Ein „Wanderverein“ voller Glatzen

Erstveröffentlicht: 
29.01.2013

Rechte in Hessen

 

Die Polizei hat ein Neonazi-Treffen im Odenwald aufgelöst. Es soll sich um ein Treffen von Führungskadern der Hammerskins aus ganz Europa gehandelt haben.

 

Von Volker Schmidt

 

Im südhessischen Fürth im Odenwald hat die Polizei am Wochenende eine Neonazi-Veranstaltung mit rund 120 Teilnehmern aufgelöst. Dabei soll es sich nach Informationen aus Antifa-Kreisen um ein internationales Treffen von Führungskadern der militanten Skinhead-Gruppe Hammerskins gehandelt haben.

Laut Polizeipräsidium Südhessen hatte sich ein „Wanderverein“ in der Sport- und Kulturhalle im Fürther Stadtteil Erlenbach für eine Party eingemietet. Schon am Samstagnachmittag meldeten örtliche Antifa-Aktivisten, dass zahlreiche Neonazis im Ort unterwegs seien. Die Polizei kontaktierte „nach entsprechenden Hinweisen“, wie sie schreibt, den Sportverein FSV Erlenbach, der dem „Wanderverein“ die Halle vermietet hatte. Der FSV widerrief den unter Vorspiegelung falscher Tatsachen geschlossenen Mietvertrag und forderte die Neonazis auf, die Halle zu verlassen.

 

Hammerskins aus ganz Europa

Zu „strafrechtlich relevanten Sachverhalten“ sei es nicht gekommen, meldet die Polizei. Das dürfte auch daran liegen, dass die Beamten „mit starken Einsatzkräften“ anrückten, um der Forderung des Vermieters Nachdruck zu verleihen. Wie stark, will Polizeisprecher Ferdinand Derigs aus einsatztaktischen Gründen nicht sagen. Man habe zahlreiche Personalien aufgenommen.

Nach Informationen mehrerer Antifa-Gruppen waren die Neonazis, die sich da im Odenwald trafen, nicht nur örtliche Rechtsextremisten, sondern Hammerskin-Kader aus ganz Europa, die hier ein „European Officers Meeting“ abhalten wollten. Es seien Neonazis aus ganz Deutschland, Frankreich, Schweden, Italien, Spanien und der Schweiz erwartet worden, so die Antifaschisten. Das hätten die Autokennzeichen der Teilnehmer in Fürth bestätigt.

Aufstieg zum Hammerskin-Boss

Die Polizei wollte dazu zunächst nichts sagen; das müssten die Ermittlungen ergeben, hieß es. Laut Sprecher Derigs sind Vorfälle mit Neonazi-Gruppen im Amtsbereich des Präsidiums Südhessen eher selten. Hinter dem Versuch der Neonazis, sich unauffällig im Odenwald zu treffen, dürften die Hammerskins aus der südlichen Nachbarschaft stecken: Das „Chapter Westmark“ um den Ludwigshafener Malte R. gilt als Führungseinheit der deutschen Hammerskins.

Malte R., der auch das Musik-Label Gjallarhorn Klangschmiede betreibt, ist nach Einschätzung von Szenekennern zum Europa-Anführer der Hammerskins aufgestiegen. Mit diesen verbunden sein soll auch eine sich Lunara („Ludwigshafener Nazis und Rassisten“) nennende Neonazi-Schlägertruppe. Die sich auch als „NS-Hooligans“ bezeichnende Bande ist durch mehrere Überfälle in Erscheinung getreten.

Malte R. gilt auch als Aktivist des rechtsextremen „Aktionsbüros Rhein-Neckar“ im Dreiländereck Baden-Württemberg / Rheinland-Pfalz / Hessen. Es sieht sich wie das „Freie Netz Hessen“ als eine Art Dachorganisation regionaler Neonazi-Gruppen. Beide sind im hessischen Verfassungsschutzbericht erwähnt. Von hessischen Hammerskin-Strukturen steht im jüngsten Bericht nichts.