Klimacamps 2012

Klimacamps

Eine ganze Reihe an Aktivitäten gegen Braunkohle finden diesen Sommer in Deutschland statt, die in diesem Artikel dokumentiert werden sollen. Aus diesen Kämpfen kristallisiert sich eine neue emanzipatorische Klimabewegung, die spät kommt - aber besser als nie. Wie schon im letzten Jahr finden diesen Sommer zwei Klimacamps statt, an beiden großen deutschen Braunkohlerevieren: Rheinisches Revier und Lausitz. Auch im Mitteldeutschen Revier wird es in diesem Jahr ein Klimcamp geben. Da die Anti-Kohle-Bewegung im vergangenen Jahr Zulauf hatte, rechnen beide Camps mit mehr Teilnehmer_innen als im letzten Jahr.

 

Im Rheinland ist mit größeren Verkehrsbehinderungen im Uhrwerksystem des Kohlereviers zu rechnen. Neben den beiden Camps existiert schon seit dem 14. April eine Waldbesetzung, die die notwendigen Rodungsarbeiten für den Weiterbetrieb des Tagebaus Hambach blockieren will und für die heiße Phase ab Herbst eine Unterstützungskampagne plant. Des weiteren will sich dieser Artikel mit den Perspektiven dieser Bewegung auseinandersetzen und sie in einen globalen Kontext stellen.

 

Inhalt Klimacamp Rheinland | Klimacamp Lausitz | Waldbesetzung | Hambacher Forst 180 | Aktuelle Repression gegen Klimaaktivist_innen | Kohle und Klimarelevanz | Kohlewiderstand international | Postfossilismus

Links Klimacamp Rheinland | Klimacamp Lausitz | Waldbesetzung Videos Klimacamp Rheinland 2011 | Klimacamp Lausitz 2011 | Waldbesetzung: 1, 2

 

Vom 03.08. bis 12.08.2012 findet in Manheim bei Köln zum zweiten mal ein Klimacamp statt. Manheim ist durch den Braunkohletagebau Hambach von der Abbaggerung bedroht. Klimacamps sind temporäre Orte der Vernetzung, Bildung, direkter Aktionen und des nachhaltigen Zusammenlebens um Klimabewegung wachsen zu lassen. Am 10. und 11.08. wird es auf dem Gelände des Klimacamps das Klimacamp-Solidaritätfestival geben. Der Ort Manheim wurde ausgewählt weil es hier die Chance gibt einen wichtigen Bewegungskristallisationsort zu etablieren! Manheim liegt am Rand des Tagebau Hambachs, welcher mit dem Tagebau Inden und Garzweiler das von RWE betriebene Rheinische Braunkohlerevier bildet. Dort wo sich die größten Bagger der Welt durch die Landschaft fressen, sind die Folgen lokal wie global verheerend: gigantische Feinstaubbelastungen, Zerstörung von Dörfern, Kulturlandschaften und wertvoller Ökosysteme wie des Hambacher Forst. Die 5 Großkraftwerke des Reviers stellen mit 100 Millionen Tonnen CO2 die größte CO2- Quelle Europas dar. Im Rheinischen Braunkohlerevier wird Ausbeutung von Menschen, der Umwelt unddes Klimas sowie Generationsungerechtigkeit gebündelt sichtbar. Deswegen ist hier genau der richtige Ort um Widerstand zu leisten. Während des letzten Klimacamps gab es eine 12stündige Blockade der Hambach-Kohlebahn. Mensch darf gespannt darauf sein, ob es dieses Jahr ähnliches gibt, vor allem da mit mehr Teilnehmer_innen auf dem Camp gerechnet wird.

