Aus dem Amtsgericht: Verkehrszählung bis zum Erbrechen

Erstveröffentlicht: 
15.02.2010

Verkehrszählungen mögen grundsätzlich sicherlich sinnvoll sein. Die Verkehrszählung einer Göttinger Burschenschaft ist, wie man es dreht und wendet, völlig unsinnig.
Alfred (Name geändert) war bis Ende vergangenen Jahres Mitglied in einer hiesigen Burschenschaft. In dieser Eigenschaft hat er sich am 30. März 2009 mit ein paar Freunden dazu berufen gefühlt, den Verkehr im Friedländer Weg zu überwachen. Jeder Verkehrszähler bekam eine Automarke zugewiesen. Wenn ein Auto entsprechenden Fabrikats den Überwachungsraum querte, so die Vorschrift, musste ein Bier getrunken werden. Uhrzeit: 11 Uhr vormittags. Die Verkehrsüberwachung soll bis etwa 18 Uhr gedauert haben, in deren Verlauf zwischen 15 und 20 Liter Bier getrunken wurden.

Das mag Richter Oliver Jitschin nicht so ganz glauben. Alfred erklärt: „Wenn der Magen voll ist, wird er wieder leer gemacht.“ Bei seiner Verbindung, so Alfred, gehe es darum, „möglichst viel in kurzer Zeit“ zu trinken. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die „Verkehrszählung“ nur ein Vorwand zum Trinken war.

18 Uhr an besagtem Tag: Immer weniger Autos passierten den Friedländer Weg, weshalb der Standort gewechselt wurde. Es ging zu einer baltischen Verbindung. Das sei so üblich bei Göttinger Verbindungen. Man gehe nicht in die Disco, sondern besuche sich abends gegenseitig, so Alfred. Dabei trinke man um die Wette, „meistens Bier“ in verschiedenen Kategorien: vom 0,3-Liter-Glas bis zum Zwei-Liter-Pott. Auch das, so Alfred, werde „nicht alles bei sich behalten“. Bei den baltischen Kollegen gebe es aber zwei gravierende Unterschiede. Erstens werde kein Bier, sondern Wodka getrunken. Zweitens fliege vor die Tür, wer den Magen leer mache.

Nach weiteren 20 bis 40 Wodka (die Aussagen der Zeugen gehen da – verständlicherweise – auseinander) verließen sie das Haus und legten sich im Cheltenham-Park schlafen. Die von einer besorgten Passantin alarmierten Rettungskräfte waren den Burschenschaftlern indes wenig willkommen. Alfred wehrte sich mit Händen, Füßen und seinem Mundwerk („Wichshänschen“ und „Scheißbullen“) gegen die herbeigerufene Ordnungsmacht, weshalb er in der Ausnüchterungszelle landete. Am nächsten Morgen stellte sich heraus, dass er nicht nur seinen Mageninhalt, sondern auch seine Erinnerung irgendwo im Cheltenham-Park ausgespuckt haben musste: Alfred gab vor, von dem Abend nichts mehr zu wissen.

Der Gerichtsmediziner errechnet 2,63 Promille, obwohl ein Polizist aussagt, dass Alfred völlig klar gewesen sei. Wegen Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im Zustand verminderter Schuldfähigkeit muss Alfred jetzt 715 Euro bezahlen. „Wie die Saat, so die Ernte“ lautet der Wahlspruch seiner ehemaligen Burschenschaft. Treffender vermag man diese Angelegenheit kaum zusammenzufassen.