Berlin - Exkurs: Sebastian Schmidtke (NPD-Vorsitzender)

Schmidtke und Gewalt auf Naziaufmärschen

Am Samstag, 04. Februar 2012, wurde der „Autonome Nationalist“ Sebastian Schmidtke zum Vorsitzenden der Berliner NPD gewählt. Der nationalsozialistische Kurs des Berliner Landesverbands, der kontinuierlich von den vorhergegangenen Vorsitzenden Eckart Bräuniger, Jörg Hähnel und Uwe Meenen vertreten wurde, wird nun von dem 26jährigen Schmidtke weitergetragen. Schmidtke hat einen politischen Werdegang vom „Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS)“ über den „Märkische Heimatschutz (MHS)“ – eine Bruderorganisation des „Thüringer Heimatschutzes (THS)“, dem die Neonazis des „Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)“ entstammten – über die 2005 verbotene Kameradschaft „Berliner Alternative Süd-Ost“ (BASO) hin zum Neonazi-Netzwerk „Nationaler Widerstand Berlin (NW Berlin)“ hingelegt. Da dieser Personenkreis inzwischen einen wesentlichen Teil der strukturellen Arbeit der Berliner NPD übernimmt, war es nur folgerichtig, dass einer von ihnen den Berliner NPD-Vorsitz antritt. Sebastian Schmidtke fasste den nun geplanten Aktionismus in einer Rede folgendermaßen zusammen: "Die Bevölkerung von Berlin darf sich in der Hinsicht auf mehr NPD-Material in den Briefkästen freuen, mehr Informationsstände und mehr öffentlichen...äh...wirksamkeite Aktionen." Derweil trainiert Schmidtke weiter die NW-Strukturen im Gebrauch von Waffen.

 

Da die Internetseite von NW Berlin seit einiger Zeit öffentlich in der Kritik steht und ihre Abschaltung gefordert wird, sah sich Schmidtke nun genötigt, sich von dieser Website zu distanzieren. Von den eingestellten Inhalten, den Mordaufrufen gegen politische Gegner_innen, den Namens-, Bild- und Adress-Listen von „Feindpersonen“ und alternativen Wohn- und Kulturprojekten – die nicht selten anschließend Ziel von Neonazi-Angriffen wurden -, den Lobeshymnen auf die Hakenkreuzfahne oder von „Zeitzeugenveranstaltungen“ mit SS-Veteranten distanzierte er sich nicht. Warum nicht? Weil Schmidtke genau dieselbe Ideologie vertritt, mit seinen Aktionen dieselben Ziele verfolgt. Die Distanzierung von der Internetseite von NW Berlin ist wertlos, da Schmidtke wichtiger Bestandteil des Netzwerkes NW Berlin ist und deren Ideologie vollends teilt.

Anti-Antifa
Sebastian Schmidtke war seit der Etablierung des Labels NW Berlin bis zur Indizierung der Internetseite durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien im letzten Jahr der presserechtlich Verantwortliche (V.i.S.d.P.) für sämtliche Publikationen (Aufkleber, Plakate, Flugblätter) von NW Berlin. Dazu zählten Aufkleber wie „Jetzt reicht's: Ausländer raus“ und NS-verherrlichende Motive wie „Kamerad Wessel, wir rächen dich!“ aber auch die Parole „Augen auf! Meldet uns Treffpunkte, Aktivitäten, Personalien und Übergriffe von Linksextremisten“. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, diesen Aufkleber mit den Feindeslisten NW Berlins in Verbindung zu bringen. Auf einem von Sebastian Schmidtke angemeldeten Aufmarsch am 10. Oktober 2009 wurden zudem von dem Neonazi-Redner Lutz Giesen die Namen von mehreren dutzend linken Politiker_innen, zivilgesellschaftlichen Aktivist_innen und Antifaschist_innen verlesen, abschließend mit der Parole „Wir kriegen euch alle.“

