[FR] Zwischenbericht Prozess gegen Neonazi Florian Stech

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Am Montag, den 18. Juni begann der Prozess gegen Neonazi Florian Stech vor dem Freiburger Landgericht wegen mehrfachem versuchten Totschlag an einigen AntifaschistInnen. Stech fungierte am 1. Oktober 2011 auf dem Park & Ride-Parkplatz in Riegel als Schleuser zu einer Naziparty der "Kameradschaft Südsturm Baden" in Bahlingen, die der Finanzierung einer rechten Demo in Offenburg dienen sollte. Als er eine Gruppe ebenfalls anwesender AntifaschistInnen bemerkte fuhr er unvermittelt mit seinem Auto in diese Gruppe und verletzte einen von ihnen schwer. Eine antifaschistische Beobachtung des Prozessauftaktes ist hier zu finden. Im Folgenden wollen wir den zweiten und dritten Prozesstag dokumentieren.

 

Mittwoch, 20. Juni - 2. Prozesstag

Am Mittwoch, den 20. Juni war der zweite Prozesstag. Hier waren alle AntifaschistInnen geladen. Gegen alle dieser acht AktivistInnen war wegen dem gleichen Vorfall in Riegel wegen versuchter gefährlicher Köperverletzung ermittelt worden. Ihnen wurde unterstellt, dass sie Florian Stech am 1. Oktober 2011 hätten angreifen wollen. Die Verfahren wurden gegen Zahlung von je 400€ an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt. Lediglich bei dem verletzten Antifaschisten wurde von einer Zahlung abgesehen mit der Begründung dieser sei schon "gestraft genug" gewesen.

Diesem Umstand geschuldet hatten die AntifaschistInnen kein Zeugnisverweigerungsrecht und sagten am Mittwoch vor dem Landgericht aus.

In den Aussagen wurde klar, dass diese zwar mit der Intention den Schleusungspunkt in irgendeiner Form zu stören oder gar zu vertreiben auf den Pendlerparkplatz fuhren aber nie den kollektiven Entschluss gefasst hatten, Stech körperlich anzugreifen.



Die AntifaschistInnen schilderten eindrücklich und teilweise sehr emotional berührt die Erlebnisse dieses Tages, Stechs "Fahrverhalten" während dem Angriff auf die Gruppe – welches von allen bisherigen Zeugen beinahe identisch beschrieben wurde – sowie sein Verhalten nach der Attacke.

Stech war sofort als die Gruppe über eine kleine Brücke auf die Straße lief mit quietschenden Reifen losgefahren. Dabei nutze er nicht die mindestens zwei anderen Möglichkeiten, die ihm, sofern er die Absicht der Flucht gehabt hätte, zu Verfügung gestanden wären, sondern fuhr direkt, ohne zu bremsen in die Gruppe der jungen Antifa-AktivistInnen. Zwei der Opfer dieses Angriff beschrieben den Gesichtsausdruck des Faschisten, den sie durch die Fenster sahen, als "Das Lenkrad fest im Griff und ein Blick voller Hass". Auch Lenk- oder Ausweichbewegungen konnten von keinem der bisher gehörten ZeugInnen erkannt werden.



Kurz nach dem Angriff war Stech wieder zurück auf den Parkplatz gefahren und gesellte sich zu seinen "Kameraden", welche daraufhin die schwer unter Schock stehenden AntifaschistInnen als "Antifa-Schlampe" bezeichneten und äußerten, der zuckende, am Boden liegende junge Mann sei "selber Schuld". Stech nahm, den Aussagen der Opfer nach, auch nach der Tat seine Funktion als Schleuser unbehelligt weiter wahr und schickte immer wieder ankommende, voll besetzte Autos von Nazis weiter.

All das geschah unter den Augen der Staatsschutz-Beamten, die bereits 2 Minuten nach dem Tötungsversuch anwesend waren und anstatt sich um das Opfer zu kümmern oder den Täter festzunehmen, die Opfer belästigten und deren Ausweise verlangten – während diese sich um den Schwerverletzten kümmerten.



Freitag, der 22. Juni – 3. Prozesstag

Am Freitag, dem dritten Prozesstag, waren neben Beamten des Emmendinger Staatsschutzes und einem Streifenpolizisten auch zwei Sachverständige geladen.

Es sollte mit der Vernehmung beider, am 1. Oktober am Parkplatz anwesender, Staatsschützer beginnen.

