Kurzer Rückblick auf das RefugeeCamp in Wien

Kein Mensch ist illegal

Am 28. Dezember haben dutzende Kiwara in Kampfmontur und Bullen in zivil, unter ihnen auch das LVT, das Refugee Camp im Sigmund-Freud-Park in mitten von Wien geräumt. Mit der Unterstützung der MA 48 und der Firma Toman haben sie die komplette Infrastruktur wie Zelte, Öfen, Beleuchtung, Gewand, Essen usw. innerhalb weniger Stunden in Schrott verwandelt. Zum sachgerechten Abbauen eines Zeltes können sich die Exekutivbeamten anscheinend nur mit Baggern helfen. Aber keine Sorge, die Besitzer_innen der entfernten Gegenstände können sich gerne bei der MA 48 melden und aus einigen lkw Ladungen Müll ihr Eigentum zusammensuchen. Auch wenn die Räumung in Jahren richterlich als illegal eingestuft wird, werden weder die entstanden Kosten ersetzt werden noch hilft es zu irgendeiner Zufriedenstellung.

 

„Mein Zuständigkeitsbereich ist das nicht“ - „Da drehts mir den Magen um“


Von Beginn an wollte die Polizei klar machen dass die sie aus eigener Initiative handelt, da gegen die Campierverordnung verstoßen und am Camp einige Verwaltungsstrafen beobachtet wurde. Eigeninitiative der Cops und die Forderung der FPÖ dass Camp innerhalb 24 Stunden zu räumen passen prinzipiell ja gut zusammen wäre da nicht mehr dahinter. Die folgenden Tage nach der Räumung ließen Interviews verschiedener Autoritäten durchsickern dass sowohl Innenministerium, Stadt Wien, Polizei und die verschiedenen Magistrate, ja auch das Schundblatt Heute von der Räumung schon vorher Bescheid wussten und wahrscheinlich auch an der Planung beteiligt waren. Beteuerungsversuche der Grünen Parteivorsitzenden die rot-grüne Stadtregierung hat von nichts gewusst sind einfach nur Heuchelei, so bewiesen durch ein Interview mit Bürgermeister Häupl – ja Herr Bürgermeister hoffentlich dreht es Ihnen beim nächsten Gspritzten wirklich den Magen um ! Blöd wenn der Plan die Polizei als Sündenbock herzuhalten nicht einen Tag hält. So ist es klar dass alle Institutionen und Parteien die Campierverordnung als Mittel hernehmen um emanzipatorischen, sogar legal angemeldeten Protest zum Schweigen zu bringen. Gegen wem ermittelt der Verfassungsschutz dann nochmal?

 

Hände falten, Goschen halten“


Einige Refugees und Unterstützer_innen haben sich schon Tage vor der Räumung dazu entschlossen die benachbarte Votivkirche zu besetzen. Der Pfaff der Kirche, der noch vor Wochen zugesichert hatte bei Problemen im Camp die Türen seiner Kirche offenzuhalten und Schutz vor Polizei zu bieten, fühlte sich durch die belebung seines Gotteshauses jedoch verletzt. Durch die große öffentliche Präsenz der Aktion konnte man das Sprechen natürlich nicht mehr den Betroffenen und deren Unterstützer_innen überlassen, so dass die Caritas als Vermittlerin ins Geschehen platzte. Es brauchte auch nicht lang bis die ersten Spaltungsversuche zwischen Refugees und Unterstützer_innen in den Raum gestellt wurden. Sämtliche Parteiaussendungen, und Medien von Orf, Krone und Standard fanden daran gefallen und druckten brav was die Kerzerlfresser predigten. Das Betroffene selbst wissen wo der Schuh drückt und wissen was sie brauchen um ihr Leben zu verbessern und dies sogar noch fordern, ist Mann in diesen autoritätshörig katholischem Land nicht gewohnt, also können da nur extremistische Subversive (am besten noch aus Deutschland) dahinterstecken, die das Leid anderer für sich nutzen. Amen.

