Winke, winke! “Freie Kräfte” fliegen aus Leipziger NPD-Zentrum

Fence Off
Gute Sache: Die “Freien Kräfte” haben bereits Ende September ihre Sachen gepackt und die Odermannstraße 8 unfreiwillig verlassen. Hintergrund: Der Eigentümer Steven Hahn (Grimma) hat den Mietvertrag mit dem “Kulturverein Leipzig-West e.V.” auslaufen lassen, wohl nicht zuletzt wegen des anhaltenden Drucks, der gegen die Nazi-Aktivitäten vor Ort aufgebaut worden ist. 

Unser Motto “Keinen Tag länger das Nationale Zentrum” haben die Adressaten also freundlicherweise wörtlich genommen. Ob die NPD ihr Büro künftig auch alleine bewirtschaften kann, wird sich zeigen, immerhin gab es dort seit September keine Veranstaltungen mehr. Die “Freien Kräfte” haben womöglich schon eine neue Bleibe an der Wurzner Straße gefunden. Statt im “Nationalem Zentrum” treffen sie sich nun in bescheidenerem Ambiente – an einem Tresen.
Nach Informationen der antifaschistischen Kampagne “Fence Off” sind Ende September die “Freien Kräfte” – Mitglieder von neonazistischen Kameradschaften und des so genannten “Freien Netzes” – aus dem NPD-”Bürgerbüro” im Stadtteil Lindenau ausgezogen. 

Bisher war das NPD-Zentrum in der Odermannstraße 8 ein regelmäßiger Treffpunkt verschiedener Spektren der regionalen Naziszene. Insbesondere die “Freien Kräfte” veranstalteten dort seit Eröffnung im November 2008 etliche Konzerte und Schulungen, führten Kampfsporttraining durch und griffen wiederholt PassantInnen an. 

“Für die Leipziger Naziszene sind die jüngsten Entwicklungen ein herber Rückschlag”, kommentiert Anita Dudow, Sprecherin der Kampagne “Fence Off”. Die Kampagne fordert seit Anfang des Jahres mit vielfältigen Aktionen die Schließung des Lindenauer Nazi-Zentrums. Zuletzt beteiligten sich am 24. September 2.000 AntifaschistInnen an einer Protest-Demonstration. “Nun zeigt sich ganz deutlich, dass es sinnvoll ist, auf allen Ebenen einen handfesten Druck gegen Nazi-Umtriebe aufzubauen”, so Dudow. 

Vor die Tür gesetzt 

Druck gab es zwischenzeitlich auch durch ein Bauordnungsverfahren, weil bei mehreren Nazi-Veranstaltungen in der Odermannstraße 8 erwiesenermaßen gegen die Nutzungsauflagen verstoßen worden ist. Zwar ist das Verfahren ergebnislos eingestellt worden. Unabhängig davon gab es aber auch wiederholte Beschwerden durch AnwohnerInnen, unter anderem, weil die Nazis ihre Fäkalien mittels Gartenschlauch auf Nachbargrundstücke verteilt haben. 

Offenbar hat nun der Besitzer der Odermannstraße 8, der Grimmaer Steven Hahn, eingelenkt, auslaufende Mietverträge nicht erneuert und so einige seiner braunen Mieter vor die Tür gesetzt. Hauptmieter war bisher die Tarnorganisation “Kulturverein Leipzig-West e.V.”, bestehend aus Mitgliedern des NPD-Kreisverbandes und der “Freien Kräfte”. (1) Bei den “Freien Kräften” gärte ohnehin Unmut über die NPD, die monatliche Mietzahlungen in Höhe von 800 Euro forderte. (2) 

“Womöglich bedeutet der Rausschmiss einen neuerlichen Bruch der hiesigen Naziszene”, sagt Dudow. In der Vergangenheit hatten sich NPD und Kameradschaften in Leipzig immer weiter angenähert. Beispielsweise haben die “Freien Kräfte” seit 2008 die NPD-Jugendorganisation “Junge Nationaldemokraten” (JN) übernommen. 2009 sind außerdem Kader der “Freien Kräfte” für die NPD bei den Stadtratswahlen angetreten. Die Odermannstraße 8 galt seither als Paradebeispiel für die enge Zusammenarbeit, die “Freien Kräfte” betrachteten das NPD-Haus gar als ihr “Nationales Zentrum”. 

Keine Entwarnung 

“Aktuell lässt sich jedoch beobachten, dass die Aktivitäten im Nazi-Zentrum auf ein Minimum zurückgefahren werden”, sagt Dudow. Während es dort im August noch vier neonazistische Veranstaltungen gab (3), ist seit September ungewohnte Ruhe eingekehrt, neue Termine sind nicht bekannt geworden. 

“Allerdings bedeutet die Änderung der Mietverhältnisse nicht, dass Entwarnung gegeben werden kann”, sagt Dudow. Laut einer aktuellen Anfrage der Fraktion Die Linke im sächsischen Landtag sollen die “Freien Kräfte” mittlerweile “eine Gaststätte im Leipziger Osten” als Treffpunkt nutzen. 

Die Beantwortung der Landtagsanfrage wird womöglich mehr Klarheit über die neue Gemengelage bringen. “Wir sind gespannt, ob die Landesregierung und namentlich CDU-Innenminister Ulbig erneut erklären wird, von nichts zu wissen”, sagt Dudow. Bei früheren Anfragen fielen die Antworten mit Hinweis auf angeblich “geheime” Informationen ausweichend aus, in einem Fall machte der Innenminister wissentlich Falschaussagen. (4) 

“So oder so, die Aktionen gegen das NPD-Büro werden nicht abreißen”, verspricht Dudow. “Wir gönnen den Nazis und ihrer Ideologie keinen Raum, egal wo.” 

(1) Siehe GAMMA-Ausgabe 187:  http://gamma.noblogs.org/files/2010/12/gamma187_web.pdf 
(2) Siehe das Dossier derselben GAMMA-Ausgabe:  http://gamma.noblogs.org/files/2010/12/hart-doku-web.pdf 
(3) Details unter  http://www.fenceoff.org/?p=1110 
(4) Siehe Pressemitteilung von chronik.LE vom 4. Februar 2011:  http://www.chronikle.org/dossier/sachsens-innenminister-ulbig-gibt-zweifelhafte-erkl%C3%A4rung-nazi-zentrum-leipzig