Ägypten: Internationaler Soli-Aktionstag

Free-Alaa

Vor über einer Woche wurde Alaa Abd El Fattah in Kairo festgenommen und in ein Militärgefängnis verschlepppt. Er ist einer der bekanntesten Aktivisten und bloggger des ägyptischen Aufstandes.

Er wurde unter dem konstruierten Vorwurf, am 9. Oktober Waffen gestohlen, Soldaten angegriffen und zu Gewalttaten aufgerufen zu haben, zu einer Anhörung vor ein Militärgericht geladen worden .

 

Am 9. Oktober war eine Demonstration der säkulären Grupppen in Kairo gegen die Angriffe auf die koptische Minderheit von bezahlten Schlägern und Angehörigen der „Sicherheitskräfte“ zerschlagen worden. Die Kämpfe, die die ganze Nacht andauerten, forderten mindestens 28 Tote. Alaa Abd El Fattah hatte als „muslimischer“ Unterstützer an der koptischen Demonstration teilgenommen und hinterher über die Gewalt der „Sicherheitskräfte“ im Internet berichtet.

 

Er weigerte sich, die Zuständigkeit der Militärberichtsbarkeit anzuerkennen.

(Auch nach Mubaraks Sturz sind Tausende von Menschen vor Gerichte des Miliärs gezerrt worden, die Abschaffung dieser Sondergerichtstbarkeit ist eine der zentralen Forderungen der säkulären Oppositionsgruppen).

 

Gruppen aus Ägypten rufen nun für den 12. November zu einem internationalen Aktionstag zur „Verteidigung der Ägyptischen Revolution- Für das Ende der Militärgerichtsbarkeit“ auf.

 

Sie fordern die sofortige Freilassung von Alaa Abd El Fattah und allen anderen, die in den Militärgefängnissen inhaftiert  sind

 

Wir dokumentieren einen Brief von Alaa Abd El Fattah in deutsch und den Aufruf der ägyptischen Gefährten in englisch:

 

„Ich hätte nie gedacht, die Erfahrung von vor fünf Jahren nochmal durchmachen zu müssen: nach einer Revolution, die den Tyrannen stürzte, kehre ich in sein Gefängnis zurück?

Erinnerungen überkommen mich, die Einzelheiten vom Leben der Inhaftierten: die Fähigkeit, auf dem Boden zu schlafen, neun Männer in einer Zelle, zwei mal vier Meter, die Lieder vom Gefängnis, die Gespräche. Ich kann mich aber überhaupt nicht mehr daran erinnern, wie es mir damals gelungen war, über Nacht meine Brille zu schützen. Allein heute ist schon dreimal jemand drauf getreten. Ich musste feststellen, dass ich dieselbe Brille auch letztes Mal im Gefängnis trug. Ich wurde damals, 2006, nach einer Demonstration für die Unabhängigkeit der Richter verhaftet. Jetzt bin ich wieder eingesperrt, warte wieder auf die Verhandlung und wieder werden mir irgendwelche fadenscheinigen Anschuldigungen gemacht. Der einzige Unterschied besteht darin, dass heute anstelle eines Staatsanwalts der Staatssicherheit ein Militäranwalt ermittelt: eine Veränderung, die zu unserer derzeitigen politischen Lage passt.

Letztes Mal war ich mit 50 Kollegen aus der Kifaya-Bewegung verhaftet worden. Dieses Mal bin ich alleine, in einer Zelle mit acht anderen, die nicht hier sein sollten. Sie sind arm und hilflos. Ihre Inhaftierung entbehrt jeglicher rechtlicher Grundlage. Das gilt sowohl für die Schuldigen als auch für die Unschuldigen unter ihnen.

Als sie erfahren haben, dass ich einer von den “Jugendlichen der Revolution” bin, haben sie angefangen, die Revolution zu verfluchen und davon gesprochen, dass es dieser Revolution nicht gelungen sei, das Innenministerium zu “säubern”. Die ersten zwei Tage habe ich damit verbracht, mir Foltergeschichten anzuhören. Sie handelten von einer Polizei, die sich stark dagegen wehrt, reformiert zu werden, von einer Polizei, die ihre Niederlage an den Körpern der Armen und Hilflosen rächt.

