Einige Gedanken zu Castor?Schottern!

Castor? Schottern!

Vorne weg: Dieses Papier hat nicht den Anspruch, alle Aspekte der Kampagne Castor?Schottern! auszuwerten. Ein Beispiel für die Dynamik, die diese Kampagne entwickelt hat, ist die Tatsache, dass zum jetzigen Zeitpunkt (01/2011) fünf andere Auswertungspapiere vorliegen. Unser Text beschränkt sich daher darauf, an einigen Stellen – besonders im aktionsbezogenen Teil – zu ergänzen und an anderen Stellen Widerspruch zu formulieren.

 

Als beteiligte autonome Gruppe sehen wir die Kampagne Castor?Schottern! als Erfolg an, auch wenn quantitativ wenig Schotter pro Person bewegt wurde. Wir sehen sowohl die politische Auseinandersetzung und das Hineinwirken mit radikalen Inhalten in breite gesellschaftliche Kreise als geglückt an, als auch  die Bereitschaft von Tausenden sich in eine direkte Auseinandersetzung zu begeben und durch den Versuch der Sabotage die eigene Überzeugung  umzusetzen.


Ein Blick zurück in Raum und Zeit


Nach dem großartigen Widerstand gegen den Castor im Frühjahr 2001, der den Castorzug über einen Tag lang aufhalten konnte, schnürte die Polizei in den folgenden Jahren den Widerstand an den Schienen so weit es ging in seiner Bewegungsfreiheit ein. Mit einer massiven „Raumdeckung“ unterband sie schon das Betreten der Göhrde. An jedem größerem Waldweg wurden Polizeifahrzeuge postiert, Pferdestaffeln durchstreiften das Unterholz. Als letzter Rückzugspunkt konnte das Scheunencamp in Metzingen durchgesetzt werden. Dort, wo heute geparkt wird, standen damals Polizeifahrzeuge dicht an dicht und machten deutlich, dass das Camp jederzeit geräumt werden könnte.


Für eine derartige Raumdeckung musste ein Großteil der Polizeikräfte aufgewandt werden. Gleichzeitig fehlten diese Einheiten an den Schienen, was einzelne, gut organisierte, Gruppen immer wieder in die Lage versetzte, an die Schienen zu kommen. Spätestens 2006 war klar, dass die Polizei diese Strategie nicht länger durchhalten konnte, und sich darauf zurück zog, neben der Schiene nur noch die zentralen Waldwege zu kontrollieren. Unbefriedigend blieb dabei aber, dass die zahlreichen Kleingruppen, die immer wieder an die Schienen gelangten, dort kaum etwas ausrichten konnten.


Vor diesem Hintergrund gab es 2008 mit der Kampagne „gemeinsam zum Zug kommen“ einen ersten Versuch autonomer Gruppen die Kräfte der zahlreichen Kleingruppen an einem Ort zu bündeln. Der Erfolg waren etwa 15 Minuten Schottern und verbogene Schienen – großartig. Allen Beteiligten war jedoch bewusst, dass sich eine solche Aktion nicht einfach wiederholen ließe. Für 2010 war es notwendig mit mehr Menschen und einer ausgefeilten Strategie den sich weiterentwickelnden Polizeistrategien einen Schritt voraus zu sein.


2008 standen noch viele Menschen unentschlossen am Bahndamm und wussten nicht so recht, was sie an den Schienen ausrichten könnten. Die Kampagne Castor?Schottern! hingegen machte von Anfang an deutlich, worum es ging, und dass es keine Spezialist_innen brauchte um einzugreifen. Es war darüber hinaus richtig, den Schritt weg von der diffusen Mobilisierung nach irgendwo hin zu einem klaren Aktionsbild zu machen.

 

Dieses Aktionsbild war der Hintergrund, vor dem sich die auch für uns absolut bemerkenswerte Entschlossenheit der Aktivist_innen an den Aktionsorten entwickeln konnte. Wir glauben, dass die Kampagne Castor?Schottern! den Impuls von 2008 in die richtige Richtung weiter entwickeln konnte.


