Spanische Verhältnisse in Berlin

zwang22-10-12

Ca. 200 Nach­bar*innen, Freund*innen der Fa­mi­lie und Mietak­ti­vist*innen verhinderte am 22.10 die Zwangsräumung einer Familie in Berlin-Kreuzberg. Durch Blockaden vor dem Haus und im Haus wurde es der Ge­richts­voll­zie­he­rin unmöglich gemacht die Zwangsräumung zu vollstrecken. Kurz darauf besuchten 40 Aktivist*innen den Vermieter André Franell in seinem Büro.

 

Der Fall
In einem Interview schildert Ali Gülbol den Fall seiner Familie. Der Vermieter André Franell hatte das Haus nach einer Zwangsversteigerung erworben und erhöhte sofort massiv die Mieten. Viele Menschen wurden aus dem Haus verdrängt, einige begannen sich zu wehren. Die Familie Gülbol klagte gegen die Mieterhöhung, aber unterlag vor den Gerichten, welche das geltende Recht auf Eigentum und Profit verteidigten. Mit einem Trick gelang es André Franell daraufhin sogar die Kündigung der Wohnung durchzusetzen, weil die Familie zwei Monate die erhöhte Miete nicht gezahlt hatte. Es bedarf in diesem Fall keiner Mahnung, bevor die Kündigung ausgesprochen werden kann. Juristisch war der Fall klar, politisch für viele Menschen in Berlin auch: die Mieten steigen und der herrschende Rechts-und Gewaltapparat ist dafür da, die Verdrängung der Menschen zu organisieren.

Der Widerstand
Die meisten Menschen versuchen in solch einer schwierigen Situation individuell herauszukommen. Die Familie entschloss sich aber, nicht einfach die Wohnung räumen zu lassen, in der sie seit Jahrzehnten wohnen. Sie gab die Schlüssel nicht ab.
Am Tag der Räumung versammelten sich ca. 200 Menschen vor den Türen um die Gerichtsvollzieherin nicht rein zu lassen. Ziviler Ungehorsam als eine Art von praktischer Solidarität wurde versucht und war erfolgreich !
Die Gerichtsvollzieherin zog ab und gab an, dass sie die Wohnung aufgrund "massiver Ausschreitungen und eines Menschenauflaufs" nicht räumen lassen könnte. Die massiven Ausschreitungen fanden zwar nur in ihrem Kopf statt, aber betreten konnte sie die Wohnung tatsächlich nicht. Unter dem Jubel der Anwesenden brach sie ihren Versuch ab. Die spanische Gruppe, welche in letzter Zeit viele Räumungen erfolgreich verhindert hat, gratulierte im Laufe des Tages zur ersten verhinderten Räumung in Berlin.
40 Menschen machten sich daraufhin auf, das Büro des Vermieters André Franell zu besuchen. Dort trafen sie diesen nicht an, aber sie versuchten zumindest telefonisch mit ihm zu kommunizieren. Die Angestellten von Herrn Franell waren aufgrund von so viel Besuch etwas überfordert und leicht panisch. Die sachlich diskutierenden Besucher*innen verließen dann nach einiger Zeit das Büro, nachdem ihre Botschaft kommuniziert werden konnte.
Leider fand sich die Polizei kurz darauf am Ort ein, welche überfordert war und willkürlich irgendwelche Menschen wegen irgendwelcher angeblicher Taten festnahm. Dabei ging sie ziemlich rüde vor. In der kapitalistischen Stadt können Menschen aus einer Wohnung mit den Segen der Gerichte geworfen werden, während ein kommunikativer Besuch in einem Büro mit Polizeigewalt endet. Am Abend demonstrierten 200 Menschen im Kiez um den Erfolg zu feiern und den Nachbar*innen zu kommunizieren.

Ausblick
Die verhinderte Räumung ist ein Etappenerfolg. Nun ist es an uns, den Druck auf Vermieter und Politik mit weiteren Aktivitäten zu steigern. Ein zweiter Räumungsversuch steht an. Auch dieser muss verhindert werden.
André Franell gibt sich selbst gerne sozial. Er hat eine Stiftung, welche zwangsumgesiedelten Menschen in Thailand helfen soll. Gleichzeitig schmeißt er selber Menschen aus ihren Wohnungen um seinen eigenen Profit zu steigern. André Franell ist ein Vermieter, welcher sich auf Zwangsversteigerungen spezialisiert hat. Er macht Geld mit der Not von anderen Menschen. Das ist in der kapitalistischen Stadt allerdings kein Skandal, sondern Normalität. Diese Normalität wollen viele Mieter*innen aber nicht mehr länger erdulden !
Eins ist deutlich geworden: Viele Menschen lassen sich dafür begeistern ganz konkret die Verdrängung von Mieter*innen zu verhindern. Bei jeder weiteren politisch begleiteten Zwangsräumung werden sich die jeweiligen Vermieter*innen warm anziehen müssen.
Allerdings ist auch klar, dass der Staat seine Gewaltmittel einsetzen wird um das Recht auf Profit durchzusetzen. Es ist an uns dieser staatlichen Eskalation dann kreativ und entschlossen etwas entgegenzusetzen.

 

http://zwangsraeumungverhindern.blogsport.de/

 

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Ich hoffe es macht Schule, auch aufzuzeigen, dass das in Deutschland auch täglich läuft.