Zaghafte Bewegungen im baskischen Friedensprozess

Verhaftungen in Andoain

Die spanische Regierung erkennt nun an, dass der Weg der Untergrundorganisation ETA unumkehrbar ist und die Linkskoalition Amaiur fordert von den Konservativen, die Wurzeln des politischen Konflikts anzugehen, um die historische Chance zur Lösung zu nutzen. Die Beziehungen zwischen Basken und Spaniern normalisieren sich langsam. Deutlich wurde das am Mittwoch im Madrider Parlament, als sich baskische Linke erstmals direkt an den Ministerpräsidenten richtete und Mariano Rajoy auf die Koalition "Amaiur" eingehen musste. Xabier Mikel Errekondo, Sprecher der Koalition, die im vergangenen November fünfstärkste Kraft im Parlament wurde, noch vor der großen Baskisch-Nationalistischen Partei, fragte die neue konservative Regierung, welche Schritte sie zur Förderung des offenen Friedensprozesses gehen will.

 

Errekondo forderte, die "Fundamente für eine wirkliche Befriedung" zu legen. Dafür müsse Spanien das "Selbstbestimmungsrecht" der Basken anerkennen. Ihre "politischen und zivilen Rechte" müssten respektiert und das "Baskenland entmilitarisiert" werden, fügte er an. Amaiur spricht wegen der Erklärung der Untergrundorganisation ETA von einer "historischen Chance den politischen Konflikt" friedlich beizulegen. Nachdem die ETA auch von der baskischen Linken dazu gedrängt wurde, hatte sie im vergangenen Oktober erklärt, die "bewaffneten Aktionen ein für alle Mal einzustellen".

 

Der Amaiur-Sprecher forderte deshalb nun auch Gesten von Madrid, wie die Verlegung der baskischen Gefangenen ins Baskenland. Zudem müsse eine Wahrheitskommission geschaffen werden, in der alle Opfer des blutigen Konflikts in den letzten fünf Jahrzehnten Berücksichtigung finden. Der Versuch ihn auf die ETA zu reduzieren, hält Errekondo für historisch falsch. Der politische Konflikt habe schon vor dem "Entstehen der ETA" im Jahr 1959 bestanden, weshalb die ETA ein Produkt des Konflikts sei, der auch nach der ETA dem Ende der ETA weiter bestehe.

 

Zwar antwortete Rajoy nur ausweichend auf die baskische Linke und der spanische Ministerpräsident forderte Amaiur seinerseits auf, "ihren gesamten Einfluss" geltend zu machen, damit sich die ETA "sofort und freiwillig sowie ohne Vorbedingungen auflöst". Die Regierung werde auf die "Einhaltung der Gesetze" achten und alle "Instrumente einsetzen, damit die Terrorbande verschwindet und ihre Mitglieder vor Gericht gestellt werden". So i st es sicher kein Zufall, dass vor der ersten Befragung durch Amaiur im Baskenland zwei mutmaßliche ETA-Mitglieder verhaftet wurden, um diese Haltung zu bekräftigen. Verhaftungen, wie die von den angeblichen "legalen Mitgliedern"  Iñaki Igerategi und Inaxio Otaño in Andoain dienen gerne zur Selbstdarstellung in den eigenen Reihen.

 

Dieser scheinbar unnachgiebigen Haltung steht aber entgegen, dass auch Rajoys Volkspartei (PP) am Vortag einen gemeinsamen Text mit den oppositionellen Sozialisten (PSOE) und der großen Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) verabschiedete, der anzeigt, dass doch etwas Bewegung in den Prozess kommt und der steigende internationale Druck zu wirken beginnt. In dem Text wird gefordert, die "Kräfte für ein Zusammenleben fördern, das auf dem Prinzipien und Werten des Rechtsstaats" basieren müsse. Von der PP-Regierung werden deshalb die "strikte Einhaltung der Gesetze" und die "Verteidigung demokratischer Grundrechte und Freiheiten" gefordert. Das Ziel ist, mit dem Ende der ETA gemeinsam umzugehen, nachdem festgestellt wurde, dass der Weg der ETA unumkehrbar ist. Das bestätigen auch internationale Vermittler, zu denen auch der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan gehört, die auch die Waffenruhe der ETA überprüfen.

 

Mit dem gemeinsamen Dokument wurde die Initiative der kleinen "Union, Volk und Demokratie" (UPyD) abgelehnt, die neue Verbote baskischer Linksformationen wie Amaiur fordert.  Obwohl das vor den Wahlen auch die PP forderte, will sie davon nun nichts mehr wissen. Der PP-Sprecher im Parlament erklärte, man könne kein "Verbot fordern, das zum Scheitern verurteilt sei". Leopoldo Barreda spricht den Versuch der PSOE-Regierung 2011 an, vor den Kommunal- und Regionalwahlen die Koalition "Bildu" (Sammeln) zu verbieten, der am Verfassungsgericht scheiterte.  Bildu wurde daraufhin stärkste Kraft in den baskischen Gemeinden insgesamt zweitstärkste Kraft nach Wählerstimmen und ist der Motor von Amaiur.

 

Barreda ging aber sogar noch darüber hinaus und bezeichnete Verbote als "anachronistisch und inopportun". Mit diesem deutlichen Schwenk steigen die Chancen weiter, dass das Verfassungsgericht auch das Verbot der Linkspartei "Sortu" (Aufbauen) aufhebt, weil diese Position natürlich auch Auswirkungen auf die PP-Richter im Verfassungsgericht hat. Das Urteil steht aus und wird mit Spannung erwartet. Auch wenn Rajoy scheinbar zu keinen Gesten bereit zu sein scheint, wurde über den gemeinsamen Text genau dafür nun der Weg geebnet.

 

Die strenge Auslegung der spanischen Gesetze verbietet nicht nur Parteiverbote, zwingt aber die Regierung zur Verlegung vieler baskischer Gefangenen, die weit entfernt vom Baskenland inhaftiert sind. Denn das Strafrecht sieht ohnehin eine heimatnahe Strafverbüßung genauso vor, wie die Freilassung von schwer erkrankten Gefangenen, was alle baskischen Parteien und ein großer Teil der Gesellschaft fordern. Bisher wurden mit dem Hinweis auf ETA viele zweifelhafte Ausnahmen gerechtfertigt. Statt ETA-Gefangene nach Strafverbüßung freizulassen, wurden sie bisweilen sogar erneu inhaftiert, weil sie sich in der Haft angeblich erneut als Mitglieder betätigt hätten oder es wurden rückwirkend Verschärfungen angewandt. Auch darüber wird das Verfassungsgericht demnächst entscheiden. Es wird erwartet, dass die höchsten Richter auch diese Praxis kippen.

 

Ralf Streck, den 24.03.2012