 

„Die Hand fressen, die einen füttert!“


Wenige Tage nach der Besetzung der Kirche und der Räumung kam es zu verzweifelten Annährungsversuchen seitens des Innenministeriums an die Refugees. Ihnen wurde zugesichert sich um jeden Fall einzeln zu kümmern, auch eine Bus würde zu verfügung gestellt werden um die Protestierenden aus der kalten Kirche in irgendwelche Caritas Lager zu locken. Völliges Unverständnis und Verstörung ist bei Caritas und Leuten des Innenministeriums aufgetreten als das Angebot verweigert wurde. Im politischen Alltag ist es eben nicht üblich dass Leute sich nicht abschassln lassen und weiter mit radikalen Forderung die umstrukturierung eines festgefahrenen rassisitischen Apparates fordern. Logisch wäre nur mitzuspielen, immerhin verdienen genug Menschen ein Vermögen mit illegalen Arbeiter_innen, der Zuverfügungstellung der Abschiebelogistik und der militarisierung des Inneren und der Außengrenzen Europas. Wer sich dann noch den rassistischen Normalzustand wehemment entgegen stellt muss so und so wahnsinnig sein.

 

„Demand nothing -Take Everything --- We Demand Our Rights“


Wir sehen uns selbst in einer sehr priviligierten Position. Die meisten von uns haben eine weiße Hautfarbe, einen europäischen Pass, wir dürfen arbeiten gehen und sind versichert , und wenn wir nicht wollen, bekommen die meisten Geld vom Soz und sind trotzdem versichert. Einige von uns haben auch noch das „Glück“ als BioMann auf die Welt gekommen zu sein oder mindestens so wahrgenommen zu werden. Einige von uns sind aus einem reichen Elternhaus abgehauen oder kommen aus einer angenehmen Mittelschichtfamilie. Die meisten haben aber irgendwann kapiert dass hier irgendetwas falsch rennt. Eins radikalisiert sich, bildet sich, liest, rebeliert, verbindet sich und sucht einen Weg um gegen das Bestehende zu kämpfen. Wir bauen Netzwerke auf mit Menschen die das gleiche Verlangen haben, die gleichen Sehnsüchte oder Ängste. Trotzdem legen wir unsere Privilegien nur selten ab, manchmal weil wir uns deren nicht bewusst sind oder aber auch gar nicht von selbst können oder wollen.

So sehr der Protest der Refugees auch unterstützt wurde, wollten viele nicht wahrhaben Forderungen an Institutionen und Autoritäten zu stellen die prinzipiell abgelehnt werden. Doch schnell kam die Frage auf, welche anderen Optionen es gibt und dies oft ohne mit Refugee darüber diskutiert zu haben. So ist es oft geschehen dass immer wieder Situationen entstanden sind, welche durch polarisierende Diskussionen in „was fordern die“ und „was unterstützen/können wir“ geprägt waren. Entstanden ist dadurch oft ein Klima, in welchem starke Hierachien zu spüren waren, teils durch die oben genannten Privilegien der Unterstützer_innen, durch sexisistsches und extrem autoritäres Auftreten von in den Protest involvierter Personen. Leider wurde sich selten die Zeit genommen um über auftretende Missstände zu diskutieren und reflektieren, oft aber auch wurden angesprochene Problematiken, egal ob von Unterstützer_innen oder Refugees, ignoriert oder aggressiv negiert . Einige Menschen sahen keinen anderen Ausweg, als den inhaltlichen Diskussioen fern zubleiben, wenn überhaupt noch gelegentlich infrastrukturelle Arbeit zu leisten oder sich ganz zurück zuziehen.