Diese Geschichten offenbaren mir die Wahrheit über die “Wiederherstellung der Sicherheit” auf unseren Straßen. Zwei meiner Mitinsassen sind zum ersten Mal im Gefängnis, zwei ganz normale Männer, ohne die geringste Spur von Gewaltbereitschaft. Ihr Verbrechen? “Bildung von bewaffneten Banden”. Aber klar, Abu Malak, die schwer bewaffnete Ein-Mann-Bande… Jetzt weiß ich, was das Innenministerium meint, wenn es uns jeden Tag von der Verhaftung gefährlicher Banden berichtet. Wir können uns wirklich zur Rückkehr der Sicherheit beglückwünschen.

In den wenigen Stunden, in denen Sonnenlicht in unsere dunkle Zelle vordringt, können wir das lesen, was ein ehemaliger Inhaftierter schön in arabischer Kalligraphie in die Wand eingraviert hat. Vier Wände sind vom Boden bis zur Decke mit Versen aus dem Koran bedeckt, mit Gebeten, Bittgebeten und Gedanken, die sich wie ein starker Wunsch nach Buße lesen.

Am nächsten Tag entdecken wir in einer Ecke das Datum der Hinrichtung dieses Häftlings und können die Tränen nicht mehr zurückhalten.

Die Schuldigen planen ihre Buße. Und was können die Unschuldigen tun?

Ich lasse die Gedanken schweifen, während ich im Radio die Rede des Generals bei der Einweihung des höchsten Fahnenmasten der Welt höre – der bestimmt alle möglichen Rekorde brechen wird. Ich frage mich: Wenn der Märtyrer Mina Danial während meines Verfahrens als “Volksverhetzer” bezeichnet wird, bricht das nicht den Unverschämtheitsrekord? Sie sind bestimmt die Ersten, die nicht nur jemanden töten und dann an seiner Beerdigung teilnehmen, sondern auch noch auf seine Leiche spucken und ihr ein Verbrechen vorwerfen. Vielleicht bricht unsere Zelle ja sogar den Kakerlaken-Rekord? Abu Malak unterbricht meinen Gedankengang und sagt: “Bei Gott, wenn die Revolution nichts gegen dieses himmelschreiende Unrecht unternimmt, dann wird sie untergehen, ohne auch nur eine einzige Spur zu hinterlassen.”

 

Alaa Abd El Fattah

 

Der Aufruf der ägyptischen Gefährten

 

A letter from Cairo to the Occupy/Decolonize movements & other solidarity movements.

After three decades of living under a dictatorship, Egyptians started a revolution demanding bread, freedom and social justice. After a nearly utopian occupation of Tahrir Square lasting eighteen days, we rid ourselves of Mubarak and began the second, harder, task of removing his apparatuses of power. Mubarak is gone, but the military regime lives on. So the revolution continues—building pressure, taking to the streets and claiming the right to control our lives and livelihoods against systems of repression that abused us for years. But now, seemingly so soon after its beginnings, the revolution is under attack. We write this letter to tell you about what we are seeing, how we mean to stand against this crackdown, and to call for your solidarity with us.

The 25th and 28th of January, the 11th of February: you saw these days, lived these days with us on television. But we have battled through the 25th of February, the 9th of March, the 9th of April, the 15th of May, the 28th of June, the 23rd of July, the 1st of August, the 9th of September, the 9th of October. Again and again the army and the police have attacked us, beaten us, arrested us, killed us. And we have resisted, we have continued; some of these days we lost, others we won, but never without cost. Over a thousand gave their lives to remove Mubarak. Many more have joined them in death since. We go on so that their deaths will not be in vain. Names like Ali Maher (a fifteen-year-old demonstrator killed by the army in Tahrir, 9th of April), Atef Yehia (shot in the head by security forces in a protest in solidarity with Palestine, 15th of May), Mina Danial (shot by the Army in a protest in front of Masepro, 9th of October). Mina Daniel, in death, suffers the perverse indignity of being on the military prosecutor’s list of the accused.

