Mein linker Freund- Studenten aus Heidelberg klagen gegen heimliche LKA-Überwachung

Erstveröffentlicht: 
22.09.2011

Im Dezember 2010 ist Simon Brenner als LKA-Spitzel enttarnt worden. Er hat die linke Szene in Heidelberg ausspioniert. Seine Freunde traf die Nachricht wie ein Schock. Jetzt klagen sie gegen den Einsatz.

 

Über Monate waren sie jedes Wochenende zusammen unterwegs: in Kneipen, auf Partys und auf Demos. Wenn Axel Malsch, 27, vom ersten Treffen mit Simon Brenner spricht, klingt er fröhlich. Damals wusste er aber nicht, wer Simon wirklich ist. Der stämmige Student erzählt von der Grillparty für Erstsemestler. Die linke Hochschulgruppe Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband (SDS) hatte sie im April 2010 veranstaltet. Simon Brenner kam mit einer anderen Studentin. Man kam schnell ins Gespräch. Brenner sei ein richtiger Sunnyboy gewesen; Surfertyp mit langen Haaren, buschigen Koteletten und immer guter Laune. "Sympathie war gleich da. Wir haben viel zusammen gelacht. Man konnte ihn einfach nicht nicht mögen", sagt Axel Malsch heute über ihn.

 

Dennoch hat er Brenner seit dem 12. Dezember vergangenen Jahres nicht mehr wiedergesehen. An diesem Abend flog auf, dass der freundliche Simon Brenner ein Spitzel des Landeskriminalamts (LKA) ist. Eingeschleust, um die linke Szene in Heidelberg auszuspionieren. Der Schock sitzt tief: "Psychisch ist das eine komische Situation", sagt Malsch, "auf der Gefühlsebene ist das so als ob ein guter Freund gestorben wäre."

 

Axel Malsch hat den vermeintlichen Studenten Simon Brenner nach der Grillparty damals noch zu sich nach Hause eingeladen. "Wir haben länger gequatscht, und ich habe ihm ein Buch über mittelhochdeutsche Grammatik geliehen", erinnert sich Malsch. Das Buch hat er vor einigen Wochen per Post zurückbekommen. Absender: Landeskriminalamt Baden-Württemberg. Beiliegend ein Brief, in dem steht, dass Malsch nicht Ziel der Ermittlungen war. "Diese Maßnahme war allerdings nicht gegen Sie gerichtet, sondern Sie waren durch diese Maßnahme unvermeidbar betroffen", schreibt das LKA. Malsch: "Es ist das erste Mal, dass das LKA den Spitzel-Einsatz offiziell zugegeben hat."

 

Der Presse gegenüber sagt das LKA bis heute nichts zu dem Vorfall: "Wir äußern uns gar nicht zu verdeckten Ermittlungen", erklärt der Pressesprecher des LKA.

 

Die Liste von gemeinsamen Aktivitäten mit Simon Brenner ist lang: Sie besuchten den Rosa-Luxemburg Lesekreis, waren zusammen bei diversen Bildungsstreik-Demos, Demos gegen Nazis oder Aktionen gegen Atomkraft.

 

Misstrauisch wurde Malsch aber nie. Warum auch? Brenner war stets hilfsbereit und zuvorkommend. Fast zu hilfsbereit, meint Malsch heute und zuckt mit den Schultern. "Es ist eine absurde Vorstellung, dass man sein ganzes Leben nur vorspielt."

 

Heute spricht bei der SDS keiner mehr von Simon, wenn es um den ehemaligen Freund geht. "Wir nennen ihn nur noch "der Spitzel", oder "Brommer", das ist sein richtiger Nachname", sagt Malsch. Damit will er sich von der Freundschaft distanzieren. Denn Simon sei kein richtiger Freund gewesen, er habe wohl nur seinen Job gemacht.

 

An den Abend des 12. Dezember vergangenen Jahres erinnert sich Axel Malsch noch genau. Kurz vor Mitternacht wird er von einem Genossen angerufen. Die Nachricht lautet: Simon Brenner ist ein Spitzel von der Polizei. Malsch reagiert erstmal skeptisch. Fragt nach: "Ist das sicher? Woher weißt Du das?" Nicht die Beweislast ist erdrückend, Brenner hat es selbst zugegeben. Das ist ein Schock. Axel Malsch setzt sich mit seiner Freundin in die Küche und trinkt einen Schnaps. Das muss er erstmal verdauen. In dieser Nacht bekommt er kein Auge zu.

