[PF] Neonazi-Gegner erstatten Selbstanzeige

Erstveröffentlicht: 
21.02.2013

 Außergewöhnliche Solidaritätsaktion im Vorfeld des 23. Februar. Auch Justiz stellt sich auf eine mögliche Auseinandersetzung ein.
Draußen, entlang der Kiehnlestraße, stehen Streifenwagen und Zivilfahrzeuge mit Pforzheimer, Calwer, Heidelberger und Mannheimer Kennzeichen. Ein rot-weißes Band mahnt: Ab 10 Uhr gesperrt für Einsatzfahrzeuge.

 

Drinnen tagen fünf Dutzend Polizeibeamte der Führungsebene aus dem gesamten Regierungsbezirk, besprechen die Einsatztaktik für den 23. Februar. Über 1000 Kollegen mehrerer Dienststellen, auch der Bereitschafts- und der Bundespolizei, werden im Einsatz sein, um Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linksextremisten zu verhindern (die PZ berichtete mehrfach). Im Lehrsaal mit angeschlossener Küche wird es in der Mittagspause Fleischkäse und Holzofenbrot geben.
Ein paar Zimmer weiter stehen fünf Männer in einem der Dienstzimmer des Staatsschutzes: Christoph Grosse (Pax Christi), Wolfgang Schulz (Wir in Pforzheim), Alexander Clauss und Holger Egger (an diesem Tag nicht in seiner Funktion als Personalratsvorsitzender des Landratsamts Enzkreis, sondern Privatperson, worauf er Wert legt) und Fritz Mathes (Die Linke). Bevor sie ihre Personalien angeben, werden sie belehrt . und dann stellen sie Selbstanzeige. Sie bezichtigen sich dessen, was die Staatsanwaltschaft nach der Anzeige des Rechtsanwalts des .Freundeskreises Ein Herz für Deutschland. (FHD) den Sprechern der .Initiative gegen Rechts., Rüdiger Jungkind und Kai Hoffmann, vorwirft: Aufruf zu einer Straftat und geplante Verhinderung einer genehmigten Versammlung. Darauf steht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.
.Es ist ein Akt der Solidarität., sagt Egger, von dem die Initiative ausging. Der zweite WiP-Stadtrat, Christof Weisenbacher, und vier weitere Pforzheimer werden sich der Selbstanzeige anschließen. Sie wollen juristisch geklärt wissen, was daran strafbar sein soll, wenn sie zu friedlichem Widerstand gegen die Fackel-.Mahnwache. von Neonazis am 23. Februar auf dem Wartberg aufrufen . vom FHD schon mal vorsorglich angemeldet bis 2020.
Egger wundert sich, weshalb der Flyer mit der Überschrift .Wo immer Ihr auftretet, werden wir Euch im Wege stehen. . gerichtet von Bundespräsident Joachim Gauck am 16. August in Rostock an die Adresse von Rechtsextremisten ., den man am vergangenen Samstag in der Fußgängerzone verteilte, einkassiert wurde. Nicht aber beim Neujahrsempfang der Stadt vor dem CongressCentrum. .Da hat sich noch niemand daran gestört., sagt Egger, .erst nach der Anzeige der Nazis..

 

Was ist erlaubt?


Staatsanwaltschaft und Polizei argumentieren, die Versammlungsfreiheit gelte auch für Rechtsextremisten, der Aufmarsch sei ebenso wenig verboten wie das Entzünden von Fackeln. Auch wenn man es nicht gerne sehe: Das Recht auf Meinungsfreiheit der Rechtsextremen müsse in einer Demokratie ebenfalls geschützt werden. Dem hält Schulz entgegen: .Faschismus ist ein Verbrechen an der Würde des Menschen und keine Meinungsfreiheit..
Er und seine Mitstreiter setzten klar auf friedlichen Protest und würden, käme es zu Gewalt seitens Autonomer, dies am Samstag umgehend der Polizei melden. Im übrigen versteht Schulz die Wortwahl des Flyers nicht als Aufruf zur Blockade . sondern nur als .Überlegungen. zur Form des .zivilen Ungehorsams..
Nicht nur die Polizei, auch die Justiz bereitet sich auf einen heißen Nachmittag und Abend vor: Christoph Reichert, der Leitende Oberstaatsanwalt, wird sich in der Einsatz-Zentrale der Polizei aufhalten, eine Kollegin wird sich in Bereitschaft halten. Andreas Witulski, in der Hauptsache Vorsitzender des Jugenschöffengerichts, wird als Haftrichter sein Bereitschaftsdienst-Ende von 22 Uhr wohl auf Mitternacht ausdehnen müssen; weitere Richter halten sich telefonisch bereit, falls die Lage eskalieren und es zu Festnahmen oder gar Haftbefehlsanträgen kommen sollte.

 

Bunt statt braun


Nach den linken Gruppierungen im ganzen Südwesten haben nun auch die Grünen in Rheinstetten bei Karlsruhe entdeckt, dass am Samstag in Pforzheim Ärger droht. Man werde nachmittags mit der Bahn nach Pforzheim fahren, um sich Neonazis .in den Weg zu stellen.. Unter dem Motto .bunt statt braun. unterstützten die Grünen Aktivitäten gegen Rechtsextremismus in ganz Deutschland. Nach einem Pressegespräch im WiP-Fraktionszimmer des Neuen Rathauses eilte Wolfgang Schulz erneut zur Polizei, um Anzeige zu erstatten . diesmal nicht gegen sich selbst, sondern gegen Unbekannt wegen Sachbeschädigung: Plakatständer der .Initiative gegen Rechts. waren in der Innenstadt umgeworfen, Plakate, die auf die Kundgebung am Samstag um 15.30 Uhr hinweisen, heruntergerissen und beschädigt worden.

 

Olaf Lorch-Gerstenmaier