 

 

Klimacamps 1

 

Klimacamp Lausitz

Im vergangenen Jahr organisierte ein breites Spektrum von lokalen Bürger_inneninitiativen, politischen Gruppen und Einzelpersonen bereits ein Klima- und Energiecamp in Jänschwalde. Die anfängliche Skepsis mancher Bürger_innen vor Ort wandelte sich schnell in Interesse und Sympathie, so dass das Camp mit einer Besucher_innenzahl von über 300 Personen ein voller Erfolg wurde. Nun gilt es mit einem zweiten Klima- und Energiecamp nachzusetzen, denn die rot-rote Landesregierung will am Neubau eines Kraftwerks in Jänschwalde festhalten, obwohl so die selbst gesteckten Klimaziele unmöglich erreicht werden können. Für neue Tagebaue sollen Menschen aus ihren Dörfern vertrieben und Landschaften zerstört werden. Es darf keine neuen Tagebaue und kein neues Kraftwerk geben! Dafür steht das Camp im Sinne einer internationalistischen Perspektive im Kampf um Klimagerechtigkeit.

Waldbesetzung Hambacher Forst

Seit dem 14 April ist der Hambacher Forst durchgehend besetzt. Baumhäuser entstehen in den Bäumen und eine breite Dorf-Infrastruktur am Boden. Mit Blockadetechniken wird sich auf die Räumung vorbereitet, die trotz einer Duldung durch RWE (Besitzerin des Waldes) jederzeit anstehen kann. Die Waldbesetzung befindet sich am Rand des Hambacher Forstes, der Jahr für Jahr um die Fläche gerodet wird, die RWE für den Weiterbetrieb des Hambacher Tagebaus benötigt, der sich Jahr für Jahr und Tag für Tag mehr in die Landschaft frisst, und nicht nur Wälder sondern auch Dörfer zerstört. In etwa 10 Jahren wird der Hambacher Forst, einst genauso groß wie die Nordeifel ganz verschwunden sein, und mit ihm einige Tierarten die es weltweit nur noch hier gibt, wie die Bechsteinfledermaus. Ab dem 1. Oktober darf RWE wieder roden.

Hambacher Forst 180

Um während den Rodungsarbeiten dauerhaft aktionsfähig zu sein, wurde sich ein Konzept überlegt, angelehnt an "Gorleben 356". Nämlich dass für möglichst jeden der 180 potentiellen Rodungstage, sich eine Gruppe bereiterklärt für den Tag in den Wald zu kommen und auf ihre eigene Weise die Rodungsarbeiten zu stören. Dafür wird ein Kalender erstellt werden, in den sich Gruppen eintragen lassen können. Weiteres darüber wird es demnächst auf dem Blog der Waldbesetzung geben oder auf Indymedia. Überlegt euch bei Interesse aber schonmal mit eurer Gruppe ob ihr euch vorstellen könnt einen Tag zu übernehmen.

Aktuelle Repression gegen Klimaaktivist_innen

Sowohl Aktivist_innen aus dem rheinischen Braunkohlerevier, als auch in der Lausitz sind derzeit von staatlicher Repression betroffen.

Nach der versuchten Blockade der RWE-Jahreshauptversammlung im April hat die Staatsanwaltschaft erste Strafbefehle verschickt. Zwei Aktivist_innen erhielten Geldstrafen in Höhe von insgesamt 1.700 Euro, eine davon ist zur Bewährung ausgesetzt. Sechs weitere Personen wurden zunächst zur polizeilichen Vernehmung vorgeladen. Die Vorwürfe reichen von versuchter Nötigung über Widerstand gegen die Staatsgewalt bis zu unerlaubtem Waffenbesitz.

Auch in der Lausitz haben die Unterstützer_innen des Lausitzer Energie- und Klimacamps die Willkür der Polizei erfahren. Am 12.07.2012 wurden zwei Familien aus Jänschwalde von Polizeikräften besucht. Diese wollte "nur einmal nachfragen" was dort so vor sich gehe. Vattenfall, Betreiber des Kohlekraftwerks in Jänschwalde, hatte der Polizei mitgeteilt, Aktivist_innen des Klimacamps Lausitz würden sich dort treffen. Vattenfall fürchtete "Störungen", sagte einer der Polizisten als Begründung für den Besuch und die Befragung.

