Demo in HH: Solidarität mit dem syrischen Aufstand

Yalla!

Verschiedene Zusammenhänge und Solidaritätsgruppen der arabischen Community mobilisieren zu einer grösseren Demo in Hamburg am 31.März. Wir unterstützen diese Mobilisierung in kritischer Solidarität und dokumentieren an dieser Stelle den Aufruf:

Keine Chance für Diktatoren, Syrien ist noch nicht verloren! Großdemo für Syrien durch die Hamburger Innenstadt.

„Die Nachrichten aus Syrien sind von ihrer erschreckenden Brutalität kaum zu ertragen. Das Vorgehen des syrischen Regimes gegen das eigene Volk, welches sich gegen ein weiteres Leben in einer Diktatur entschieden hat, ist von unmenschlicher Grausamkeit geprägt.

Trotz der tödlichen Gewalt des Regimes, gehen die Proteste in Syrien aber weiter. Die Demonstrationen dauern im ganzen Land an. Allein in den vergangenen drei Tagen sind mehr als 150 Menschen getötet worden. Wir rufen hiermit zum großen Solidaritätsmarsch auf.

Fördern Sie den Aufstand gegen das brutale Regime in Syrien und unterstützen Sie die syrische Bevölkerung auf ihrem Weg in die Freiheit und in den Frieden.

Wir fordern am 31. März alle Hamburgerinnen und Hamburger auf, sich mit uns zusammenzuschließen, um für Frieden, Wiedereinkehr der Normalität und dem Aufbau einer Demokratie in Syrien und allen weiteren unterdrückten Ländern aufzurufen.

 

Unsere Forderungen:
- Stopp von Folter und Mord!
- Ausweisung der syrischen Botschafter aus allen EU- Staaten!
- Freiheit, Menschenwürde und Gerechtigkeit für alle syrischen Bürger!
- Es muss diplomatischer Druck auf das syrische Regime ausgeübt werden!
- Sofortiger Stopp von Waffenlieferungen an das syrische Regime!
- Klare Stellungnahme aller EU- Länder GEGEN das syrische Regime!
- Sofortige humanitäre Unterstützung für das syrische Volk!
- Ablehnung von militärischen Eingriffen und Sicherheitsmaßnahmen von allen Seiten!
- Sofortige Freilassung der politischen Häftlinge und Achtung der Menschenwürde!“

 

Die Yalla – Initiative möchte Sie herzlich einladen und bittet Sie zahlreich zu erscheinen.

 

Kontakt: http://de-de.facebook.com/yalla.hamburg

 

31. März 2012
13:00 Hachmannplatz

 

Route: Hachmannplatz über den Hauptbahnhof und die Mönckebergstraße hin zum Gänsemarkt, Abschlusskundgebung: 17.00 Uhr.

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Sicher keine FreundInnen des Assad - Regimes wundern wir uns doch über diesen Aufruf und die Entscheidungskriterien, diesen hervorhebend in der Mittelspalte zu platzieren.

 

Schon der Headliner ist doch eher erschreckend. "Syrien ist noch nicht verloren", erinnert doch eher an die erste Strophe der strunzereaktionären Nationalhymne Polens:

 

"Noch ist Polen nicht verloren,

 solange wir leben.

 Was fremde Übermacht nahm,

 werden wir uns mit dem Säbel zurückholen"

 

Kann das Ganze mit ganz viel Sympathie noch als vielleicht gruseliger Übersetzungsfehler, Unkenntnis über reaktionäre Sprichwörter oder europäische Geschichte gewertet werden, bleiben anschliessend die AufruferInnen völlig im Dunkeln und können die Forderungen, bis auf die mit den militärischen Eingriffen, auch von den Kriegstreibern von CDU/ CSU, FDP, SPD bis Grüne so mitgetragen werden. Ein Zufall? Links, emanzipatorisch oder besonders fortschrittlich ist das auf jeden Fall nicht.

 

Wer sind "verschiedene Zusammenhänge und Solidaritätsgruppen der arabischen Community"?

 

Wir wüssten nicht, dass wir als Linke neuer- und alterdings Aufrufe machen, wo wir solch nebulöse Beschreibungen der AufruferInnen benutzen. Auch die "Yalla" - Seite gibt darüber keinerlei Aufschluss.

