Deutsch-französischer Gipfel: Die Imperialisten feiern sich selbst

Sarkel und Kranz
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Erstveröffentlicht: 
09.12.2010

von Kai Nermagheimer

Wieder einmal wird für ein propagandistisches Großevent eine Stadt in den Ausnahmezustand versetzt. Wenn sich am 10. Dezember Merkel und Sarkozy zum Plausch in Freiburg treffen, werden tausende Bullen, Soldaten und Geheimagenten die Innenstadt faktisch zum Sperrgebiet machen. Ebenfalls wird mit zu Guttenberg, Westerwelle, Schäuble, Brüderle und Fillon der wichtigste Teil der politischen Elite zum Dinieren erscheinen.

Dass dabei Grundrechte ausgehebelt werden, versteht sich fast schon von selbst, denn schließlich „haben Kanzlerin und Staatspräsident Vorfahrt". Auch dass sich die Elite nur noch mithilfe von bewaffneten Kräften in Bataillonsstärke treffen kann, zeigt einmal mehr den Grad der Zustimmung zu deren Politik.

 

Deutsch-französische Spezialität: Krieg


Nach 2001 findet am 10. Dezember bereits der zweite „deutsch-französische Gipfel" in Freiburg statt. Wie damals sollen auch in diesem Jahr Stärke und Geschlossenheit der herrschenden Klassen Deutschlands und Frankreichs demonstriert werden. Außerdem soll natürlich die grandiose Zusammenarbeit der beiden imperialistischen Nationen gefeiert und vertieft werden.

Passend dazu wird zur Eröffnung des Gipfels ein Einblick gegeben, was man sich unter deutsch-französischer Zusammenarbeit vorstellen kann: auf dem Münsterplatz werden „militärische Ehren" zelebriert, voraussichtlich von der „deutsch-französischen Brigade". Diese Eliteeinheit, welche unter anderem in Müllheim in der Nähe Freiburgs stationiert ist, ist Teil der EU-Streitkräfte des Eurokorps. Als „schnelle Eingreiftruppe" ist sie für „friedenserzwingende Operationen" wie in Afghanistan zuständig, also Krieg und Terror - jederzeit, weltweit - zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen.

 

Doch nicht nur der Krieg nach außen ist eine Spezialität deutsch-französischer Zusammenarbeit, auch beim Krieg nach innen kann man auf Erfahrung bauen. Das aktuellste Beispiel ist dabei das Verprügeln von Castor-GegnerInnen im Wendland durch paramilitärische französische CRS-Truppen an der Seite der deutschen Staatsgewalt. Doch auch Einsätze wie zum Nato-Geburtstag in Strasbourg oder das europäische Polizeitraining zur Aufstandsbekämpfung in Lehnin sind Ausdruck derselben Politik zur Durchsetzung der Interessen der Kapitalisten.

 

Hierzu gehören auch die systematische Abschottung der EU-Außengrenzen mittels Frontex und die rassistische Abschiebepolitik in Frankreich und Deutschland, aktuell in Form von Deportationen von Sinti und Roma. Schließlich soll nur in die EU kommen, wer auch wirtschaftlichen Nutzen bringt. Sogar der Mord an Flüchtlingen wird dabei stillschweigend hingenommen. Auch Freiburg kann hier mit unmenschlichen Verhältnissen in Flüchtlingswohnheimen und dem (Abschiebe-) Baden-Airpark durchaus mithalten.

 

Frankreich und Deutschland spielen als zentrale Mächte innerhalb der EU eine Führungsrolle bei der rassistischen und imperialistischen Politik. Um diesen Führungsanspruch zu untermauern und auf weltpolitischer Ebene an Gewicht zu gewinnen, ist die Zusammenarbeit für deutsches und französisches Kapital bei allen Differenzen von Vorteil. Gerade in Zeiten der Krise haben Gipfel wie der in Freiburg eine Signalwirkung, stellen sie doch gleichzeitig auch eine Kampfansage an rivalisierende Mächte und die Lohnabhängigen dar.