Kräfte bündeln


Mit dem Ansatz: „Ihr bekommt nichts hin, was wir nicht schnell wieder reparieren können“, war die Polizei in den vergangenen Jahren recht lückig an den Schienen aufgestellt, mit gerade so vielen Polizisten, dass sie kleine Gruppen weghauen konnten bevor diese substanziell etwas anrichten konnten.


Vor diesem Hintergrund halten wir den Versuch der Kampagne Castor?Schottern! auf möglichst hohem Organisierungsniveau so viele Aktivist_innen wie möglich auf eine Stelle zu konzentrieren weiterhin für richtig.
Die Tatsache, dass die Polizei durch den Einsatz aller Mittel unterhalb der Schusswaffe (Reizgas, Pferde, Wasserwerfer, Schlagstock) unseren Ansturm gerade so abwehren konnte, spricht nicht dagegen, dass dieser Versuch unternommen wurde.

All jene, die jetzt ein „Kleingruppenkonzept“ befürworten, seien an dieser Stelle an das Scheitern des P.A.U.L.A. Konzeptes beim G8 in Heiligendamm erinnert. So richtig damals der Versuch des Kleingruppenkonzeptes war, so deutlich wurde doch auch, dass es bedauerlicherweise zu wenige organisierte Kleingruppen gibt, die dieses Konzept aufgreifen.
Wir halten das Ausweichen in dezentrale Kleingruppenkonzepte als Castor–Gesamtstrategie für ein Verharren in alten Positionen, für zu defensiv. Dies sehen wir nicht im Widerspruch zu gut organisierten, militanten Kleingruppen, die ohnehin „ihr Ding“ machen.


Zwei Beispiele machen dies deutlich: Die rund 150 Menschen, die abgetrennt vom Nord–Arm rund 15 Minuten vor den organisierten Fingern beim ersten Anlauf auf die Schienen kamen, trafen kaum auf Polizei und konnten dennoch substanziell kaum etwas ausrichten. Und auch die 200 gut organisierten Schotter_innen, die am Montag morgen nur 10 Minuten vor dem Castor auf die Schienen kamen, schafften es nicht, einen substantiellen Schaden anzurichten – auch wenn die Polizeikräfte vor Ort vom Auftauchen der Aktivist_innen so kurz vor dem Zug vollkommen überrascht waren.
Für eine Weiterentwicklung des Schotterns sollte unserer Ansicht nach auf keinen Fall das Organisierungsniveau zurückgenommen werden. Im Gegenteil, es spricht vieles dafür, sich organisatorisch noch breiter auf zu stellen, und mit Gruppen von mindestens 500 Personen zu agieren.
Wir, und viele andere auch, haben mit Schottern etwas Neues ausprobiert, vieles hat hervorragend geklappt, anderes haben wir schon wieder vergessen und verworfen, und wir haben einiges dazugelernt was wir gerne in die nächste Kampagne einbringen wollen. Denn so gut wir die Kampagne 2010 fanden, eine Kampagne 2011 muss und wird anders aussehen.


Auf bisher nicht erreichtem Niveau – gescheitert?


Wir haben angekündigt ein Großes Loch machen zu wollen – wir haben es nicht geschafft. Scheitern sieht unserer Ansicht nach aber anders aus. Noch nie in den vergangenen 15 Jahren haben so viele Leute so gut vorbereitet den ernsthaften Versuch gestartet, die Schienen zu zerstören.
Dabei mag der subjektive Eindruck vom Verlauf der Aktion sehr unterschiedlich ausfallen. Während die rund 800 Menschen im ersten Finger des Süd–Armes (Violett–Grün) auf ganzer Breite in die nachrückenden Polizeieinheiten gerieten, und beim ersten Anlauf nicht einmal die Schienen sahen, kamen kaum 200 Meter weiter fast alle 500–800 Menschen des zweiten Südfingers (gelb–grün) auf die Schienen und sahen sich dort den bereits auf den Nord–Arm einprügelnden Bullen gegenüber. Nur so lässt sich die Motivation der beiden hinteren Südarme verstehen, die kaum eine halbe Stunde nach dem ersten Rückzug zu einem neuen Anlauf aufbrachen. Im Gegensatz zu den „violetten“ hatten viele „gelbe“ und „blaue“ das Gefühl, nicht ganz fertig geworden zu sein.
Manche sagen jetzt, die Aktion sei symbolisch gewesen – mitnichten. Zwar konnte die Polizei unseren Angriff auf die Schienen abwehren, aber der Preis dafür war erheblich. Den Versuch, die Göhrde zu kontrollieren, musste die Polizei vollständig aufgeben. Jenseits der Schienen konnten wir uns frei bewegen, uns reorganisieren und erneut zum Zug kommen.


Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang (gegen 16°°) ist es uns gelungen, die Polizei immer wieder an ihr Limit zu bringen. Gerade für die Abwehr des letzten Anlaufs gegen 14°° mussten bereits wieder aus der Göhrde abgezogene Polizeieinheiten zurück geordert werden, und andere Einheiten mit Hubschraubern eingeflogen werden.
Über die reine Strafvereitelung hinaus hatte die Polizei keine Kräfte mehr, um ihrem „Auftrag“ der Strafverfolgung gerecht zu werden. Schon wegen einer einzigen Person die sich wie beim Schottern vermummt, verkleidet und sichtbar schützt, würde normalerweise in Berlin, Hamburg oder Nürnberg eine ganze Versammlung aufgelöst werden.

[...]

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

die verbogene Schiene - über die ich mich heut noch sooo freue (http://wendland-net.de/files/5/4/FMDU4S5M87/__L.jpg)

warum wurd die eigtl nicht nach aussen gedrückt - damit in viel größerem Maße unbrauchbar!

Sonst schließ ich mich dieser Interpretation zum Schottern an.

...aber ohne dieses gruselige bündnis mit seinen "pressesprechern".

"massenmobilisierung" da dreht sich mir schon der magen um.

lass sich die leute alle auf die schiene setzen und sich in ihrer fünffinger salamitaktik bewegen. das funktioniert immer wieder wunderbar. die erreichen uninkriminiert mehr als wenn vorher immer wieder die gleichen scheinverfahren hochgekocht werden.

also hört auf autonome operationen in einen rechten konsens mit den grünen, der spd und der linkspartei zu stecken.

es operiert sich viel besser und unabhängiger wenn es keine groß angekündigten "verbotenen" aktionen gibt.

und eure mackersprecher könnt ihr erstmal in die tonne treten bevor es irgendeine weitere zusammenarbeit gibt.

Die Konfliktlinien werden in diesem Text komplett falsch dargestellt, und damit ist er unbrauchbar. So als ob es ein Kritikpunkt gewesen wäre möglichst viele Menschen mobilisieren zu wollen. Die Frage ist doch das Wie. Und als Autonome Gruppe da außer Acht zulassen, von welch einem Bündnis Castor? Schottern! ins Leben gerufen wurde, und das mit keinem Wort zu erwähnen ist schon ganz schön schlecht. Es sind dieselben Leute die schon seit Jahren versuchen alle radikalen Mobilisierungen im Umweltbereich zu vereinnahmen wie zum Beispiel in Kopenhagen.

Wieso kann man eigentlich nicht das Schottern mit dem Schienen verbiegen kombinieren?

Der Philosoph Günther Anders ist der Meinung, gegen die Atompolitik dürfe man auch mit Gewalt vorgehen: http://www.guenther-anders.net/protest.htm

Gruppe fels zu Castor?Schottern!: http://fels.nadir.org/de/527/labor-des-widerstandes

In der Tageszeitung "Neues Deutschland" wurde über Castor?Schottern! gestritten: http://www.neues-deutschland.de/artikel/185125.streitfrage-schottern-ein...

Text aus der ak: http://www.akweb.de/ak_s/ak555/42.htm

Außerdem im ak 557/2011: "Der Stein bestimmt das Bewusstsein. Auswertung und Ausblick zu Castor? Schottern! Schwellenängste teilweise abgebaut"