 

Wir sollen also auf einer Solidaritätsdemo erscheinen, wo weder klar ist, wer dazu aufruft, noch wer dort erscheint.

 

In Hamburg entpuppt sich das gerne dann mal als einzige "I love Israel" - Demo oder vielleicht auch eine Demo der den "Syrischen Militärrat" unterstützenden türkischen AKP, "Grauen Wölfe" oder AKP - nahen Gülen - Sekte. Auch mega reaktionäre Islamistengruppen agieren in Syrien, und garnicht so gewaltfrei. Schon was merkwürdig, dass sonst immer so viel Wert darauf gelegt wird, wer mit wem unter welchen Losungen demonstriert und das Ganze hier scheinbar gar keine Rolle mehr spielt.

 

Auf der "Yalla" - facebook - Seite findet sich ja dann auch eher die "Heinrich Böll - Stiftung" und der Hort allen Aufstandes und der Revolution, die "Konrad Adenauer - Stiftung" (sic!).

 

Diese Demo hat irgendwas von nem Überraschungsei und wir kennen nicht allzu viele Leute, die sich auf Demos begeben, deren AufruferInnen sie nicht verifizieren können und wo mensch nicht weiss, ob er da nicht zwischen dem RCDS, grünen Bellizisten oder türkischen Nationalisten läuft.

 

Die Parolen sind dann auch eher Appelle an die VertreterInnen der "westlichen Wertegemeinschaft" wie Herr Sarkozy und Frau Merkel, denn irgendwie fortschrittlich oder demokratisch im eigentlichen Sinne.

 

Die Rolle von solchen Vorbilddemokratien wie Saudiarabien, Bahrain, Kuweit und der Türkei lässt mensch dann auch gleich beiseite.

 

"- Sofortiger Stopp von Waffenlieferungen an das syrische Regime!" auf den ersten Blick eine ganz nette Parole, aber wenn ich dann auch noch "Ablehnung von militärischen Eingriffen und Sicherheitsmaßnahmen von allen Seiten", sollte ich die Rolle westlicher "Militärberater" im syrischen Aufstand und die Waffenlieferungen der erzreaktionären wahabitischen arabischen Staaten benennen. Die Diktaturen wie Saudi - Arabien, Kuweit und Bahrain sind nicht die Heilsarmee und streben sicher so ziemlich alles andere als Demokratie im historischen Sinne an. Afganistan schon vergessen?

 

Als Linke werden wir an einer  Demo, die so im Nebel der Nichtaussage bleibt, nicht unterstützen, da auch die Kernaussagen, was auf die Assad - Regierung folgen soll nicht benannt werden. Hier sollte mensch sich doch mal ne Weile mit der heutigen Situation in Libyen, Irak und Afganistan beschäftigen. "Aufstand" lässt sich leicht schreien und schnell gibt es MitruferInnen von "Konrad Adenauer - Stiftung" bis Joschka Fischer - Fans,  "Revolution" dagegen braucht schon etwas mehr Gehalt.

 

"Recherchegruppe Aufstand" müsste aber auch schon aus der Lektüre der "Jungle World" wissen, wie gross das Geschrei und Gezettere ist, wenn palästinasolidarische Gruppen einen Event oder eine Demonstration machen, und nur eine (eigentlich meinen sie immer alle!) für sie nicht politisch korrekte Gruppe dabei ist.

 

Wenn sich die Recherchegruppe nach Selbstaussage weder "Antideutsch noch Antiimp" (was immer auch damit gemeint ist?) verortet sollte sie ganz sicher die Kriterien, die sie an andere stellt, auch an die Auswahl der von ihnen veröffentlichten Aufrufe und Artikel (z.B "Jungle World" - Lügenartikel von Ivo Bozic zu "Analyse und Kritik") stellen.  

Schon toll solche Parolen auf dieser ach so gewaltfreien Seite...

 

Aufrufer*innen:

 

"Yalla" - Hamburg:

 

("Yalla" (auf deutsch "Vorwärts"/"Los geht's") ist eine gesellschaftliche Initiative arabischer Hamburger für Freiheit und Demokratie in den arabischen Ländern. Unser Ziel ist es, durch offene Diskussionen zwischen Interessierten und Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft sowie Kultur das Interesse junger Menschen an den jüngsten Entwicklungen im arabischen Raum zu erwecken.)