 

Die Krise heißt Kapitalismus

Als Köpfe der stärksten Mächte innerhalb der EU stehen Merkel und Sarkozy stellvertretend für das Spardiktat gegenüber „Krisenverlierern" wie Griechenland und Irland. Sie sichern damit direkt die Interessen und Profite deutscher und französischer Banken und Konzerne. Der Anstieg der Staatsverschuldung in diesen Ländern - maßgeblich verursacht durch „Rettungspakete" an die nationalen Banken - wird nun auf Druck der EU und des IWF an die Arbeiterklasse dieser Länder weitergegeben. Es sind die ArbeiterInnen, die für die Krise des kapitalistischen Systems bezahlen sollen - und ohne erfolgreiche Gegenwehr auch bezahlen werden. Das Ende der Fahnenstange ist dabei vermutlich noch lange nicht erreicht, verfolgt man die Situation in Portugal, Spanien oder Italien. Einen Zusammenbruch einer dieser Staaten können sich EU und IWF dabei nicht leisten, könnte er doch zum Zusammenbruch des Euro führen und somit das gesamte Wirtschaftssystem in Gefahr bringen. Als Gradmesser der Lage können auch die Äußerungen verschiedener EU-Politiker gesehen werden, welche im Ende eines Staates wie Irland auch das Ende der EU sehen.

 

Die massiven Angriffe auf die Errungenschaften der Arbeiterklasse finden jedoch nicht nur in Ländern wie Griechenland und Irland statt, welche unmittelbar vor dem Bankrott stehen. Gerade die deutsche und französische Bourgeoisie sind sich sehr sicher, wer die Kosten der Krise bezahlen soll. Ob durch das „Sparpaket" der Bundesregierung oder durch die Erhöhung des Renteneintrittsalters in Frankreich - es werden massive Angriffe auf die Arbeiterklasse geführt. Dabei wird klar, dass es sich um einen europaweiten Angriff der herrschenden Klassen infolge der Krise handelt, der einen strategischen Sieg über die Lohnabhängigen bringen soll.

 

Gleichzeitig befeuert der Angriff der Bourgeoisie den Widerstand gegen ihre Politik, wie die Massendemonstrationen, Besetzungen und Streikbewegungen in Süd- und Westeuropa beweisen.

Welche Gefahr davon für die Kapitalisten ausgeht, lässt der Widerstand der französischen ArbeiterInnen, SchülerInnen und StudentInnen gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters erkennen, der Ende Oktober zu vorrevolutionären Zuständen in Frankreich geführt hatte. Sie demonstrierten, wer, welche Klasse zentrale Produktionsstätten lahm legen und die Herrschaft des Kapitals paralysieren kann.

 

Diese Widerstandsaktionen blieben aber allzu oft national isoliert, auf einzelne Sektoren oder einzelne Tage beschränkt. Dafür ist vor allem die reformistische Politik der Gewerkschaftsführungen verantwortlich. Dieses Dilemma können wir nur überwinden, wenn wir in den Betrieben, in den Gewerkschaften gemeinsam europaweit koordinierten Widerstand einfordern und zugleich den Aufbau von Anti-Krisenbündnissen in den Betrieben und Stadtteilen vorantreiben.

Autonome Konzepte wie der „Kontrollverlust" mit dezentralen Aktionen bieten keine Perspektive im Kampf gegen die Angriffe des Kapitals - und erst recht nicht für eine klassenlose Gesellschaft, da sie weder die Macht des Staates brechen, noch zur Selbstorganisation der ArbeiterInnen beitragen können.

 

Die Vorstellung, die Angriffe von Merkel und Sarkozy durch voneinander isolierte, unkoordinierte „dezentrale" Aktionen kleiner Gruppen zu stoppen, ist reines Wunschdenken, das aus der Not - aus dem Mangel an Organisierung und einer klaren Klassenperspektive des Widerstandes - eine Tugend macht.

 

Widerstand gegen Krieg und Kapital: Nein zum deutsch-französischen Imperialisten-Gipfel!


Beteiligt euch an den Anti-Krisenbündnissen! Bauen wir gemeinsam eine international koordinierte Widerstandsbewegung gegen Krise und Krieg auf!

 

Termine zur Mobilisierung gegen den Gipfel

 

10. Dezember, Freiburg

 

09:30 Uhr - Antimilitaristische Fahrraddemo,  Kommando Rhino (Vauban)

11:00 Uhr - Carnaval de résistance am  Bertoldsbrunnen/Innenstadt

13:30 Uhr - Kundgebung (Bündnis: Wir zahlen  nicht für euere Krise Freiburg), Platz der alten Synagoge

14:30 Uhr - Demonstration, ab Platz der alten Synagoge

 

11. Dezember, Freiburg

13:00 Uhr - Demonstration "Atomausstieg  ohne wenn und aber!" auf dem Rathausplatz

http://www.arbeitermacht.de/ni/ni155/gipfel.htm