Grüne Alternative erlebt eine heftige Zerreißprobe

Erstveröffentlicht: 
23.06.2012

Die Frage, ob eine linke Anwältin einen Neonazi verteidigen kann, führt zu Austritt und Rücktrittsforderungen an die Stadträte.
Die moralische Frage, ob eine linke Anwältin einen Neo-Nazi verteidigen kann, unterzieht die Grüne Alternative Freiburg einer Zerreißprobe. Als in der vergangenen Woche bekannt geworden war, dass GAF-Sprecherin Tina Gröbmayr den Rechtsradikalen Florian S. vertreten werde, trat der vierköpfige Vorstand komplett zurück. Nun gab Ex-Vorstand Andreas Langbein auch seinen Austritt bekannt. Derweil positionieren sich die beiden GAF-Stadträte Coinneach MacCabe und Monika Stein auf der Seite der Kritiker von Gröbmayr.

 

Die Juristin hat seit Montag mit dem Prozess um den Neonazi zu tun, der im vergangenen Oktober nahe Riegel in eine Gruppe von Antifaschisten gefahren war und einen schwer verletzte hatte. Dies teilte Gröbmayr der GAF per Mail mit. McCabe und Stein halten es für eine "grundlegend falsche Entscheidung", wenn ein GAF-Mitglied einen Neonazi verteidige. Sie fürchten für die GAF einen gravierenden Vertrauensverlust und Handlungsunfähigkeit. Dass die einstige GAF-Sprecherin für sich in Anspruch nehme, zwischen ihren Aufgaben als Anwältin und ihrer politischen Arbeit trennen zu können, sei "unlogisch". Selbstverständlich habe ein Neonazi das Recht, verteidigt zu werden. Es sei aber nicht miteinander vereinbar, "in einem politischen Verfahren Entscheidungen im Interesse eines Neonazis zu treffen und gleichzeitig eine Gruppe mit einer diametral anderen Politik zu vertreten." Die GAF unterstütze den "Solikreis Riegel", der Staat und Justiz in diesem Fall skeptisch gegenübersteht. "Es ist für uns nach wie vor unlogisch, dies zu befürworten und gleichzeitig den Täter zu verteidigen", so Stein und McCabe.

Beide Stadträte finden, dass Anwaltsarbeit immer politisch sei. Für den Fall Florian S. bedeute dies: "Es ist nicht möglich, tolerant gegenüber Neonazi-Ideologie zu sein, weil sich diese auf massive Intoleranz stützt. Daher muss Neonazi-Ideologie effektiv verhindert werden. Dazu gehören verschieden Ebenen der Gerichte, und die anwaltliche Tätigkeit ist eine dieser Ebenen." Sie fürchten überdies, wegen Gröbmayrs Entscheidung unglaubwürdig und handlungsunfähig zu werden, "wenn wir uns nicht öffentlich davon distanzieren". So hätten sie erfahren, dass sich andernfalls kein Flüchtling mehr an sie wenden werde, "der von fremdenfeindlicher Gewalt betroffen ist."

Ex-Vorstand Andreas Langbein sieht das anders: Auch wenn er seiner Ex-Vorstandskollegin Gröbmayr aus "politisch-taktischen Gründen" geraten habe, das Mandat nicht wahrzunehmen, liege sie für ihn nicht grundlegend falsch; vielmehr könnten ihre Kritiker nicht zwischen politischer Verurteilung und dem Strafprozess unterscheiden. Ein Anwalt könne das durchaus trennen, findet Langbein: "Offensichtlich liegt mein Rechtsverständnis näher an dem von Frau Gröbmayr als an dem der meisten übrigen GAF-Aktivisten." Seinen Austritt aus der GAF begründet er so: "Die Prinzipien des Rechtsstaats (keine strafrechtliche Vorverurteilung wegen politischer Zugehörigkeit) sind mir Verpflichtung." Einen Schritt weiter geht Jörg Dengler, der im Juni 2009 auf Rang drei der GAF-Liste zum Gemeinderat gewählt wurde und erster Nachrücker wäre. Er fordert Stein und McCabe auf, die GAF zu verlassen ebenso wie Schriftführer Christoph Löffler und Kassiererin Stefanie Hochreuter, die ihre Ämter niedergelegt hatte, um "keinesfalls in Zusammenhang mit der Verteidigung eines Neonazis gebracht zu werden."

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Anlässlich der Teilnahme einer „kritischen Jurastudentin“ beim Nazi-Prozess in Freiburg

Der AKJ Freiburg veranstaltet im Juli eine strafrechtskritische Veranstaltungsreihe in Freiburg. Zu der Veranstaltung „Strafrechtskritik aus der Praxis“ ist Tina Gröbmayr als Moderatorin eingeladen. Tina Gröbmayr ist angehende Strafverteidigerin und Mitglied des AKJ in Freiburg und steht in einem aktuellen Verfahren der Verteidigung des Nazis Florian Stech helfend zur Seite.

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