 

Die "Experten aus Politik...":

 

Heinrich Böll - Stiftung "Die Grünen"

 

Konrad Adenauer - Stiftung (CDU/CSU)

 

Gehts noch???

möchten noch auf ein anderes Portal aufmerksam machen. "German foreign policy". Sauberer Journalismus und endlich auch mal bundesdeutsche, EU- und NATO - Strategien und Wirtschaftsinteressen im Fokus. Ansonsten scheint die Presse ja inzwischen fast gleichgeschaltet  und bei manchen Westerwelle und Merkel voll anschlussfähig für den bellizistischen Teil der Linken zu sein.

 

Ansonsten vielleicht auch mal mit der Realität Krieg jenseits irgendwelcher Computer - Simulationen und Spiele auseinandersetzen:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,820622,00.html

 

(dieser kaputte  US - Soldat, wird, wenn er Glück hat in der Psychiatrie, wenn er Pech hat, wie 2,5 Mio. anderer Amerikaner*innen im Knast landen. Hinterfragen, wie und warum, wird man kaum und seine Vorgesetzten und Kriegstreiber*innen werden nötigenfalls mit einem Orden davonkommen).

 

German foreign policy:

 

06.03.2012

 

BERLIN/DAMASKUS

 

(Eigener Bericht) - Berliner Regierungsberater debattieren Kriegsszenarien für eine mögliche westliche Militärintervention in Syrien. Wie es bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) heißt, zeichne sich inzwischen ein "umfassender Bürgerkrieg" in dem Land ab, der "auch entlang konfessioneller Linien" verlaufe. Damit steige der Druck auf den Westen, militärisch zu intervenieren. Während Nahost-Experten dringend raten, einen Streitkräfteeinsatz zu vermeiden und sämtliche Waffenlieferungen an die Aufständischen zu unterbinden, spricht sich ein Fachmann für "Sicherheitspolitik" für eine deutsche Beteiligung an einem Waffengang aus. In Verbindung mit diplomatischen Schritten sei ein "militärisches Engagement" nicht "das Ende oder gar das Versagen von Politik, sondern ihr essentieller Bestandteil". Während die Debatte um einen eventuellen neuen Kriegseinsatz in Syrien andauert, bekräftigt ein einstiger "Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit", der aktuelle Streit zwischen dem Westen und Russland um die Syrien-Politik drehe sich keineswegs "um Menschenrechte versus Diktatur", sondern um geostrategische Interessen.

 

Kriminelle Elemente

 

Aufgrund offenkundiger interner Differenzen hat die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) vor wenigen Tagen zwei durchaus unterschiedliche Stellungnahmen zur Frage nach einem möglichen Militäreinsatz der NATO in Syrien vorgelegt. Eine von ihnen entstammt der für Nahost zuständigen Forschungsgruppe der SWP. Die Autoren konstatieren zunächst, die Gewalt in Syrien habe "dramatisch zugenommen". Trotz immer wiederholter gegenteiliger Behauptungen habe man festzuhalten, dass "die Spitzen und das Gros des nach wie vor schlagkräftigen Sicherheitsapparats" weiter "loyal zum Regime" stünden. Die Aufständischen verübten zwar "immer wieder Anschläge auf Sicherheitskräfte, Armee und Geheimdienst", stellten aber sicherlich "keine ernstzunehmende Herausforderung" für das Regime dar, nicht zuletzt, weil sie ein "Sammelbecken auch krimineller Elemente und in lokale Rebellengruppen zersplittert" seien. Die Opposition bleibe "gespalten und (...) nicht geeint handlungsfähig"; das gelte, obwohl die Wirtschaftssanktionen die Lebenssituation der Bevölkerung schwer beeinträchtigten, auch für den Syrischen Nationalrat, den nur ein Teil der Bevölkerung unterstütze. Insbesondere werde eine ausländische Militärintervention, wie sie jüngst aus dem Nationalrat gefordert worden ist, "von vielen Syrern katetorisch abgelehnt".[1]

 

Eskalation zum Konfessionskrieg

 

