Uni Freiburg: Jura-Fachschaft will Obdachlose weg haben

Sollen weg: Obdachlose am KG II
Erstveröffentlicht: 
06.12.2012

Einige Jurastudenten der Uni Freiburg haben im Fakultätsrat eine Beschwerde vorgebracht: Sie stören sich an wohnungslosen Menschen auf dem Platz der Alten Synagoge. Die sollen weg.
Vier Menschen sitzen am Mittwochmittag in einer Nische in der Fassade des Kollegiengebäude II (KG II) am Platz der Alten Synagoge beisammen und trinken zwischen Decken und Teppichen auf einer Europalette Heißgetränke. An ihnen vorbei gehen Studierende in das Unigebäude.
Dass diese zum Teil wohnungslosen Menschen zum Alltagsbild auf dem Platz in der Innenstadt gehören, stört manche Jurastudierende aus dem KG II. Und zwar so sehr, dass sie das Thema im Fakultätsrat zur Diskussion gestellt und die Universität zum Handeln aufgefordert haben. Vorgebracht wurden die Beschwerden von der Fachschaftsgruppe Justus, die die Mehrheit der Jurastudenten vertritt. Vertreter von Justus waren in dieser Woche für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.


Problemlos ist die Nachbarschaft nicht

Nicht alle Studierenden der juristischen Fakultät unterstützen das Vorgehen gegen die Nachbarn. "Wir finden es schlimm, dass privilegierte Leute, die in ihrem Leben wahrscheinlich viel geschenkt bekommen haben, sagen, ,Ihr dürft hier nicht vor unserer Uni sitzen‘", sagt Lisa Herbein vom Arbeitskreis kritischer Juristen (AKJ).

Problemlos ist die Nachbarschaft nicht. Schon seit zwei Jahrzehnten ploppt das Thema immer wieder hoch. Die aktuellen Vorwürfe: Die Menschen auf dem Platz belästigten vorbeigehende Studierende verbal, seien laut, hinterließen Müll, urinierten vor oder benutzen die Toiletten im Gebäude. "Die Ästhetik stört mache Leute auch", vermutet Herbein. "Manche meinen wohl, dass die Menschen vor der Tür einen schlechten Eindruck hinterlassen, wenn Gastprofessoren aus Harvard kommen."


Regelmäßige Beschwerden an die Uni

Die Uni gibt an, sie habe regelmäßig Beschwerden erhalten – von Studierenden wie auch von Mitarbeitern und Verwaltungspersonal. Wie viele Vorfälle es auf dem Platz tatsächlich gegeben habe, sei jedoch nicht dokumentiert. "Wir können über das negative Verhalten, das wir auf dem Platz der Alten Synagoge leider beobachten, nicht einfach hinwegsehen", sagt Rektor Hans-Jochen Schiewer. "Es ist unsere Pflicht sicherzustellen, dass alle Lehrenden, Lernenden und Beschäftigten dem Studium und der Arbeit an der Albert-Ludwigs-Universität in Ruhe und Sicherheit nachgehen können."

Willibert Bongartz leitet die Pflasterstub’ in der Herrenstraße, ein Angebot der Caritas für Wohnungslose: "Die Menschen auf dem Platz der Alten Synagoge sind keine homogene Gruppe." Es gebe nicht "die Wohnungslosen" auf dem Platz, vielmehr seien dort mehrere Gruppen anzutreffen, zwischen denen differenziert werden müsse. Tatsächlich nächtigen nur ein oder zwei Personen ganzjährig dort; im Winter sind tagsüber vier bis sechs Menschen anzutreffen, im Sommer manchmal ein Dutzend. "Der Unrat, der dort herumliegt, kommt nicht immer von diesen Personen", sagt Bongartz.

"Überall, wo Nischen sind, urinieren auch Partygänger hin." Das sagt auch Jackie, die am Mittwochmittag am Platz sitzt: "Es ist so eklig, dass hier immer hingepinkelt wird." Und es wird nicht nur gepinkelt: Im Sommer 2011 sollen Studierende aus dem juristischen Seminar im zweiten Stock des KG II Wasserbomben und Eier auf die Wohnungslosen geworfen haben.

Konkret tätig geworden ist die Uni noch nicht; bei der Freiburger Stadtverwaltung weiß man zumindest von nichts. Jackie will nur eins: Dass man mit ihr und den anderen fair umgeht. "Wir sind Menschen und wir sollten wie Menschen behandelt werden." Egal, was aus der Initiative der Jurastudierenden wird: Spätestens im Herbst 2014 wird sich die Situation ändern. Dann beginnt die Neugestaltung des Platzes.


Obdachlose an der Uni
MÜNSTERECK: Auch die gehören dazu
Viele Gebäude der Albert-Ludwigs-Universität gehören zum Stadtbild Freiburgs. Das ist schön, vor allem für die Studentinnen und Studenten. Denn es ist deutlich stimmungsvoller, in einem Uni-Institut mitten in einer Altstadt zu studieren als in sterilen Campus-Gebäuden auf der grünen Wiese. Mittendrin heißt aber halt auch mittendrin: Nicht nur inmitten von Cafés, Shops und Sehenswürdigkeiten, sondern auch in der Nähe von Obdachlosen, wie sie in jeder Großstadt zu finden sind. Von Obdachlosen, die vielleicht verwahrlost aussehen oder sich so verhalten. Die eben, aus welchen Gründen auch immer, keine privaten Rückzugsmöglichkeiten haben, wo sie unbeobachtet weinen könnten oder schreien oder sich küssen oder sich betrinken. Die das in der Öffentlichkeit machen, und die es manchmal so machen, dass es nervt. Das muss niemandem gefallen, auch der Jura-Fachschaftsgruppe Justus nicht, und darüber darf man sich selbstverständlich aufregen. Aber solange es im Rahmen des Erträglichen bleibt, muss es halt auch ertragen werden. Denn: Ja, auch die Obdachlosen auf dem Platz der Alten Synagoge gehören zum Stadtbild Freiburgs.

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Toleranz statt Vertreibung Stellungnahme zur Situation der wohnungslosen Menschen vor dem KG II : AKJ Freiburg

 

Freiburger akj aus dem Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen ausgeschlossen