Schon während der ersten Vernehmung, des KHK Hochstein stellte sich auf Fragen der NebenklägerInnen-VerteterInnen heraus, dass dieser nicht gewillt war weitere Informationen zu der rechten Szene um den KSB preiszugeben, obwohl diese für mehrere Sachverhalte wie zum Beispiel die Ortskenntnis des Angeklagten durchaus relevant sind. Er berief sich dabei immer auf eine Aussagebeschränkung, die er offenbar hätte, konnte diese aber nie konkret bestimmen und entschied deshalb sichtlich unsicher nach Gutdünken, was er nun sagte und was nicht. Während einer kurzen Pause versuchte der Beamte schließlich, sich seine Aussagebeschränkung von einem Vorgesetzten klar definieren und bestätigen zu lassen. Da jedoch von dieser Seite keine Klarstellung erfolgte unterbrach die Richterin die Vernehmung. Erst wenn klar ist, ob sich die Beamten tatsächlich auf ein eingeschränktes Zeugnisverweigerungsrecht berufen können und wie weit dieses reicht, wird die Vernehmung fortgesetzt.

Offensichtlich zeigten die Beamten keinerlei Ambitionen, den Prozess tatsächlich voran zu bringen. Die Aussagen des KHK Hochstein offenbarten zahlreiche Versäumnisse und völliges Unverständnis für die Tragweite dieses Vorfalls. So wurden – um nur ein Beispiel zu nennen - einige der nach der Tat hinzukommenden Nazis nicht auf ihre Personalien überprüft, da sie, so Hochstein, keine direkten Zeugen gewesen seien.



Auch der Streifenpolizist hielt es nach Ankommen am Tatort nicht für nötig, den Täter festzunehmen oder zumindest als Täter eines Tötungsversuches zu begreifen. Stattdessen hielt auch er es für relevanter die anwesenden Antifas nach ihren Ausweisen zu fragen. Auf Nachfrage konnte er den Grund für dieses Verhalten auch nicht so richtig erklären und verwies stattdessen auf Dienst-Hierachien, die an diesem Tag galten. Frei nach dem Motto: Wenn die Vorgesetzten nicht anordnen einen Mordverdächtigen festzunehmen, dann lässt man ihn einfach mal in Ruhe.

Nach der Vernehmung der Polizisten wurden die Tonbandaufnahmen der abgesetzten Notrufe am Tatort laut abgespielt. Beide stammten von unabhängigen Zeugen, die auch schon am Montag ausgesagt hatten. Bei einem der Notrufe gab der Zeuge nach einiger Zeit das Handy an Florian Stech, der neben ihm anhielt, weiter, sodass auch dieser seine Version des Geschehens präsentieren konnte.

Beide Zeugen, die die Notrufzentrale anriefen, waren völlig aufgewühlt und sprachen unentwegt von einem Mordversuch und davon, dass "gerade einer mit Absicht umgefahren" wurde.

Als dann Stech das Handy gereicht bekam, erklärte er völlig ruhig und abgeklärt, dass er angegriffen wurde, wegfahren wollte und er erwartet hatte, dass "die noch rechtzeitig wegspringen" und einer es halt "nicht mehr geschafft" hat. Allein durch diese Aussage, die schon seit dem Anfang der Ermittlungen bekannt ist, ist der Tatbestand der versuchten Tötung unter der Prämisse, dass er zumindest den Tod Mehrerer billigend in Kauf nahm, hinreichend erfüllt.

Das Abspielen dieser Aufnahmen, allem voran der Tonfall Stechs, berührte sowohl das Publikum als auch eines der Opfer sichtlich.

Der Sachverständige Schnaitmann kam nach Auswertung der örtlichen Gegebenheiten und Berechnungen abschließend zum Schluss, dass es gut möglich ist, dass das Opfer "selbst bei aufmerksamer Beobachtung der Situation" nicht mehr die Möglichkeit hatte sich in Sicherheit zu bringen.

Die Verteidigung Stechs versuchte einmal mehr die politische Tragweite des Prozesses auszublenden und die Schuld nicht bei seinem Mandanten sondern im Kreise der AntifaschistInnen zu suchen. So versuchte Köpke die menschenverachtenden Aussagen auf Facebook, die eindeutig Stech zuzuordnen sind, als unglaubwürdig einzustufen; ein verzweifelter Versuch diese Gewaltphantasien, die Stech zusätzlich als überzeugten Faschisten ohne jegliche Skrupel gegenüber politisch Andersdenkenden entlarven, vom Tisch zu bekommen.