Die Autoren - Nahost-Experten der SWP - listen in ihrer Kurzanalyse verschiedene Szenarien für die Entwicklung in Syrien auf. Demnach ist nicht auszuschließen, dass das Assad-Regime sich an der Macht halten kann; ebenso möglich sei aber der Übergang in einen umfassenden Bürgerkrieg, der "sehr wahrscheinlich entlang konfessioneller Linien ausgefochten" werde.[2] Dabei stünden Sunniten gegen Alawiten und Christen. Das Gewaltpotenzial eines solchen Bürgerkriegs zeigt die Befürchtung von Beobachtern, dass die Zahl syrischer Flüchtlinge in der Türkei, die von zunächst 20.000 auf 10.000 zurückgegangen sei, nach einemem Sturz des Regimes in die Hunderttausende gehen könne.[3] In dem Papier der Nahost-Experten heißt es dementsprechend, der Westen müsse alles tun, um eine Gewalteskalation zu vermeiden; insbesondere müsse man Waffenlieferungen an die Aufständischen unbedingt unterbinden, weil "eine weitere Militarisierung des Aufstandes (...) das militärische Kräfteverhältnis kaum entscheidend verändern, jedoch die Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung weiter in die Höhe treiben" werde. Die Autoren raten dazu, nicht militärisch zu intervenieren, sondern eine Isolation des Regimes auch innerhalb Syriens voranzutreiben - um es letztlich zur "Implosion" zu bringen. Freilich drohe auch hier das Abgleiten in einen gänzlich unkontrollierbaren Bürgerkrieg.


Bestandteil der Politik

 

Grundsätzlich offen für militärische Interventionen der NATO gibt sich in einem zweiten Papier der Leiter der SWP-Forschungsgruppe "Sicherheitspolitik". Der Westen habe mit der Forderung, Assad müsse auf jeden Fall zurücktreten, seinen Handlungsspielraum "eingeengt", urteilt er; deshalb sei er faktisch an einen "Regime Change" gebunden. Ein Kriegseinsatz sei, sofern er durch diplomatische Aktivitäten begleitet werde, "nicht das Ende oder gar das Versagen von Politik", sondern vielmehr "ihr essentieller Bestandteil". Äußerungen von UNO-Vertretern, laut denen es sich beim Vorgehen der syrischen Regierung um ein "Verbrechen gegen die Menschheit" handle, eröffneten prinzipiell die Möglichkeit, auch ohne Mandat des Sicherheitsrates zu handeln. Der Autor will erkannt haben, "dass diese Position unter den Mitgliedstaaten der Nato rhetorisch vorbereitet wird". Zwar gebe es "in allen westlichen Staaten eine prinzipielle Einsatzmüdigkeit", doch werde man - anknüpfend an die interventionistische Stimmung im Westen während des Libyen-Krieges - bei einer Zuspitzung der humanitären Situation "die Bereitschaft dieser Staaten" zu einem Krieg mit Sicherheit "wieder aktivieren können".[4]

 

Modell Libyen


Der Autor listet fünf militärische Szenarien auf, die ihm zufolge "in der Wirklichkeit nicht so trennscharf abzugrenzen" wären. Sie reichen von direkter Unterstützung für die Aufständischen über die Einrichtung einer sogenannten Schutzzone auf syrischem Territorium - faktisch ist dies gleichbedeutend mit der Besetzung eines Teils des Landes - bis zu Kampfhandlungen der NATO. Die Entwicklung werde aller Voraussicht nach "der Libyen-Operation ähneln": "Zuerst verdeckte Spezialoperationen, um die militärische Infrastruktur des Regimes zu schädigen", außerdem auch "Angebote an hohe Vertreter des syrischen Militärs, dieSeiten zu wechseln; daneben Ausbildung und Ausrüstung" der Aufständischen, "wohl nicht direkt, sondern über Verbündete in der Region" und danach dann die Einrichtung der erwähnten Schutzzonen. Der offene Krieg wäre damit nicht mehr zu vermeiden. Deutschland müsse sich an einem Syrien-Krieg beteiligen, und das nicht nur "symbolisch", fordert der Autor; dies sei nach dem Streit um die NATO-Angriffe auf Libyen unvermeidlich.[5]

 

Machtpolitischer Blickwinkel

 

