Nach den Castoren ist vor den Castoren - Röttgens "politischer Starrsinn"

Juelich flyer

Trotz des heftigen Widerstands gegen den Castor-Transport ins Zwischenlager Gorleben und den weiteren Ausbau des Atommüllendlagers im benachbarten Salzstock gibt sich der Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) unbeeindruckt: Er sieht keinen Grund, den Bau zu stoppen und verweist auf den Beschluss der Vertreter aller 16 Bundesländer, die Mitte November beschlossen hatten, bis Mitte 2012 an einem Entwurf für ein Endlagersuchgesetz zu arbeiten. "Genau dieser politische Starrsinn Röttgens ist es, der uns empört und der zu dem Protest-Rekord im Wendland beigetragen hat", sagte  der Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI), Wolfgang Ehmke.

Schon der Dialog-Versuch Röttgens war gescheitert, weil er erst vollendete Tatsachen mit dem Weiterbau in Gorleben schuf  und dann mit den Kritikern reden wollte. "Ein Baustopp in Gorleben ist das Mindeste, um Vertrauen zu schaffen, aber auf dem Regierungsplaneten in Berlin ist man weit weg von der Wirklichkeit." 

 

Die BI sieht durch die Dauerproteste im Wendland  den politischen Druck erhöht, nun auch in der Endlagerdebatte und nicht nur in der Energiepolitik sich von Konzepten der 70er Jahre zu verabschieden.  “Röttgen bekommt nun eine Chance, zumindest mit einem Baustopp in Gorleben zu signalisieren", sagte Ehmke.

 

An die Adresse des niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister, der den Widerstand im Wendland – in Teilen – begrüßt hat, richtet der BI-Sprecher den Appell: "Briefe an den Parteifreund Röttgen reichen nicht mehr. Sie müssen klar machen, dass sich die Bevölkerung veräppelt fühlt, wenn der Neustart der Endlagersuche propagiert wird, aber lediglich in Gorleben weitergebaut wird."


Ein Beleg für das St. Florian-Verhalten innerhalb der Unionsparteien seien die Äußerungen des bayrischen Umweltminister Marcel Huber, der im Interview mit der Passauer Neuen Presse noch am 17.11.11 erklärte, "nach heutigen Erkenntnissen eignet sich keine geologische Struktur in Bayern, um dort Atommüll zu lagern". 

 

"Dieses Schwarze-Peter-Spiel haben wir satt, es ist unverantwortlich, außer neuen Worthülsen bleibt es beim Alten", kontert die BI.

 

 

Die BI weist die einseitige Darstellung des Einsatzleiters der “Castor-Polizei”,  Friederich Niehörster, und des niedersächsischen Innenministers Uwe  Schünemann zurück, dass der 13. Castor-Transport von hoher Gewaltbereitschaft vonseiten der Atomkraftgegner bestimmt gewesen sei. 


Zu den Vorhaltungen des Innenministers, die BI habe sich zu den  Aktionsformen nicht klar positioniert, sagte Ehmke: “Wir brauchen keinen Nachhilfeunterricht, denn wir haben den  Konsens der Gruppen im Wendland stets betont, dass von den Castor-Gegnern keine Gewalt ausgeht. Es war von Anfang an zu spüren, dass die  Polizei eine härtere Gangart als im Jahr zuvor wollte und die hohe  Zahl Verletzter auf Seiten der Atomkraftgegner spricht eine deutliche  Sprache”. 
  

 

 

 

 

Unterschriftenaktion 

 

Röttgen schaltet auf stur und will Gorleben weiter zum Atommüll-Endlager ausbauen, schreibt die Kampagnen-Organisation Campact.

 

“Die Proteste gegen den Castor und ein Endlager in Gorleben waren weit größer als erwartet. Doch Umweltminister Röttgen bleibt stur. Er ließ verkünden, dass er keinen Anlass sehe, die ‘Erkundung in Gorleben’ zu stoppen. Sprich: Er will den Salzstock weiter zum Endlager ausbauen.”

 

Weit über 30.000 Menschen haben bei Campact einen Appell an Röttgen gegen ein Endlager in Gorleben bereits unterzeichnet. Unterschreiben kann man bei http://www.campact.de/atom2/sn15/signer. 

 

 

Widerstand energischer und hartnäckiger

 

Der Widerstand gegen den Atommülltransport ins Wendland war dieses Jahr energischer und hartnäckiger als früher, obwohl diese Tendenz allerdings schon in den letzten Jahren zu erkennen war.