Er argumentierte, dass die Facebookeinträge auf "linksunten.indymedia.org" veröffentlicht wurden, aber kein Screenshot von Seiten der Polizei gemacht worden sei und unterstellt damit erst einmal Unglaubwürdigkeit dieser Beweise.

Dass die zuständigen Staatsschutzbeamten tatsächlich keinerlei Anstrengungen unternommen haben um die entsprechende Seite zu sichern, zeigt auch erneut den Unwillen der Beamten effektiv gegen FaschistInnen vorzugehen. In den 6 Monaten nach der Tat wäre es den ermittelnden Beamten beispielsweise mithilfe von Vorratsdatenspeicherungs-Daten problemlos möglich gewesen festzustellen, dass die genannten Facebookeinträge von Stechs IP-Adresse geschrieben wurden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für Stech die Situation immer unangenehmer wird und von Tag zu Tag weitere ZeugInnen-Aussagen hinzukommen, die seine Version der Geschichte mehr und mehr unglaubwürdig erscheinen lassen.

Für die kommende Woche sind keine Prozesstermine angesetzt. Weiter geht es dann am 2. Juli, an dem drei "Kameraden" Stechs (Mang, Adler und Seitzinger) geladen sind. Gerade an diesem Tag halten wir es für äußerst wichtig, dass eine starke antifaschistische Präsenz gezeigt wird und den FaschistInnen keinerlei Platz für ihre abartige Ideologie – sei es durch Verhöhnung der Opfer oder Rechtfertigung der Tat - eingeräumt wird.


Deshalb wird es am 2. Juli eine antifaschistische Kundgebung vor Prozessbeginn geben.

Beteiligt euch; zeigt euch solidarisch mit den Opfern!


Weitere Infos und alle weiteren Prozesstermine findet ihr unter riegelsoli.blogsport.de

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In den 6 Monaten nach der Tat wäre es den ermittelnden Beamten beispielsweise mithilfe von Vorratsdatenspeicherungs-Daten problemlos möglich gewesen festzustellen, dass die genannten Facebookeinträge von Stechs IP-Adresse geschrieben wurden.

 

Momentan gibt es in Deutschland keine Vorratsdatenspeicherung (VDS). Zwar wurde am 09.11.2007 ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verabscheidet. Jedoch wurde dieses Gesetz nach mehrern Verfassungsbeschwerden am 02.03.2010 vom Bundesverfassungsgerichts für verfassungswidrig erklärt.

Es gibt allerdings die Problematik, dass einige Provider die Verkehrsdaten länger speichern als sie müssten. In sofern müsste erstmal rechachiert werden, bei welchem Provider Stech Kunde ist und ob dieser sich an die rechtlichen Vorgaben (nicht mehr und länger zu Speichern als für das Erstellen der Rechnung notwendig) hält oder nicht.

 

Aber insgesammt finde ich die Vorderung die VDS einzusetzen sehr fragwürdig. Natürlich bin ich dafür Nazis mit allen Mitteln auf allen Ebenen zu bekämpfen. Aber es ist doch klar, dass der Staat und seine Repressionsorgane die VDS (sobald diese wieder in Kraft treten sollte) auch gegen Linke einsetzen werden.

 

Aber wie ihr es selbst geschrieben habt, scheint der Staatsschutz Emmendingen und die Polizei kein gesteigertes Interesse an den Ermittlungen zu haben.

Richtig - die VDS ist hier das falsche Mittel. Zu bedenken ist allerdings, dass viele Provider trotz allem gerne IP-Daten speichern, meistens zwischen 7 und 30 Tagen. Die Polizei hat dabei die Gelegenheit, mittels eines sogenannten "Quick Freezes" die Löschung der Daten zu verhindern und dann in aller Ruhe auszuwerten. Facebook löscht hingegen keine Postings, sondern speichert auch vom Nutzer selbst gelöschte Statusmeldungen und Kommentare weiterhin in der Datenbank. Eine Sauerei, der sich auch linke Aktivisten bewusst sein sollten, aber auch hier hätte die Polizei darauf Zugriff erhalten können.

Weitere Beweise hätten sich zeitnah auf dem Rechner des Täters ermitteln lassen - Hausdurchsuchungen werden normalerweise ja bei jedem Scheiß bis hin zu Raubkopien oder "Cybermobbing" gemacht, bei einem Mordverdacht sollte die Polizei da auf jeden Fall loslegen.

 

Fazit: Schlampige Ermittlungen, die tief blicken lassen.

