Bahn bereitet den Abriss des Nordflügels vor

Erstveröffentlicht: 
31.07.2010
S 21. Unter massivem Protest und Polizeischutz wird die Baustelle abgesichert. Von Thomas Braun

 

Was von den Planern des Bahnprojekts Stuttgart 21 und der Polizei als Überraschungscoup gedacht war, hat sich gestern Abend vor dem Hauptbahnhof zu einer handfesten Protestaktion und einem massiven Polizeieinsatz ausgeweitet. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion sollte vor dem Nordflügel des Bahnhofs eigentlich überraschend schnell ein meterhoher Metallzaun errichtet werden, wohl, um nach den Zwischenfällen vom vergangenen Montag weitere Besetzungen des leer stehenden Gebäudetrakts seitens der Projektgegner zu verhindern und demnächst mit dem umstrittenen Abriss des Flügels beginnen zu können. Doch bevor die Baufirma, die zusammen mit der Polizei gegen 20.45 Uhr vor dem Bahnhof vorgefahren war, damit richtig beginnen konnte, hatte sich dort schon eine Vielzahl von Stuttgart-21-Gegnern versammelt, alarmiert durch E-Mails und Telefonketten.

Mit Transparenten und Trillerpfeifen bewaffnet blockierten die Aktivisten den Eingang des Bahnhofs, die knapp 150 Einsatzkräfte der Polizei, die noch eine zusätzliche Hundertschaft in Reserve hatte, beschränkten sich zunächst aber darauf, den Bereich vor dem Nordflügel freizuhalten. Die rechtlichen Voraussetzungen für das Aufstellen des Bauzauns seien erfüllt, betonte der Polizeipräsident Siegfried Stumpf, der den Einsatz vor dem Hauptbahnhof gestern selbst leitete. Man habe sich den Tag bewusst ausgesucht, weil wegen des Gelöbnisses der Bundeswehr auf dem Schlossplatz ohnehin viele Einsatzkräfte in der Stadt gewesen seien. Diese Kapazitäten habe man für den Einsatz nutzen wollen. „Wenn wir es später gemacht und angekündigt hätten", so Stumpf, „dann wäre das schnell bekannt geworden."

Lange hatte es freilich auch gestern nicht gedauert, bis sich das Lager der Stuttgart-21-Gegner formiert hatte. Immer mehr Demonstranten zogen im Laufe des späten Abends vor dem Bahnhof, insgesamt waren es rund 1000 Projektgegner. Sie skandierten „Wir bleiben hier", „Unser Bahnhof" und „Oben bleiben". Die Polizei versuchte mehrfach mit einer Durchsage, dass der Platz sofort zu räumen sei, dagegenzuhalten, wurde aber ein ums andere mal niedergepfiffen. In erster Reihe der Protestierer stand neben dem SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Werner Wölfle, der immer wieder versuchte die aufgebrachten Demonstranten zu beruhigen. Er wurde zusammen mit Rockenbauch von der Polizei weggetragen, beide Stadträte durfte sich aber gleich darauf wieder in die Menge der Aktivisten einreihen.

Gegen 23 Uhr hatte die Baufirma dann trotz der massiven Proteste den Metallzaun vor dem Nordflügel aufgestellt und verankert. Um zu verhindern, dass er gleich wieder eingerissen wird, wurde er die ganze Nacht von der Polizei gesichert.