 

Trotzdem war es auch erstaunlich zu merken, wie stark versucht wurde ein antidiskriminierenden Umgang miteinander zu finden, schnelle konsensuale Lösungen entstanden sind und der Eine oder die Andere aktiv oder durch Zufall auf ihre Privilegien aufmerksam gemacht wurden und reflexionsprozesse begonnen haben. Interessant war auch zu sehen wie ein gemeinschaftlicher Kampf aussehen kann,  der aus verschiedenen Ausgangssituation geführt wird und verschiedene Vorstellungen von Lösungen für die Probleme vorhanden sind. Dies sind wahrscheinlich nur einige Gründe warum in diesem Kampf auch eine Dynamik enstanden ist, die in letzter Zeit in Wien kaum zu finden war. Es wurden Erfahrungen ausgetauscht, diskutiert, gelacht, gtanzt, gekämpft, sich auf ein unbespieltes Terrain begeben und neue Taktiken und Strategien ausprobiert. In diesem Protest sind Freund_innenschaften entsanden und neue Verbündete gefunden worden, die sich durch Repression wohl nur schwer zerstören lassen.

 

Wir rufen dazu auf weiterhin Solidarität mit den Refugees zu zeigen und sie bei den Protest mit allen möglichen Mitteln und Wegen zu unterstützen.

Seid subversiv!

 

Einige Anarchistinnen und Anarchisten

 

 

*Der Text spiegelt persönliche Eindrücke, Erfahrungen und Gefühle wieder und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Wir sind priviligiert weil wir arbeiten dürfen?
Und wenn wir nicht wollen kriegen wir Geld vom Staat???

Und ihr nennt euch Anarchisten? Wohl weil ihr euch einfach selbst so definieren könnt ohne euch mit komplizierten Theorien beschäftigen zu müssen. Und dass ihr das nicht für notwendig erachtet scheint aus eurem Text ja auch vielfältig durch. Anstatt euch zu erarbeiten warum dieser Protest so kläglich versanden musste, wo die Limitierungen solcher Politikformen sind, arbeitet ihr euch an allen und jedem ab, sogar an euch selber, ihr Privilegierten!
Außerdem gibt es einen ordentlichen Minuspunkt für den Versuch der Verwendung nichtssagender griechischer Poesie: "Netzwerke.Kämpfe.Verlangen.Sehnsüchte.Ängste." und so weiter.
Fazit: Privilegierte Mittelschichtkids mit schlechtem Gewissen versuchen ihre Privilegien los zu werden, nicht indem sie in die Orte der Ausbeutung gehen und am eigenen Leib erfahren wie es sich so lebt als Prolet. Nein, den Platz im Hörsaal haben sie ein paarmal gegen die Decke am Lagerfeuer des Camps getauscht und wenn sie in ein paar Jahren ihren Abschluss haben werden sie sicher wo unter kommen und ihr Gewissen kaufen sie sich dann mit Spenden an SOS Mitmensch frei.

ja wir müssen arbeiten um zu überleben. oder wir sind mit einem bein im gefängnis. und leute die nicht arbeiten dürfen, sind benachteiligt in diesem konstrukt.

 

und ja es gibt die möglichkeit staatl. kohle zu beziehen. als passöstereicher , besser gesagt wiener_in. also was ist daran jetzt so himmelschreiend?

 

und die studi unterstellung, ist einfach nur scheiße!

Sorry, keine Zeit zu antworten muss noch Seminararbeit schreiben und für die Prüfung büffeln...

So oder ähnliches hört man die Tage wieder allerorts. Aber klar studiert hier keiner zu Karrierezwecken... Zumindest redet sich das jeder ein, bis die Masterarbeit abgegeben ist und dann fängt das hauen und stechen um die Doktorarbeiten, die Unijobs und die prekären Übergangsjobs so richtig an. Und für den einen oder anderen winkt die Karriere an der Uni und die anderen können trotz Powi- oder IE-Studiums mittelfristig doch einen ordentlichen Job finden und so kauften sie Iphones und Hybridautos und lebten glücklich bis ans Ende aller Zeiten.

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  • Update 20. Jänner 2013

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