 

Weitere Frage: Stech benutzte sein Auto ja ganz absichtlich als Waffe - und das ist ein ganz klarer Fall für eine MPU und einen längeren bis dauerhaften Entzug des Führerscheins. Wie sieht es da aus? Und falls die Polizei das nicht wie bei simpelstem Haschverdacht nach Flensburg weitergeleitet hat, wär das auch mal ein Versuch, diesen gefährlichen Typen etwas ungefährlicher zu machen.

Du sagst ganz richtig, dass viele Provider Verkehrsdaten zwischen 7 und 30 Tagen speichern, obwohl sie diese Daten für Abrechnungen nicht brauchen. Obwohl einige "Experten" davon ausgehen, dass dieses verfahren illegal sei, können die Bullen diese Daten (teilweise sogar ohne ein richterlichen Beschluss) verwenden.

 

Allerdings hat dieses Verfahren nichts mit dem sogenannten "Quick Freeze" zu tun. Der "Quick Freeze" ist lediglich eine Variante der VDS mit mehr Einschränkungen und kürzerer Speicherdauer. Mit diesem Kompromiss sollte versucht werden, die VDS in Deutschland wieder schneller zu legalisieren. Jedoch wurde auch der "Quick Freeze" noch nicht gesetzlich verankert.

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Quick_Freeze

Der Wikipedia-Artikel beschreibt das recht gut, was im ersten Kommentar mit Quick Freeze gemeint war:

 

"Telekommunikationsunternehmen und Internetprovider erheben – u. a. für Abrechnungszwecke – Bestands- und Verkehrsdaten ihrer Kunden. Gespeicherte Verkehrsdaten werden nach Verbindungsende sofort oder nach einer bestimmten Frist wieder gelöscht. Will eineStrafverfolgungsbehörde (Polizei und Staatsanwaltschaft) auf diese Daten zugreifen, benötigt sie in der Regel einen richterlichen Beschluss. Um zu verhindern, dass die Daten in der Zwischenzeit gelöscht werden, können die Strafverfolger eine so genannte „Speicheranordnung“ (englisch:Preservation order) erlassen, wo dies gesetzlich vorgesehen ist. Durch diese Anordnung wird die routinemäßige Löschung der Daten unterbunden; die Daten werden „eingefroren“. Sobald ein richterlicher Beschluss vorliegt, ist dann die Nutzung der Daten erlaubt, sie werden wieder „aufgetaut“ und der Strafverfolgungsbehörde ausgehändigt. Diese Methode wird auch als „quick freeze, fast thaw“ bezeichnet."

 

Jedenfalls hätte die Polizei die Daten kriegen können.

ES handelt sich hierbei nicht um Vorratsdatenspeicherung. Wer die Datenschutzrichtlinie von Facebook kennt, weiss, das Facebook sich ein unbefristetes und uneinegschränktes  Nutzungsrecht an den von seien usern hochgeladenen Daten einräumen lässt.
Anders ausgedrückt: Was facebook einmal hat, kann unbeschränkt zeitlich unbefristet genutzt und gespeichert werden, auch nach account löschung durch den user. Es ist also davon auszugehen, dass Facebook die Daten des Stech Dialogs u.a. mit Thomas Ziethen nach we vor auf seinen Servern in Irland aber auch den USA gespeichert hält. Mit Internationalen Rechtshilfeersuchen kann die Staatsanwaltschaft und das Gericht diese zu Beweiszwecken anfordern.

danke für die richtigstellung! wusste ich z.b. auch nicht, dass es das eigentlich gar nicht gibt.

zu der politischen kritik bleibt zu sagen, dass auch wenn das doch evtl. sehr missverständlich geschrieben ist, es den den verfasserInnen meines erachtens nach auf keinen fall darum ging die VDS zu fordern oder für gut zu befinden! vielmehr sollte das ein beispiel für den unwillen der bullen sein, die sache mit allen zu verfügung stehenden mitteln, aufzuklären. genau die mittel die in der repression gegen linke gang und gäbe sind. ein beispiel also für die nähe der bullen zu rechten kräften im aktuellen kontext.

 

nach wie vor gilt: weg mit der überwachung; kampf den repressionsorganen!

Bitte drückt euch verständlicher aus - was soll z. B. "Aber auch die die gerichtliche Nichtbescheidung, die verschleppte Aufklärung eines möglicherweise noch zu zu sichernden, gerade die subjektive Mordbereitschaft des Angeklagten dokumentierenden Facebookchats erweisen sich als rechtliche Sprengsätze im Verfahren." bedeuten?

24.06.2012 - Der Sonntag - Riegelprozess - Hass oder Panik?