Neue Studie zu Rechtsextremismus unter älteren Menschen

Erstveröffentlicht: 
27.05.2011

Rechtsextrem sind vor allem junge Menschen? Der Sozialwissenschaftlicher Dr. Peter-Georg Albrecht von der Hochschule Magdeburg-Stendal hat heute in Berlin eine Studie vorgestellt, die zeigt, dass diese Sicht zu eingeschränkt ist. Seine Studie heißt „Zivilgesellschaftliches Engagement älterer Menschen gegen Rechtsextremismus“ und ist mit der Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung entstanden, die sie nun auch veröffentlicht.

 

Peter-Georg Albrecht stellt fest: „Rechtsextremismus ist unter älteren Menschen ein absolutes Tabuthema – es herrscht Sprachlosigkeit. Dabei werden Wahlen mehr und mehr durch ältere Menschen entschieden. Wenn wir nicht wollen, dass ältere Wählerinnen und Wähler rechtsextreme Parteien wählen, müssen wir mit ihnen über diese Ideologie sprechen.“ Albrecht plädiert deswegen für eine bewusste Präventionsarbeit mit älteren Menschen und fordert: „Ältere Menschen brauchen positive Vorbilder, jemanden, der sie mitnimmt auf Veranstaltungen oder zu gemeinschaftlichen Aktivitäten.“

Die Bundestagsvizepräsidentin a.D., Prof. Dr. Rita Süssmuth, weist zur heutigen Studien-Veröffentlichung darauf hin: „Jede Generation muss aufs Neue lernen, die Demokratie zu verteidigen, weil sich auch die Art der Angriffe verändert.“ Die Studie nehme eine bisher in der Forschung vernachlässigte Generation in den Blick. „Gleichzeitig gibt es für die Gruppe älterer Menschen viel zu wenig Angebote und Förderung präventiver Programme gegen Rechtsextremismus.“ Diese Kombination sei gerade in Zeiten besorgniserregend, in denen rechte Parteien in vielen unserer Nachbarländer in die Parlamente und Regierungen einziehen. „Deswegen darf sich die Rechtsextremismusprävention nicht länger allein auf Jugendliche beschränken. Die Zivilgesellschaft und die Politik müssen ältere Menschen gezielt ermutigen, sich gegen Rechtsextremismus zu engagieren. Die Verteidigung demokratischer Werte muss in allen Altersgruppen verankert und gefördert werden. Jung und Alt können hier voneinander lernen und profitieren.“

„Ältere bringen mitunter Ressentiments und Vorurteile ins Spiel – und mit den Jüngeren kommt dann die Gewalt hinzu. Dies darf nicht unterschätzt werden“, sagte der Koordinator der Amadeu Antonio Stiftung, Timo Reinfrank. Zudem weist er darauf hin, dass Rechtsextreme bereits gezielt Seniorinnen und Senioren ansprechen: „Für die rechtsextreme Szene sind ältere Menschen schon länger eine interessante Zielgruppe. Neonazis tragen mit Volkstanz, Lieder- und Heimatabende zu einer eigenen rechtsextremen Erlebniswelt für ältere Menschen bei. Rechtsextreme Liedermacher wie Jörg Hähnel gehen gezielt in Seniorenwohnheime, um dort Liederabende zu veranstalten, und bieten – nachdem man sich kennengelernt hat, auch Fahrdienste zu Wahlen an – Wahlempfehlungen inklusive. Dementsprechend berücksichtigt die NPD in ihren Wahlprogrammen auch gezielt ältere Wählerinnen und Wähler.“

Zusammen mit der AWO ist die Amadeu Antonio Stiftung bereits mit dem Projekt “Generation 50plus aktiv im Netz gegen Nazis” in der Altenarbeit aktiv. Generationsübergreifend entwickeln ältere Menschen gemeinsam mit Jugendlichen auf www.netz-gegen-nazis.de Strategien gegen Rechtsextremismus. Ältere werden dabei fit gemacht in der Nutzung interaktiver Internetangebote, über Argumentationsstrategien Rechtsextremer im Internet und über entsprechende Gegenstrategien geschult. Eine der Erfahrungen des Projekts ist, dass viele ältere Menschen durchaus auf der Suche nach einem sinnvollen gesellschaftlichen Engagement sind und die Kombination mit dem Erlernen neuer Fähigkeiten – hier Nutzung des Web 2.0 – einen Anreiz darstellt, bisher vorhandene Interessen in Engagement zu wandeln.

Der Referent Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit beim AWO Bundesverband, Resa Memarnia, betonte die positiven Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Projekt und der partizipativen Arbeit der AWO mit älteren Menschen. “Durch den demografischen Wandel wird ein Anstieg der Anzahl der älteren Menschen und damit auch ihres Anteils an der Gesamtbevölkerung erwartet. Diesen Wandel so zu gestalten, dass Menschen in unserer Gesellschaft selbstbestimmt altern können, hat sich die AWO zur Aufgabe gemacht. Unser Ziel ist eine Stärkung der sozialen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die Förderung politischen Engagements und die Eröffnung von Partizipationschancen in der Gesellschaft der älteren Generation.“

Die Studie steht hier als pdf zum Download bereit.