 

 

Das meinte Franziska, ein Aktivist, der seit Jahren ins Wendland fährt, in einem Gespräch, das bei de.indymedia veröffentlich wurde.  Hier einige Auszüge:



“Das Spektrum der Teilnehmer ist gewohnt breit aufgestellt; die Akteure des Widerstandes rekrutieren sich naturgemäß aus der „normalen“ Bevölkerung des Landkreises und Umweltaktivisten, aber Menschen aus dem linksradikalen Spektrum nehmen traditionell an den Protesten teil. Dementsprechend facettenreich stellen sich die Demonstrationen und Aktionen dar. Es gibt Schülerdemonstrationen, explizit gewaltfreie Sitzblockaden, teilweise öffentlich angekündigte Sachbeschädigungen an der Schiene, Ankettaktionen auf der Transportstrecke bis hin zu militanten Aktionen gegen Polizisten und ihre Infrastruktur. In der Regel harmonieren diese sehr doch unterschiedlichen Aktionsformen erstaunlich gut miteinander.

 

“Eine Art Sonderstatus im Vergleich zu anderen Protestkulturen nehmen meiner Meinung nach die Bauern ein, die mit ihren Treckerblockaden in den letzten Jahren für viel Ärger und Frust bei der Polizei sorgten.”

 

Zum langsamsten Transport aller Zeiten:

 

Die Vielzahl und das gute Zusammenspiel der verschiedenen Aktionsformen hat die Verzögerungen verursacht. Hervorzuheben sind hier natürlich die teilweise spektakulären Ankettaktionen, für deren Auflösung die Polizei Stunden benötigte oder gar – wie im Falle der Pyramidenblockade der bäuerlichen Notgemeinschaft vor ihnen kapitulieren musste. Eine Bedingung für das freiwillige Aufgeben der drei Bauern und der Bäuerin war, dass die Polizei offiziell eingesteht, dass sie den Betonblock nicht kaputtbekommen, ohne die Leute zu schädigen.”

Zur Konfrontationshaltung der Polizei:

 

“Mit der Polizei ging das ja im Prinzip schon am Donnerstagabend in Metzingen los. Da war ein Laternenspaziergang. Während der Zeit des Transportes verhängt die Polizei ein weitreichendes Demonstrationsverbot in der Region und dann gehen die Leute eben auf einen Laternenumzug. Auf jeden Fall sind dann nach diesem Spaziergang die Leute auf die Bundesstraße rauf und dann kam die Polizei gleich mit BFE und Wasserwerfer und hat die Straße leergeknüppelt. Das war recht überraschend. Also da hat sich die Gewaltbereitschaft der Bullen das erste mal abgezeichnet. Der Castor stand zu der Zeit noch in Frankreich.


“Ich habe allerdings nicht erkennen können, dass sich jemand von der Polizeigewalt hat einschüchtern lassen. Viele Menschen hatten vorgesorgt und sich mit Helmen, Schutzbrillen, Protektoren und anderen Mitteln gegen Polizeiübergriffe geschützt. Andere Aktivisten gingen offensiver zu Werke und so gab es einige böse Überraschungen für die Staatsmacht.”

 

 

 

152 Castoren sollen von Jülich nach Ahaus

 

 

 

Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen (SOFA Münster) merkt an, dass  für die Menschen im Wendland auf der einen Seite die Proteste ein großer Erfolg sind, sie auf der anderen Seite nun mit der weiter wachsenden Strahlenbelastung rund um Gorleben leben müssen.

 

 

“Der ganze Transport war angesichts der überhöhten Strahlenwerte ein Skandal und eigentlich illegal. Doch letztlich geht es der Bundesregierung und der Atomlobby darum, das Endlagerprojekt Gorleben durchzusetzen, das Gerede von der "weißen" Landkarte soll den Menschen nur Sand in die Augen streuen, denn der Salzstock wird ohne Pause weiter ausgebaut.

  

“Umso bewundernswerter ist die Ausdauer, die Fantasie und die Entschlossenheit, die im Wendland immer wieder rüberkommt. Ganze zwei Tage brauchte der Castor für die paar Kilometer von Hamburg nach Gorleben, denn überall saßen Leute auf den Schienen und den Straßen, hatten sich angekettet oder es fehlte der Schotter. Und leider fuhr die Polizei ganz zum Schluss nochmal ihre Wasserwerfer in Laase auf..

 

“Aber nun richtet sich der Castor-Scheinwerfer auf NRW: 2012 will die Bundesregierung die 152 "West-Castoren" aus dem Forschungszentrum Jülich nach Ahaus bringen. Das Forschungszentrum Jülich möchte sein Image aufpolieren, da stört der hochradioaktive Atommüll.

 

“Die ehemalige Kernforschungsanlage ist seit Jahrzehnten einer der Vorreiter der Atomforschung, vor allem in Sachen Hochtemperaturreaktoren. Auch die Urenco arbeitet dort mit 500 Angestellten an der Weiterentwicklung ihrer Gaszentrifugen für die Urananreicherung und selbst das Land Niedersachsen bewahrt in Jülich Atommüll auf!

