[H] Wer nicht feiert, hat verloren

Wer nicht feiert, hat verloren

8. Mai 1945 – Tag der Befreiung

Am 8. Mai jährt sich der Tag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht zum 68. Mal. Mit diesem Tag endete der 2. Weltkrieg in Europa und die Herrschaft des nationalsozialistischen deutschen Staates. Nach 6 Jahren Krieg gelang es den Alliierten Europa und Deutschland von der Barbarei der Nazis zu befreien. Die Errichtung einer Diktatur, die ideologische Kriegsführung und die Ausgrenzung von Menschen und deren spätere Vernichtung zerstörten Millionen Leben und stellten einen Bruch mit unserem Verständnis von Zivilisation dar. Erst mit der vollständigen Kapitulation Deutschlands, dem Sieg der Alliierten und der Auflösung des deutschen Reiches konnte diesem Grauen ein Ende bereitet werden. Für die überlebenden verfolgten Juden, Sinti, Roma, Homosexuellen, Behinderten, politischen Oppositionellen und Kriegsgefangenen endete mit dem Tag der Befreiung Gefangenschaft, Unterdrückung und industrieller Massenmord.

 

Der Tag der Befreiung ist ein wichtiger Bestandteil der Erinnerungs- und Gedenkkultur vieler europäischer Staaten. In Frankreich, Tschechien, Russland, Weißrussland, der Slowakei und in den Niederlanden ist er offizieller Feiertag. Lediglich in Deutschland ist dieser Tag ein normaler Werktag. Im gesellschaftlichen und institutionellen Leben kommt ihm quasi keine Bedeutung zu. Während der 3. Oktober, als „Wiedervereinigung“ Nationalfeiertag ist, Mauerfall, Annexion der DDR und Gründung der Bundesrepublik und ähnliche deutsche „Erfolge“ entsprechend zelebriert werden, wird der Tag der Befreiung, aber auch der Niederlage auf Grund seiner Fremdbestimmung gesellschaftlich und institutionell verdrängt und somit Teil der Täter-Opfer-Verdrehung.

 

Die Ursache des 2. Weltkrieges und des Holocausts ist nicht in einzelnen ideologisch geschulten Nazi-Eliten zu suchen, sondern in der deutschen Mehrheit der Bevölkerung. Es waren die deutschen Massen, ohne die der Faschismus keinen Fuß hätte fassen können. Es waren die Deutschen, die Hitler zum Reichskanzler wählte. Es war der Großteil der Deutschen, der sich nicht gegen die schreiende Ungerechtigkeit wehrte. Das Verdrängen des 8. Mai und der deutschen Schuld am Nationalsozialismus ist Teil deutscher Tradition. Völkischer Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus haben auch im 21. Jahrhundert Hochkonjunktur in Deutschland. Ob Abschiebung und rassistische Sondergesetze für Flüchtlinge, weit verbreiteter Antisemitismus, deutsche Großmachtbestrebungen, gesellschaftlicher Sozialchauvinismus oder scheinbar harmloser Patriotismus. Zusammen mit der Abschiebung und Verdrängung der Schuld auf einzelne „da oben“ bergen sie eine gefährliche Mischung für Ausgrenzung, Diskriminierung und das Potenzial zum Faschismus.

 

Die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2013. Der Neuanfang ist gescheitert. Das Fortbestehen der Nation und die Wiedervereinigung Deutschlands tragen im Kern den deutsch-völkischen Gedanken in sich. Der Aufbau von DDR und BRD war geprägt durch Restauration von alten Nazis in der Verwaltung, Justiz und Politik. Auch heute sind die Verstrickungen zwischen Nationalsozialismus und deutschem Staat unverkennbar. Auf der einen Seite die NSU-Mordserie inklusive Verflechtung der Behörden und auf der anderen Seite die ständige Kriminalisierung antifaschistischer Arbeit sind nur Beispiele für die Unmöglichkeit eines antifaschistischen Neubeginns beim Fortbestehen einer deutschen Nation. Deshalb ist es für uns umso wichtiger, diesen Tag zu feiern und ihn weder zu verdrängen, noch als Katastrophe zu verklären. Wir müssen den Alliierten danken, statt deutsche Opfermythologien und Antiamerikanismus zu pflegen, Hass auf die „Imperialisten“ und Antikommunismus zu unterstützen.

 

Gleichzeitig ist dieser Tag aber auch ein Tag des Gedenkens. Denn mit dem Sieg über das dritte Reich darf nicht vergessen werden, wie viele Menschenleben, die Nationalsozialisten in 12 Jahren Schreckensherrschaft zerstörten. Der 10. Mai, Tag unserer Veranstaltung, ist auch Tag der Bücherverbrennung im Jahr der Machtübernahme Hitlers. Neben dem Feiern wollen wir das Gedenken an die vielen Opfer nicht vergessen, auf dass Auschwitz sich niemals wiederhole.

 

Und trotzdem: der 8. Mai ist für uns ein Tag zum Feiern! Es ist der Tag, an dem die Zivilisation über die Barbarei gesiegt hat. Wir wollen das feiern, denn für alle, die nicht mit dem Faschismus konform sind, ist es ein Tag der Befreiung, ein Tag des Sieges. Wer sich nicht über Befreiung freut, wer nicht feiert, dass die deutsche Vernichtungs- und Unterdrückungsmaschinerie ihr Ende fand, der hat verloren.

 

Nie wieder Faschismus! Nie wieder Barbarei! Nie wieder Deutschland!

 

Am 10. Mai 2013 im UJZ Korn Hannover:

ab 19 Uhr: Sektempfang und veganes Buffet (Vorverkauf im Infoladen)

ab 21 Uhr: Konzert mit Björn Peng und das flug

ab 01 Uhr: Technoparty mit Blencke, IVO und lazy LOKOMOTIVE

 

association [belle vie], April 2013

wernichtfeiert.tumblr.com