 

Simon Brenners Tarnung fliegt nur durch einen Zufall auf. Er wird auf einer Privatparty der Linken von einer jungen Frau angesprochen. Sie kennt ihn aus dem Urlaub und weiß, dass er bei der Polizei arbeitet. Nun wundert sie sich über sein Engagement in der linken Szene. Die merkwürdige Begegnung macht schnell die Runde. Die linken Gruppen beschließen, Simon zur Rede zu stellen. Der knickt sofort ein, gibt alles zu. Mehr als zwei Stunden lang stellen ihn die ehemaligen Freunde und Genossen zur Rede. Denn allen ist klar: Nach diesem Abend werden sie Simon Brenner nie wieder sehen.

 

Brenner habe in dem Gespräch zwar auch betont, dass die Freundschaften echt gewesen seien. Das glaubt ihm aber niemand mehr. "Das zu sagen, lernen sie bestimmt beim Spitzel-Training", sagt Malsch. Nein, wütend sei er nicht auf Simon, sagt Malsch. Wut empfindet er nur gegenüber denen, die den Einsatz angeordnet haben. Wochen später finden die Studenten in ihren Fachschaftsräumen eine Wanze. Wer die dort angebracht hat, darüber sind sich alle einig.

 

Mit dem Thema abgeschlossen hat die Szene der Linken in Heidelberg aber noch lange nicht. Sie fordert Aufklärung und hat deswegen jetzt Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe gegen den Einsatz eingereicht. Denn ohne jeglichen Straftatverdacht sei der Einsatz eines verdeckten Ermittlers nicht erlaubt.

 

Von den etablierten Parteien versprechen sie sich dabei keine Unterstützung mehr. "Es klingt paradox, aber der Regierungswechsel bei den Landtagswahlen war negativ für diesen Fall", sagt Malsch. Die Grünen hätten zuvor lückenlose Aufklärung gefordert, nach der Wahl interessiere sie das nicht mehr. "Das ist eine Frechheit der Grünen. Sie wollen das nun aussitzen", sagt er. Nicht einmal zur geplanten Podiumsdiskussion des Arbeitskreis Spitzelklage am 22. September schickten sie einen Vertreter. Titel der Diskussionsrunde: "Schwarze Spitzel - grüne Spitzel?"

 

Uli Sckerl, Innenpolitischer Experte der Grünen, weist diesen Vorwurf entschieden zurück: "Von Aussitzen kann keine Rede sein. Ich bin weiter an dem Thema dran." Allerdings räumt er ein, dass die Aufklärung schwieriger und langwieriger sei als er gedacht hätte. "Auch ich warte nach wie vor auf Informationen des Innenministeriums", sagt Sckerl. Er lässt allerdings nicht locker. In den nächsten Tagen hat er eine kleine Anfrage geplant, um den tatsächlichen Gründen des Einsatzes auf den Grund zu gehen. Zu der geplanten Podiumsdiskussion der Linken erklärt er, dass es keine rechtzeitige Terminabsprache mit ihm gegeben habe. "Es kann keine Rede davon sein, dass wir uns vor dem Termin drücken. Die Absprache war zu kurzfristig und uns wurde kein Alternativ-Termin angeboten." Möglichst bald sei nun ein Gespräch mit Innenexperten von Grünen, Sozialdemokraten und der Antifaschistischen Initiative Heidelberg geplant.

 

Eines ist für die linken Gruppen in Heidelberg aber ganz klar: Sie wollen sich von der Spitzel-Affäre nicht einschüchtern lassen und nicht allen neuen Mitgliedern gegenüber misstrauisch sein. "Wir gehen jetzt mit Humor an die Sache ran und sind trotzdem offen für Neue", sagt Malsch.

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Ganz viel mehr Interviews mit Betroffenen und Uli Sckerl, dem innenpolitischen Sprecher der Grünen Baden- Württemberg, zum Fall Simon Bromma, gibt es nachzuhören auf der Seite von Radio Dreyeckland www.rdl.de unter dem Tag Simon Bromma

 

die letzten beiden Interviews mit Michael Csaszkóczy von der AIHD vor und nach der Podiumsdiskussion "Schwarze Spitzel, grüne Spitzel?" gibt es hier zu hören...