 

“Die 152 West-Castoren sollen per LKW über die Autobahn nach Ahaus gebracht werden, über einen Zeitraum von einem Jahr ungefähr im Zweiwochentakt - wenn wir der Bundesregierung und dem Forschungszentrum Jülich nicht jetzt einen Strich durch die Rechnung machen.

 

“Die Zeit drängt, denn die Genehmigung vom Bundesamt für Strahlenschutz kann jederzeit erteilt werden. Doch letztes Jahr konnten wir mit einer entschlossenen Mobilisierung nach Gorleben die Castor-Transporte von Ahaus nach Majak verhindern - packen wir es also wieder an!”

 

Der Aufsichtsrat des Forschungszentrums Jülich hat gerade auf Druck der Bundesregierung eine Weiterlagerung der 152 Castoren in Jülich abgelehnt und besteht auf Abtransport. Die bisherige Lagergenehmigung läuft in Jülich Mitte 2013 ab.

 

Damit setzen Minister Röttgen (der auch CDU-Landesvorsitzender in NRW ist), Bundesforschungsministerin Annette Schavan sowie das Forschungszentrum voll auf Castor-Konfrontation, kommentieren die Anti-Atom-Gruppen im Münsterland. NRW scheiterte mit einem Antrag auf Weiterlagerung in Jülich.

 

Laut der Aachener Zeitung kommen die Castor-Transporteure in große Schwierigkeiten. Zum Einen seien noch nicht alle Prüfungen für die Erteilung der Genehmigung durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) abgeschlossen, zum Anderen müssten die 152 West-Castoren in Zweier-Packs über die Autobahn transportiert werden.

 

Wenn also jede Woche ein Castor-Transport à 2 LKW rollen soll, würde das Ganze anderthalb Jahre dauern. Theoretisch müsste dann aber bereits im Januar begonnen werden, um rechtzeitig vor Ablauf der Lagerungsgenehmigung fertigzuwerden.

 

Die Aachener Zeitung sieht deshalb bei all derzeit denkbaren Szenarien eine letztlich rechtsfreie Situation entstehen.

 

“Ihr seht: Die Castor-Pläne sind absoluter Wahnsinn und wir können Röttgen, Forschungszentrum & Co. die Rechnung noch ordentlich versalzen. Bundes-Atommüll-Minister Röttgen ist derzeit voll im Castor-Wahn und macht den Atom-Hardliner: Gestern kündigte er an, dass in Gorleben im Salzstock weitergebaut wird, heute nun also 152 Castoren von Jülich nach Ahaus”, schreiben die Münsterländer.

 

“Damit Röttgen & Co. damit nicht einfach so durchkommen, rufen die Anti-Atomkraft-Initiativen aus Jülich, Ahaus und dem Münsterland gemeinsam zu bundesweiten Protesten gegen diesen Castor-Wahnsinn auf. Aus dem Wendland wurde uns bereits Unterstützung zugesagt. Wir haben im Wendland erlebt, dass Castor-Transporte weiter auf starken Widerstand treffen. Wir brauchen keinen Atommülltourismus, sondern die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen, also z. B. der Urananreicherungsanlage in Gronau.

 

“Und so geht es los:

 

“1. Wir laden euch für nächsten Dienstag, 6. Dezember, um 20 Uhr zu einem außerordentlichen Bündnistreffen nach Münster in den Club Courage, Friedensstr. 42 (Hinterhof) ein. Dort wollen wir über den Aktionsfahrplan gegen die Castoren sowie die Demo am 18. Dezember in Ahaus beraten.

 

“2. Wir rufen nochmals dringend zur Teilnahme an der Demo am Sonntag, 18. Dezember, um 14 Uhr vor dem Atommülllager Ahaus auf. Bitte mobilisiert nach Kräften - wir müssen jetzt schnell ein starkes Signal gegen die Castor-Transporte und Röttgens Atommülltourismus setzen.

 

“3. Im Anschluss an die Demo findet am 18. Dezember um 16 Uhr ein großes Bündnistreffen in Ahaus statt, wo wir weitere Aktionen diskutieren und beschließen wollen.

 

“Noch sind die Castoren nicht losgefahren, sorgen wir dafür, dass Röttgen und das Forschungszentrum sich am Castor kräftig verschlucken.”

 

Unterzeichnet: Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen, BI "Kein Atommüll in Ahaus", SOFA Münster (www.kein-castor-nach-ahaus.de, www.sofa-ms.de, www.urantransport.de,

 

 

 

Es gibt einen Mobilisierungsflyer, der auch im Wendland tausendfach verteilt wurde. Damit wird auch zur Teilnahme an der Internationalen Urankonferenz am 4. Februar in Münster (