Beide Formen der Repression sind als Einschüchterungsversuche vor den Klimacamps zu betrachten. Damit das nicht gelingt ist breite Solidarität und Beteiligung an weiteren Aktivitäten notwendig, sowie Unterstützung für die Betroffenen Aktivist_innen.

 

Klimacamps 2

 

Kohle, Kapitalismus, Klima: Geschichtlich und aktuell

Kohle ist DER Energieträger der sowohl für kapitalistische Entwicklung, als auch für den Klimawandel steht. Und zwar geschichtlich und top-aktuell. In der kapitalistischen Frühgeschichte hatte die Kohle eine außerordentliche Relevanz, weil es durch sie gelang wachsende Produktivität von der direkten Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft zu entkoppeln. In der weiteren Entwicklung trat die Relevanz der Kohle dann etwas in den Schatten des Erdöls, das als Beschleunigungsenergie weitaus besser geeignet war, und welches in das Zentrum machtstrategischer Konflikte und Kriege rückte, weil sein Vorkommen nicht so breit gestreut ist, wie das der Kohle. Dennoch blieb die Kohle der relevanteste Energieträger für den Klimawandel, weil der CO2-Intensivste.

Heute während Peak Oil, nimmt die Relevanz der Kohle als Energieträger und als standort- und machtpolitischer Faktor wieder massiv zu. Überall auf der Welt werden neue Abbaugebiete eröffnet oder erweitert. Die Kohleverflüssigung (als Dieselersatz) ist auf dem Vormarsch. Und das alles während Klimawissenschaftler_innen betonen, dass eigentlich sofort global aus der Kohle ausgestiegen werden muss. Aber: Der globale Kapitalismus ist an die billigen Energieträger gefesselt. Deshalb ist von einer Realpolitik, die sich kapitalistischen Sachzwängen unterordnet nicht zu erwarten, dass sie das einzig sinnvolle (den Kohleausstieg) umsetzen kann.

Eine Klimabewegung die eine solche ist, muss deshalb auch eine konsequent antikapitalistische Bewegung sein.

Kohlewiderstand international

 

Klimacamps 3

 

Da Kohleabbau derzeit global auf dem Vormarsch ist und Kohle klimarelevantester Energieträger ist, dessen Folgen global sind, ist es auch notwendig den Widerstand gegen Kohle, als Teil einer Klimabewegung global zu betrachten, und zu vernetzen. In Kolumbien, China, Bangladesh, Indien und anderen Abbauländern des globalen Südens, sind die betroffenen Menschen der Zerstörung durch den Abbau viel unmittelbarer ausgeliefert als im globalen Norden. Auch deshalb spitzt sich der Widerstand in vielen dieser Ländern in den letzten Monaten und Jahren zu. Diese Kämpfe sollten beobachtet und solidarisch unterstützt werden. In vielen englischsprachigen Ländern, wie Schottland, USA, Australien, Neu-Seeland, England entwickelten sich in den letzten Jahren sehr direkte Aktionsformen gegen die Kohleindustrie. Auch hiervon kann gelernt werden. In Schottland fand gerade eine Aktionswoche statt, während der 50 Aktivist_innen für einen Tag den Tagebau Mainshill stoppten und blockierten, bei einem anderen Tagebau die Zufahrtsstraße blockierten und einen Tagebau im Garten des Lords anlegten, einer der Profiteure des Kohleabbaus in der Region. Auch in den USA, wo ganze Berge gesprengt werden um an die Steinkohle darunter zu kommen, wächst der Widerstand. Nach einer großen Blockade im Frühjahr ist für den 25. Juli ein weiterer Aktionstag geplant. Leider ist der Informationsfluss zu Bewegungen im globalen Süden noch nicht so gut, sodass genaue Informationen über die aktuellen Widerstand an dieser Stelle fehlt.