Assad setzt weiterhin Giftgas gegen die eigene Bevölkerung ein

Erstveröffentlicht: 
22.07.2017

Westliche Geheimdienste bestätigten der WELT, dass Syriens Regierung weiterhin Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einsetzt. Offenbar versteht das Regime die jüngsten Signale der USA als Ermutigung.

 

US-Präsident Donald Trump hat vielleicht gelobt, Syriens Präsident Baschar Assad beim Gebrauch von Giftgas in die Schranken weisen zu wollen. Erst Ende Juni prahlte die US-Administration, sie habe mittels militärischer Drohungen einen großen Giftgasangriff der syrischen Armee vereiteln können.

Dies habe eine Reprise des Massakers in Khan Scheikhun in der Provinz Idlib verhindert, wo am 4. April rund 100 Syrer – darunter auch viele Kinder – durch den Einsatz des Nervengases Sarin ermordet wurden.

Doch wie die WELT nun aus Quellen der syrischen Opposition erfuhr, und wie westliche Geheimdienste gegenüber dieser Zeitung bestätigten, setzt Syriens Regime weiterhin ungestraft Giftgas gegen die eigene Bevölkerung ein.

Im Juli kam es wiederholt zu solchen Attacken: In Ghuta soll am 11. und am 14. Juli Chlorgas eingesetzt worden sein. In Ain Tarma in der Nähe der Hauptstadt Damaskus, wo Rebellen seit vier Jahren von Regierungstruppen belagert werden, soll Giftgas am 1., am 6., am 13. und am 14. Juli zum Einsatz gekommen sein.

Erneut mindestens neun Personen durch Sarin getötet

Beim letzten Angriff wurde laut Angaben westlicher Geheimdienste „mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Sarin eingesetzt“ – ein Gas, über das Syrien eigentlich gar nicht mehr verfügen sollte.

Mindestens neun Personen sollen durch diesen Angriff getötet worden sein. Doch auf all das reagierte die US-Regierung bislang nicht. Der Präsident scheint sich mit Russland über Syrien einig geworden zu sein – auf Kosten von Syriens Bevölkerung.

Die Symptome überraschen in Syrien inzwischen niemand mehr: der Geruch von Bleiche, tränende Augen, Atemnot und Husten bis zum Erbrechen, oder bis zum erbärmlichen Tod – die Folgen von Chlorgas. Andere kommen ohne den ätzenden Geruch, haben klitzekleine Pupillen und eine heiße Haut – dann waren Nervengifte wie Sarin im Einsatz.

„Giftgasattacken sind in Syrien das neue Normal“, sagte Dr. Zaher Sahloul, ein syrischer Arzt, schon vor einem Jahr der amerikanischen Nachrichtenseite „Newsy“. Dabei sollte es gar kein Giftgas mehr in Syrien geben. Schon 2013 arbeitete der damalige US-Präsident Barack Obama mit Russland ein Abkommen aus, laut dem Assad seine beachtlichen Giftgasbestände völlig zerstören sollte.

Trump hat sich mit Russland engagiert

Doch der hat offenbar erhebliche Mengen der Kampfstoffe insgeheim behalten, und setzt zugleich andere Chemikalien wie Chlor gegen politische Gegner ein, ungeachtet des Umstandes, dass dabei unschuldige Zivilisten ebenfalls zu Schaden kommen.

Das bewiesen unzählige Angriffe mit Chlorgas, und schließlich die tödliche Sarin-Attacke in Khan Scheikhun vergangenen April. Doch auch nach dem amerikanischen Angriff mit 59 Marschflugkörpern, den Trump kurz nach dem Giftgasangriff im April angeordnet hatte, hat sich offenbar nichts verändert.

Allen Drohungen zum Trotz hat der Mann im Oval Office sich scheinbar längst mit Assads wichtigster Schutzmacht – Russland – arrangiert. Und der Kreml scheint die zur Regel gewordenen Giftgaseskapaden seines Schützlings in Damaskus zu dulden.

Die Signale der USA versteht Assad als Ermutigung

Daran werden auch neue Sanktionen gegen 16 syrische Wissenschaftler und Militärs nichts ändern, die die EU Anfang dieser Woche verhängte. Schließlich sendet Washington ganz andere Signale Richtung Syrien: Schon im April hieß es aus Washington, die Absetzung Assads habe für die USA „keine Priorität mehr“.

Auf dem G20 Gipfel in Hamburg einigte Trump sich mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Juli auf einen Waffenstillstand in Südsyrien, der Assads Regime und seinen Verbündeten im Prinzip in dieser Region zum Sieger des jahrelangen, blutigen Bürgerkriegs erklärt – ungeachtet der von ihnen verübten Verbrechen.

Zugleich gab das Weiße Haus bekannt, dass es fortan die Waffenlieferungen an moderate Verbündete in Syrien einstellen wird. Eine weitere Ermutigung für Assads Regime. Das interpretiert diese Entwicklungen offenbar als grünes Licht aus Washington und Moskau, einen militärischen Sieg mit allen verfügbaren Mitteln anzustreben. Den Preis für den andauernden wahllosen Einsatz chemischer Waffen zahlt vor allem Syriens notleidende Zivilbevölkerung.