Geheimdienst aus der PH schmeißen

Studierendenvertretung PH Heidelberg

An der PH Heidelberg soll am 21.06.13, 11-16 Uhr eine Schulung des Projekt TeamMex, eine vom Verfassungsschutz inittierte doktrinäre Kampagne gegen "Extremismus", stattfinden. Geheimdienste haben weder an Schulen noch an Hochschulen was verloren. Entsprechend regt sich erster Protest.

 

Der Unabhängige Studierendenausschuss der PH (UStA) hat sich in einem offenen Brief an die Rektorin, den Fachbereichsleiter und an die einladende Dozentin gewand und diese aufgefordert die Veranstaltung abzusagen. Bisher sind noch keine Reaktionen bekannt. auch die Presse scheint sich nciht weiter für geheimdienstliche Einflussnahme auf Bildung zu interessieren.

 

Im folgenden dokumentieren wir den Brief

 

Der Inlandsgeheimdienst hat nichts an der PH oder in irgendeiner anderen Bildungseinrichtung verloren!

Verfassungsschutz abschaffen!

 

Sehr geehrte Frau ...

im Rahmen des Fachs Politik wurde für Studierende die Fortbildungsveranstaltung „Mit Zivilcourage islamischen Extremismus“eingeladen. Angekündigt wurde sie als Angebot der Landeszentrale für politische Bildung. Ohne Zweifel lässt sie sich auch als solche beschreiben, so ist die LpB Projektleitung. Googelt man allerdings die Veranstaltung, so landet man beim ersten Treffer auf der Seite des Projektpartners und entsprechend wohl Initiator und inhaltlichem Stichwortgeber, auf der Seite des Inlandsgeheimdienst, dem Verfassungsschutz. Unumstößlich gibt dieser Umstand der Schulung einen anderen Charakter und zwar einen, den wir nicht bereit sind hinzunehmen.
Vorbemerkung: Es ist uns bewusst, dass die Fortbildung nicht zum ersten Mal stattfindet. Letztes Jahr scheint sie unbemerkt an uns vorbei gegangen zu sein. Inhaltlich macht dies keinen Unterschied.

Der Verfassungsschutz: Eine ständige Bedrohung für eine offene Gesellschaft
Entstanden im kalten Krieg, war der hauptsächliche Zweck des Verfassungsschutz die neugegründete KPD zu überwachen. Mitarbeiter waren vor allem auch ehemalige Mitarbeiter der Gestapo. Bis heute hat es die Behörde nicht geschafft die personellen und organisatorischen Kontinuitäten aus der Zeit des Nationalsozialismus aufzuarbeiten. Dass sich der Inlandsgeheimdienst mittlerweile auch dem Arbeitsfeld „Rechtsextremismus“ widmet, ist für eine Verhinderung eines Wiedererstarkens faschistischer Ideologien eher kontraproduktiv. So scheiterte das Verbotsverfahren gegen die Neonazistische NPD an der unklaren Bedeutung von sogenannten V-Männern, also Mitarbeitern des Inlandsgeheimdienst, innerhalb der Partei. Zivilgesellschaftlichen Initiativen, die sich gegen Nazis und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit engagieren, wird wiederum schnell der Geldhahn zugedreht, wenn sie im jährlich erscheinenden Verfassungsschutzbericht Erwähnung finden. Nach welchen Kritierien die Auswahl getroffen wird, welche Gruppen, Parteien oder Einzelpersonen ins Visier der Behörde geraten und mit welchen Methoden diese dann überwacht und ausspioniert werden, entzieht sich jeglicher demokratischer Kontrolle.
Schlussendlich ist noch unklar wieviel Mitschuld der Verfassungsschutz an den Morden des Nationalsolzialistischen Untergrund (NSU) trägt. Wie die Existenz dieser neonazistischen Terrororganisation über so viele Jahre möglich war bleibt zu klären. Es kann nur gehofft werden, dass die Rolle des inlandsgeheimdienst lückenlos aufgeklärt werden kann. Die Behörde selber scheint daran kein Interesse zu haben. Zumindest wurden wichtige Akten kurz nach Auffliegen der Zwickauer Zelle geschreddert und bis heute kann von Transparenz keine Rede sein.