Gewalt
Der Aufmarsch, der einem vermeintlich linksgerichteten Brandanschlag auf die Nazikneipe „Zum Henker“ folgte – später wurde ein szeneinterner Kneipenstreit als Grund für die Tat bekannt – hatte den Titel „Vom nationalen Widerstand zum nationalen Angriff“. Nicht nur einmal machten Teilnehmer_innen des von Schmidtke angemeldeten Aufmarschs diese Drohung wahr und griffen Gegendemonstrant_innen und Journalist_innen an. Bei einer von Schmidtke angemeldeten NPD-Kundgebung am Rosa-Luxemburg-Platz versuchten mehrere Aktivisten von NW Berlin am 17. Juni 2011 das Verlagshaus der linken Tageszeitung „Junge Welt“ zu stürmen. Die Gewalt eskalierte vollends bei einem von Schmidtke angemeldeten und klandestin mobilisierten Aufmarsch am 14. Mai 2011 im Stadtteil Kreuzberg. Nach einer erfolgreichen Blockade des Aufmarschs durch Antifaschist_innen, griffen die teilnehmenden Neonazis Migrant_innen und Gegendemonstrant_innen an und verletzten diese teilweise schwer. Schmidtke hatte diese Eskalation mit seiner Anmeldung erst möglich gemacht. Es ist kein Zufall dass sein Nazibekleidungs-Geschäft, in dem es „alles für den Aktivisten“ gibt, den Namen „Hexogen“ trägt, ein Wehrmachts-Sprengstoff aus dem zweiten Weltkrieg. Dass er sich mit Waffen auskennt und die Berliner Neonazis im Gebrauch dieser Waffen unterweist, bewies Schmidtke Anfang des Jahres bei einer Waffen-Schulung von NW Berlin. Dabei konnte er auf das Sortiment seines Geschäfts zurückgreifen. Er präsentierte verschiedene Waffentypen und erklärte deren Funktionsweise. Die Umsetzung im Straßenkampf überlässt er derweil anderen Neonazis.

Wir halten nichts davon, zu skandalisieren, dass der Berliner NPD-Verband jetzt „von Nazis unterwandert“ wird. Gerade in Berlin war noch nie ein organisatorischer oder ideologischer Unterschied zwischen den Parteikadern und den Neonazis aus dem Kameradschafts-Spektrum zu erkennen. Die Personalie Schmidtke zeigt nur zu gut, mit welchen Mitteln die Berliner Neonazis auch in der NPD ihre Ziele durchzusetzen versuchen – Gewalt und rechter Terror sind dabei mit einkalkuliert. Es ist abzusehen, dass durch die Wahl Schmidtkes zum Vorsitzenden die Position des Neonazi-Netzwerkes NW Berlin weiter gestärkt wird. Treffpunkte wie der NW-Stützpunkt in der Lichtenberger Lückstraße 58 können nun mit weiterer Unterstützung rechnen. Neonazis, die Gerichtsprozessen ausgesetzt sind, können ebenfalls auf Schmidtke zählen. Seine erste Amtshandlung war die Auferlegung eines Soli-Euros, den jedes Berliner NPD-Mitglied mit dem Mitgliedsbeitrag monatlich für anstehende Gerichts- und Anwaltskosten zahlen muss. Der Kampf auf der Straße kann also weitergehen.

 

Antifa Hohenschönhausen, Februar 2012

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Älterer Artikel über Sebastian Schmidtke (NPD) und die "Autonomen Nationalisten Berlin". Obwohl der Artikel die Situation in Berlin von 2003 bis 2005 behandelt, ist er immer noch aktuell in Bezug auf die "Autonomen Nationalisten" und Schmidtkes Engagement in dieser Szene, als Teil dieser Szene und bis heute als führender Kopf dieser Szene.

Antifaschistisches Infoblatt
http://www.nadir.org/nadir/periodika/aib/archiv/63/16.php

Sebastian Schmidtke (Rotes "Che Guevara" - Shirt) vermummt auf Nazi-Demo. Die "Autonomen Nationalisten Berlin" rufen die Parole "ANB is watching you! Fight the system, fight the jew!"

http://kanalb.org/index.php?play_id=637