SL: Prozess wegen Beamtenbeleidigung eingestellt- erster Teilerfolg gegen unsinnige Strafverfolgung

Figuren-polizei-gewalttäterInnen

Der für den 20.März angesetzte Prozess wegen angeblicher Beleidigung eines Polizisten ist abgesagt. Das Amtsgericht Schleswig hat das Verfahren wegen eines angeblichen Verfahrenshindernis (StPo § 206a) nach zwei Jahren Verfahrensdauer eingestellt. Dem Polizeikritiker wurde vorgeworfen, im Vorfeld einer Gerichtsverhandlung den Einsatzleiter als "staatlich bezahlten Gewalttäter" bezeichnet zu haben. Die für den 4.4. und den 17.4. angesetzten Prozesse gegen Betroffene von Polizeigewalt finden weiter statt. 

 

Unsinnige Strafverfolgung

Nach Ansicht des Angeklagten war der Vorwurf der Beleidigung von vornherein zu verwerfen. Konkret ging es um die Frage: „Mit soviel Sternen auf der Schulter sind Sie wohl hier der am höchsten bezahlte uniformierte staatliche Gewalttäter, haben Sie den Polizeieinsatz zu verantworten?“, mit der er sich an den Einsatzleiter Lohmeyer gewandt haben soll. Die Berufsbeschreibung stelle keine Beleidigung dar. Zudem seien vermehrt gegen politische Aktivist_Innen geführte Strafanzeigen als Repression zu betrachten.

 

„Gewalttäter“ bei Polizeigewalt gerechtfertigt

„Ich wehre mich gegen den Vorwurf, den Beamten beleidigt zu haben“, so der Angeklagte. „Als Ausführende des staatlichen Gewaltmonopols wenden Polizist_Innen von Berufs wegen ständig Gewalt an. Dafür werden sie vom Staat bezahlt.“ Deshalb könne man die Formulierung schwer als unwahr bezeichnen. Auch das konkrete Vorgehen der Polizist_Innen im Kontext der angeblichen Beleidigung war gewaltsam: Zwei Prozessbesucher waren unter Einsatz „unmittelbaren Zwangs“ mit Gewalt aus dem Gerichtsgebäude verwiesen worden. Zudem setzte eine der Beamt_Innen an diesem Tag einen Schlagstock gegen einen Fotografen ein, der versuchte, polizeiliche Gewalt zu dokumentieren. Dabei ging die Kamera zu Bruch.

Anzeige erst nach Beschwerde

„Betrachtet man den Kontext der Auseinandersetzung, ist es noch verwunderlicher, dass der Einsatzleiter angibt, von mir beleidigt worden zu sein“, so der Angeklagte zum Vorwurf. Der Angeklagte stellt den Prozess in eine Reihe von Strafanzeigen, die im Laufe des politischen Wirkens in der Region Husum/ Schleswig gegen ihn erhoben wurden. So sei in der Ermittlungsakte nachvollziehbar, dass die Anzeige wegen der angeblichen Beleidigung erst sechs Wochen nach der angeblichen Tat, aber nach Eingang einer Beschwerde erhoben wurde. Dies verwundert umso mehr, weil im Einsatzbericht des angeblich beleidigten Beamten kein Wort dazu zu finden ist (Dokumentation der Abläufe: http://husuma.nirgendwo.info/2013/02/18/die-sache-mit-der-dienstaufsichtsbeschwerde/ ). „Es geht hier nicht darum, eine Straftat zu ahnden. Das Vorgehen der Polizei werte ich als Repression gegen unliebsamen Politaktivismus“, äußert sich der Angeklagte. Sein aktionistisches und publizistisches Wirken für eine gewaltfreie Gesellschaft sei den Angehörigen der ausführenden Gewalt ein Dorn im Auge.

 

Kein Einzelfall

„Kann das sein? Dass in einem demokratischen Staat politisches Arbeiten systematisch durch Exekutivorgane behindert wird?“ Polizist_Innen wenden in Einsätzen häufig Gewalt an. Das Vorgehen der Polizist_Innen bleibt meist ungestraft: Kolleg_Innen und Staatsanwält_Innen schützen sie. Amnesty International dokumentiert Fälle von Polizeigewalt in Deutschland http://www.amnestypolizei.de/sites/default/files/imce/pfds/Polizeibericht-internet.pdf ). „Leider ist mein Fall kein Einzelfall. Kritik bzw. Anzeigen gegen polizeiliches Vorgehen enden häufig mit Gegenanzeigen durch die beschuldigten Polizist_Innen und mit der Kriminalisierung der Betroffenen“.

 

Prozesse nach Polizeigewalt

Dies sei z.B. bei den Verfahren gegen zwei ebenfalls angeklagte damalige Prozessbesucher der Fall. „Nachdem sie von den Beamten vermöbelt wurden, behaupten die staatlichen Gewalttäter nun, dies sei notwendig gewesen, um den angeblichen Widerstand der Betroffenen zu brechen.“ Dabei würden die Verfahren laut den Betroffenen lediglich der Rechtfertigung von Polizeigewalt und der Kriminalisierung von Protest dienen. Die Verhandlungen wegen Widerstand sind öffentlich und finden im Amtsgericht Schleswig am 4.4. und 17.4. ab 9 Uhr statt.

 

Dokumentation zu Polizeigewalt in Schleswig

Weitere Informationen zum anstehenden Prozess finden Sie u.a. in der Polizei-Doku Schleswig, in der u.a. anhand von Selbstzeugnissen der eingesetzten Beamt_Innen Gewalt und andere „Unregelmäßigkeiten“ dokumentiert werden:

 

Teil 1: “Gilt die Pressefreiheit auch in Schleswig?”

http://husuma.nirgendwo.info/2013/02/10/bilder/

 

Teil 2: “Die Sache mit der Dienstaufsichtsbeschwerde”

http://husuma.nirgendwo.info/2013/02/18/die-sache-mit-der-dienstaufsicht...

 

Teil 3: „Üben PolizistInnen Gewalt aus?“

http://husuma.nirgendwo.info/2013/02/23/uben-polizistinnen-gewalt-aus-po...

 

Teil 4: Polizeigewalt im gesellschaftlichem Diskurs: http://husuma.nirgendwo.info/2013/02/25/polizei-doku-teil-4-polizeigewalt-als-selbstverstandlichkeit-im-diskurs/

 

Teil 5: Die Notwendigkeit von Polizeigewalt im demokratischem Regime:

http://husuma.nirgendwo.info/2013/02/28/die-notwendigkeit-von-gewalt-im-demokratischen-regime-polizei-doku-sl-5/

 

Teil 6: Ein Hausverbot, das es nie gab?

http://husuma.nirgendwo.info/2013/03/07/ein-hausverbot-dass-es-nie-gab-pol-doku-sl-6/

 

Teil 7: Die Persilschein-Staatsanwaltschaft: http://husuma.nirgendwo.info/2012/02/20/antimil-gleisblockade-polizei-sl...