Der Extremismusbegriff – umstritten und irreführend
Die Schulung richtet sich gegen „islamischen Extremismus“, das Rahmenprogramm „Team meX“, allgemein gegen „Extremismus“. Hinter einer solchen Überschrift kann inhaltlich schon keine qualitativ angemessene Arbeit stehen. Der Extremismus-Begriff ist wissenschaftlich hoch umstritten und kann im akademischen Kontext eigentlich nicht mehr ohne Problematisierung verwendet werden. Verwendung findet der Begriff eigentlich nur noch um politische Gegner zu diffamieren oder in der Arbeit des Inlandsgeheimdienst (von dem er auch entwickelt wurde). Im Extremismus-Modell wird die komplexe Gesellschaft mit vielfältigen politischen Ausrichtungen auf ein gleichförmiges Hufeisen reduziert. Eine Arbeit mit diesem Begriff ist einer Meinungsvielfalt gegenläufig, da Äpfel, weil sie keine Kirschen sind, mit Birnen gleichgesetzt, und anschließend kriminalisiert werden. In der Praxis führt das Modell dann dazu, dass bspw. durch die Extremismusklausel zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rassismus, Nazis u.v.m. Von einer staatlichen Förderung ausgeschlossen, wenn nicht sogar bekämpft wird.
Wir befürworten den Umgang mit religiösem Fundamentalismus aller Couleur in die Lehre der PH mit aufzunehmen. Unter dem Label „Extremismus“ kann allerdings eine differenzierte Auseinandersetzung mit einem Problem unmöglich stattfinden.

Geheimdienstliche Einflussnahme widerspricht den Grundsätzen demokratischer Bildung
Wenn es der PH und insbesondere dem Fach Politik wichtig ist, dass Absolvent_innen in der späteren Arbeit im Sinne der Demokratie lehren und Demokratiekompetenz bei Schüler_innen gefördert wird, wäre es konsequent davor zu warnen Angebote des Inlandsgeheimdienst wahrzunehmen. Der Beutelsbacher Konsens, der im Fach Politik hochgehalten wird, hat als Grundprinzipien das Indoktrinationsverbot, das Gebot der Kontroversität und Schülerorientierung. Der Einfluss von Geheimdiensten in die Bildungsarbeit steht ersteren beiden eindeutig zu wider. Dadurch schließt sich eine Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz schon aus bevor die Gefahr dieser Behörde im speziellen überhaupt thematisiert werden muss.

Es bleibt noch darauf hinzuweisen, dass Studierende und Räumlichkeiten der PH betroffen vom Einsatz des verdeckten Ermittlers mit dem Tarnnamen Simon Brenner waren. Der Polizeispitzel hatte mit geheimdienstlichen Methoden über neun Monate hinweg die linke Szene Heidelbergs ausspioniert. Die Klage von Betroffenen gegen den massiven Grundrechtentzug ist noch nicht entschieden. Wir sind der Meinung, dass dieser Umstand zu einer besonderen Sensibilität im Umgang mit staatlichen Überwachungsbehörden verpflichtet.

Aus diesen Gründen, die wir gerne im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung oder ähnlichem ausgiebiger zum Thema machen, fordern wir sie auf die Schulung abzusagen und auch zukünftig auf Angebote des Inlandsgeheimdienst zu verzichten.
Wir würden es wiederum sehr begrüßen, wenn sie vergleichbare Angebote von zivilgesellschaftlicher oder gewerkschaftlicher Seite anbieten würden. Verwiesen sei hier auf das Netzwerk für Demokratie und Courage e.V. (NDC) und die Bildungsangebote der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Mit freundlichen Grüßen

Studierendenvertretung- UStA

Heidelberg, 23.05.13