Soziale Unruhen in Großbritannien "Krawall macht Spaß"

Erstveröffentlicht: 
02.07.2012

Die Olympischen Spiele stehen bevor - und die Angst vor einer neuen Welle der Gewalt in London wächst. Laut einer aktuellen Studie wäre die Polizei beim Ausbruch sozialer Unruhen genauso überfordert wie im vergangenen Jahr. Damals kamen fünf Menschen ums Leben, Hunderte wurden verletzt.

 

Vier Tage und Nächte lang zogen die jugendlichen Randalierer durch die StraßenLondons und anderer britischer Großstädte. Sie plünderten Geschäfte, setzten Autos in Brand und griffen Menschen an. Bei den Krawallen im August 2011 kamen fünf Menschen ums Leben, es entstand ein Schaden von bis zu 200 Millionen Pfund (rund 248 Millionen Euro).

Das Ausmaß der Gewalt und die Schnelligkeit, mit der die Situation eskalierte, schockte nicht nur die Bevölkerung. Auch die Polizei war überfordert und brauchte lange, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Eine aktuelle Studie bringt nun Brisantes zu Tage: Nach Einschätzung vieler Polizisten könnten nämlich die Unruhen jederzeit wieder ausbrechen.

An der gefährlichen Ausgangslage habe sich seit vergangenem Sommer nichts geändert, heißt es in der Untersuchung "Reading the riots" ("Die Krawalle verstehen"). Die schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen, die zum Ausbruch der Gewalt beitrugen, hätten sich sogar noch weiter verschlechtert.

Die Studie der Zeitung The Guardian und der London School of Economics zitiert einen Kommissar, der sogar "Unruhen noch innerhalb dieses Jahres" erwartet. Bei den letzten Ausschreitungen seien viele Täter davongekommen, die jetzt denken könnten, Krawall mache Spaß.

Hinzu kommt, dass die Mehrheit der 130 Polizisten aller Dienstgrade, die für die Studie befragt wurden, befürchtet, dass die Sicherheitskräfte aufgrund von Budgetkürzungen nicht mit der Situation fertig werden können. Zurzeit streiten sich der Polizeidienst und Innenministerin Theresa May über geplante Einsparungen.

Wenn der Etat der Polizei weiter reduziert werde, hätte die Polizei große Schwierigkeiten, mögliche Ausschreitungen zu kontrollieren, so Paul McKeever, Vorsitzender des englischen und walisischen Polizeiverbandes. Die Polizei dürfe nicht noch einmal so hilflos dastehen wie vor einem Jahr: "Die Sicherheit und der Schutz der Öffentlichkeit müssen die erste Priorität [der Regierung] sein."

Polizei hinkte bei sozialen Medien hinterher

In einem Punkt scheint die Polizei inzwischen allerdings besser gerüstet zu sein als vor einem Jahr. Damals konnten viele Polizisten nicht mit sozialen Medien umgehen, wie "Reading the riots" aufzeigt. Die Randalierer organisierten ihre Treffen überwiegend über soziale Online-Netzwerke und Blackberry-Nachrichten, auf die die Polizei keinen Zugriff hatte - und waren den Ordnungshütern damit immer einen Schritt voraus.

Die große Menge an Informationen, die im Internet kursierten, verwirrte die Polizei. Sie konnte Gerüchte und Fakten nicht auseinanderhalten und wusste nicht, wohin sie ihre Einsatzkräfte senden sollte. Oft erfuhr die Öffentlichkeit über Twitter noch vor den Polizisten, was passieren würde.

Der Metropolitan Police Service (MET) in London zog eine Lektion daraus: Seit den Ausschreitungen entwickelte die Polizeibehörde neue Technologien, um die Aktivitäten in sozialen Medien zu verfolgen. Außerdem bildete sie 1750 neue Ordnungspolizisten aus und setzte einen "Mobilisierungsplan" um, um Polizeieinsätze besser zu koordinieren.

Das ist nicht nur für mögliche Krawalle dringend nötig. Denn mit den Olympischen Spielen in London steht den Briten in wenigen Wochen ein weiteres Großereignis ins Haus und damit "die größte friedliche Polizeioperation in der modernen Geschichte Großbritanniens", wie der Guardian schreibt. Es ist zu hoffen, dass es tatsächlich friedlich bleibt.

Nach den Worten eines Kommissars der Polizei Manchester können schon kleine Vorkommnisse zu neuen Krawallen führen: "Wenn wir eine schlechte wirtschaftliche Lage haben, heißes Wetter und irgendein Ereignis als Auslöser [...], ja, dann könnte es passieren."