Während die SWP öffentlich über einen möglichen NATO-Krieg gegen Syrien debattiert, bekräftigt der ehemalige "Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit" Karsten D. Voigt (SPD) die Meinung, der gegenwärtige Streit zwischen dem Westen und Russland um die angemessene Syrien-Politik drehe sich "nicht um Menschenrechte versus Diktatur", sondern um geostrategische Interessen. Voigt urteilte kürzlich bei einer geschlossenen Diskussionsrunde der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), man müsse den moralisch geführten Streit "stärker aus machtpolitischem Blickwinkel" betrachten. Während Russland eine "säkulare Diktatur" vorziehe, suchten die USA - so wird Voigt zitiert - "ein sunnitisches Mehrheitsregime" an die Macht zu bringen.[6] In der Tat passt dies zum neuen Kurs Washingtons und Berlins, der in den arabischen Staaten jetzt auf islamistisch geprägte Kreise setzt und unter anderem eine Zusammenarbeit mit der Muslimbruderschaft vorsieht (german-foreign-policy.com berichtete [7]). Dies ist der Grund, wieso vor allem die islamistischen Staaten Qatar [8] und Saudi-Arabien die jüngsten Interventionen in der arabischen Welt forcieren - in enger Abstimmung mit dem Westen, Deutschland inklusive.

 

[1], [2] Muriel Asseburg, Heiko Wimmen: Der gewaltsame Machtkampf in Syrien. Szenarien und Einwirkungsmöglichkeiten der internationalen Gemeinschaft; SWP-Aktuell 12, Februar 2012
[3] Milchpulver und Mullbinden; Frankfurter Allgemeine Zeitung 25.02.2012
[4], [5] Markus Kaim: Die Krise in Syrien - Möglichkeiten und Grenzen militärischen Eingreifens; SWP-Aktuell 11, Februar 2012
[6] Russisch-amerikanische Beziehungen in der Sackgasse; dgap.org 21.02.2012
[7] s. dazu Der religiöse Faktor und Einflusskampf am Nil (III)
[8] s. dazu Die kommenden Kräfte

Diesen Artikel von "German Foreign Policy" fanden wir auch auf eurer Seite. Er beschreibt ganz gut das Aktionsfeld solcher "Stiftungen" wie Konrad Adenauer und Heinrich Böll (deren Steckenpferd sind ja eigentlich die Klerikal - Reaktionäre aus Tibet und die Mafia - Regierung im Kosovo sind). Habt ihr übersehen, dass ihr das veröffentlich habt? Klingelt es nicht bei euch, warum die auch als "Politik - und Wirtschaftsexperten" von "Yalla - Hamburg" hofiert werden?

 

Und weiterhin für die Recherche ganz nützlich, in der März - KONKRET, Seite 29:

 

"Neue Muster - wenn´s mit dem radikal - autoritären Regime nicht mehr klappt, darf´s ruhig auch ein radikal - religiöses sein.." von Jürgen Kronauer.

 

Aber hier der Artikel von GFP im Volltext (dort auf der seite nur noch im Abo)

 

Der mittlerweile dritte Teil einer Reihe zur Situation in Ägypten. Die beiden ersten Teile findet ihr auf german-foreign-policy, ebenso diesen Artikel mit den dazu gehörenden links

http://www.german-foreign-policy.com/de/news/

Die Affäre um die zeitweilige Schließung der Kairoer Filiale der Konrad-Adenauer-Stiftung wirft ein Schlaglicht auf die verdeckte deutsche Außenpolitik. Wie die Stiftung bestätigt, kann sie nach massiven Interventionen Berlins ihre Arbeit in der ägyptischen Hauptstadt wieder aufnehmen. Zuvor hatte das dortige Militärregime, das demokratischen Protest immer brutaler unterdrückt, im Zuge einer Razzia gegen zahlreiche Nichtregierungsorganisationen auch die Filiale der Adenauer-Stiftung stillgelegt. Die parteinahen Stiftungen spielen eine wichtige Rolle bei den Bemühungen Berlins, im Verlauf der Umwälzungen in den Ländern Nordafrikas den eigenen Einfluss zu verstärken. Die Adenauer-Stiftung hatte zu diesem Zweck neue Kontakte zu Kreisen der Opposition aufgebaut und sich insbesondere um konservativ islamische Kräfte bemüht. Wie alle anderen Parteienstiftungen wird sie zum überwiegenden Teil aus dem Staatsetat finanziert; sie handelt in Abstimmung mit den Berliner Ministerialbürokratien. Ihre Aktivitäten im konservativ islamischen Milieu erfolgen zu einer Zeit, da die Vereinigten Staaten eine engere Kooperation mit der Muslimbruderschaft in die Wege leiten.

