Demonstration, wo Demonstranten in Ruhe gelassen würden, bleibe es friedlich, widerspreche er ausdrücklich. Wo Demonstranten friedlich seien, erreichten sie ihren Endpunkt. Bei der 18-Uhr-Demonstration sei jedoch in Form von mehreren Angriffen auf die Polizei versucht worden, eine Eskalation zu provozieren. Von der Polizei selbst sei keine Gewalt ausgegangen, und sie habe sich auch nicht hereinziehen lassen.