Moreover, since the military junta took power, at least 12,000 of us have been tried by military courts, unable to call witnesses and with limited access to lawyers. Minors are serving in adult prisons, death sentences have been handed down, torture runs rampant. Women demonstrators have been subjected to sexual assault in the form of “virginity tests” by the Army.

On October 9th, the Army massacred twenty-eight of us at Maspero; they ran us over with tanks and shot us down in the street while manipulating state media to try and incite sectarian violence. The story has been censored. The military is investigating itself. They are systematically targeting those of us who speak out. This Sunday, our comrade and blogger Alaa Abd El Fattah was imprisoned on trumped-up charges. He spends another night in an unlit cell tonight.

All this from the military that supposedly will ensure a transition to democracy, that claimed to defend the revolution, and seemingly convinced many within Egypt and internationally that it was doing so. The official line has been one of ensuring “stability,” with empty assurances that the Army is only creating a proper environment for the upcoming elections. But even once a new parliament is elected, we will still live under a junta that holds legislative, executive, and judicial authority, with no guarantee that this will end. Those who challenge this scheme are harassed, arrested, and tortured; military trials of civilians are the primary tool of this repression. The prisons are full of casualties of this “transition.”

We now refuse to co-operate with military trials and prosecutions. We will not hand ourselves in, we will not submit ourselves to questioning. If they want us, they can take us from our homes and workplaces.

Nine months into our new military repression, we are still fighting for our revolution. We are marching, occupying, striking, shutting things down. And you, too, are marching, occupying, striking, shutting things down. We know from the outpouring of support we received in January that the world was watching us closely and even inspired by our revolution. We felt closer to you than ever before. And now, it’s your turn to inspire us as we watch the struggles of your movements. We marched to the US Embassy in Cairo to protest the violent eviction of the occupation in Oscar Grant Plaza in Oakland. Our strength is in our shared struggle. If they stifle our resistance, the 1% will win—in Cairo, New York, London, Rome—everywhere. But while the revolution lives our imaginations knows no bounds. We can still create a world worth living.

You can help us defend our revolution.

The G8, IMF, and Gulf states are promising the regime loans of $35 billion. The US gives the Egyptian military $1.3 billion in aid every year. Governments the world over continue their long-term support and alliance with the military rulers of Egypt. The bullets they kill us with are made in America. The tear gas that burns from Oakland to Palestine is made in Wyoming. David Cameron’s first visit to post-revolutionary Egypt was to close a weapons deal. These are only a few examples. People’s lives, freedoms and futures must stop being trafficked for strategic assets. We must unite against governments who do not share their people’s interests.

 

We are calling on you to undertake solidarity actions to help us oppose this crackdown.

 

We are suggesting an International Day to Defend the Egyptian Revolution on Nov 12th under the slogan “Defend the Egyptian Revolution – End Military Trials for Civilians”

 

 

Weitere Informationen aus Ägypten in deutsch/ englisch auf http://egyptianspring.blogsport.de/

 

Informationen gesammelt und verbreitet von recherchegruppe aufstand http://uprising.blogsport.de/

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Ein Interview mit einem Aktivisten in Kairo

 

Ein Beitrag von Radio Dreyeckland:

http://www.freie-radios.net/44134

Es scheint als ob der "arabische Frühling" ohne Umwege in den "arabischen Winter" übergeht.

Der Sommer und der Herbst sind wohl verschwunden in den Verhaftungswellen des ägyptischen Millitärrates, der libyschen Ankündigung die Sharia einzuführen, bis hin zur tunesischen En-Nahda Partei und deren Wahlsieg.

 

Ich hoffe das beste für die dort leben Menschen, die sich nicht unter das Joch einer Millitärpunta oder einer religösen Staatlichkeit stellen wollen, mehr noch wir müssen uns für sie einsetzen, so das ihre Worte nicht verstummen!

 

!!!Free Alaa Abd El Fattah und allen anderen Aktivisten die für eine offenere und friedlichere Welt kämpfen!!!