Brutale Repression
Wie die Konrad-Adenauer-Stiftung bestätigt, kann ihr Kairoer Büro seine Tätigkeit nach massiven Interventionen Berlins wieder aufnehmen. Das ägyptische Militärregime hatte die Zweigstelle Ende Dezember durchsucht und vorläufig stillgelegt – gemeinsam mit 16 weiteren tatsächlichen wie auch angeblichen Nichtregierungsorganisationen aus Ägypten und dem Ausland. Hintergrund ist die seit geraumer Zeit erheblich zunehmende Repression, mit der das Militärregime demokratische Proteste niederhält. Beobachter warnen, in nächster Zeit könnten weitere Menschenrechtsorganisationen, die das immer brutalere Vorgehen von Polizei und Militär kritisieren, mit Gerichtsverfahren überzogen werden. Die herrschenden Offiziere haben einem gestern publizierten Bericht zufolge in den letzten neun Monaten mehr Zivilisten vor die Militärjustiz gestellt als der ehemalige Staatspräsident Husni Mubarak in 30 Jahren. In den Haftanstalten wird weiter gefoltert, zwischen Oktober und Dezember wurden mindestens 84 Menschen bei Straßenprotesten umgebracht.[1] Ob das Militär seine Macht durch die künftige Verfassung Ägyptens beschränken lassen wird, muss als zumindest zweifelhaft gelten.

Instrumente der Außenpolitik
Unter den Vereinigungen, die Ende Dezember mit Repressalien überzogen wurden, kann die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung keineswegs als echte Nichtregierungsorganisation gelten. Wie die anderen parteinahen Stiftungen erhält sie ihre Mittel überwiegend aus staatlichen Haushalten – laut eigenen Angaben zu 96,8 Prozent. Ihre Tätigkeit im Ausland ist mit den Ministerialbürokratien der Bundesregierung abgestimmt. Vorsitzender ist der einstige Präsident des Europaparlaments Hans-Gert Pöttering (CDU); dem Vorstand gehört unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel an. In ähnlicher Weise staatsfinanziert und mit den nationalen Ministerialbürokratien verknüpft sind das National Democratic Institute for International Affairs und das International Republican Institute, die den beiden großen US-Parteien nahestehen. Ihre Außenstellen in Kairo wurden im Dezember ebenfalls stillgelegt. Das ägyptische Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung hat dieses Jahr besonders davon profitiert, dass die Bundesregierung kurz nach dem Beginn der Umbrüche in Nordafrika die Ausweitung der Mittel für die Tätigkeit der parteinahen Stiftungen dort beschlossen hat – mit dem Ziel, ihre Stellung in der undurchsichtigen Lage durch umfassende Vorfeldtätigkeit zu stabilisieren. Dass die parteinahen Stiftungen im Gewand angeblicher Nichtregierungsorganisationen Interessen eines fremden Staates vertreten – der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog hat sie einst die „wirksamsten Instrumente der deutschen Außenpolitik“ genannt [2] –, erleichtert es dem Kairoer Militärregime, Verdacht auch gegen tatsächliche Nichtregierungsorganisationen zu schüren.

Das Gefühl, gehört zu werden
Im vergangenen Jahr hat sich die Konrad-Adenauer-Stiftung unter anderem bemüht, Kontakte zur ägyptischen Opposition aufzubauen. Diverse Veranstaltungen der Organisation richteten sich etwa an kritische Journalisten und Schriftsteller sowie junge Aktivisten der Massenproteste von Anfang 2011. Die Stiftung führte mehrere Fortbildungen für „Nachwuchspolitiker“ durch, um Jugendlichen „Wege der Partizipation“ aufzuzeigen. In Umbruchsituationen gelte es Oppositionellen „das Gefühl“ zu vermitteln, „dass sie von uns gehört werden, dass wir auf sie aufpassen, dass wir ihnen Kurse anbieten, dass wir ihnen beistehen“, hatte der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, ein einstiger hochrangiger Diplomat, zu Jahresbeginn 2011 die Aufgaben der parteinahen Stiftungen erläutert. Tatsächlich haben deutsche Stiftungen auf diese Weise bereits mehrfach in der Vergangenheit Kontakte zu Politikern aufgebaut, die sich als ungemein hilfreich erwiesen, als diese aus der Opposition an die Regierung gekommen waren (german-foreign-policy.com berichtete [3]).

Islam und Marktwirtschaft
Einen weiteren Schwerpunkt in der Kairoer Stiftungstätigkeit bildete die Auseinandersetzung mit konservativ islamischen Milieus. Die konservativ christlich geprägte Stiftung könne, erklärte etwa ihr Vorsitzender Hans-Gert Pöttering im März in Kairo, „einen Weg aufzeigen, wie sich religiöser Wertebezug mit einer modernen demokratischen Partei vereinbaren“ lasse. Ihm gegenüber habe ein Aktivist der Muslimbruderschaft bestätigt, er könne sich eine „soziale Marktwirtschaft“ islamischer Prägung „sehr gut vorstellen“. An Konzepten, die eine Vereinbarkeit marktwirtschaftlicher Systeme westlichen Charakters mit einer konservativ islamischen Weltanschauung postulieren, arbeitet die Stiftung bereits seit geraumer Zeit (german-foreign-policy.com berichtete [4]). Hinzu kam während der Umbrüche des vergangenen Jahres das Bemühen, die verbreitete Forderung nach Übernahme islamischer Rechtsgrundsätze in die ägyptische Verfassung abzufedern. Auch in einem Staat, der in seiner Verfassung einen islamischen Charakter festschreibe, könne zum Beispiel „eine vollständige Gleichberechtigung der christlichen Bevölkerung gewährleistet werden“, hieß es nach einer Tagung der Stiftung im Mai.[5] Ganz besonders bemühte sich die Organisation um „politische Bildung für Imame“, denen sie als einer „gesellschaftlich wichtigen Multiplikatorengruppe“ eine deutlich herausragende Rolle zuschreibt.[6]

Kurswechsel
Die Bedeutung der Kontakte zu konservativ islamischen Kreisen lässt nicht nur das Ergebnis der jüngsten Wahlen erkennen, bei denen die Partei der Muslimbruderschaft, die Partei der Freiheit und Gerechtigkeit (Freedom and Justice Party, FJP), einen hohen Sieg erzielte und gemeinsam mit der salafistischen Nur-Partei auf fast zwei Drittel der Stimmen kam. Jüngsten Medienberichten zufolge bereiten die USA einen Kurswechsel in Ägypten vor und orientieren auf eine Kooperation mit der Muslimbruderschaft. Es gebe schon seit einiger Zeit hochrangige Gespräche, heißt es unter Berufung auf Regierungskreise. Da die Muslimbruderschaft bereit sei, sich zu mäßigen, stehe einer Zusammenarbeit im Grundsatz nichts mehr im Weg.[7] Wegen der Stärke islamistischer Kräfte sei auch in Tunesien, in Libyen und in Marokko ein entsprechender Kurswechsel nicht auszuschließen. Dazu passen die Annäherungen der Konrad-Adenauer-Stiftung an konservativ islamische Milieus.

Doppelstrategie
Gleichzeitig debattieren Berliner Regierungsberater über Schritte zur langfristigen Schwächung der Muslimbruderschaft, die zum Beispiel über Bildungsmaßnahmen eingeleitet werden sollen: Ziel ist es, traditionelle Anhänger der Organisation quasi abzuwerben, indem ihnen Zugang zu alternativen Quellen im Bildungs- und Sozialwesen ermöglicht wird (german-foreign-policy.com berichtete [8]). Die politische Bildung jedoch ist ein traditionelles Feld der parteinahen Stiftungen wie der Konrad-Adenauer-Stiftung. An ihrer ungehinderten Tätigkeit in Ägypten liegt Berlin viel.

[1] Year of Rebellion: State of Human Rights in the Middle East and North Africa, Amnesty International 09.01.2012
[2] s. dazu „Wirksamste Instrumente der deutschen Außenpolitik
[3] s. dazu Die deutsche Doppelstrategie
[4] s. dazu Einflusskampf am Nil (II)
[5] Religion und Verfassung; www.kas.de 25.05.2011
[6] Politische Bildung für Imame; www.kas.de 17.07.2011
[7] Overtures to Egypt’s Islamists Reverse Longtime U.S. Policy; www.nytimes.com 04.01.2012
[8] s. dazu Rote Linien