Fischen am rechten Rand - CDU-Mitglieder in fragwürdigem Mediennetzwerk aktiv

Erstveröffentlicht: 
10.07.2017

Ein auch in Hessen aktives Mediennetzwerk verbreitet nach Einschätzung des Verfassungsschutzes Meldungen mit rechtsextremen Inhalten. Nach Recherchen von hr-iNFO sind mehrere Mitglieder der CDU im Kreis Offenbach mit dem Mediennetzwerk verbunden.

 

Von Volker Siefert und Wolfgang Hettfleisch (hr-iNFO)

 

Sie heißen Sachsen-Depesche, Bayern-Depesche und Hessen-Depesche - sie verbreiten regionale, aber auch überregionale Nachrichten - auf den ersten Blick ganz seriös. Doch laut sächsischem und bayerischem Verfassungsschutz verbreiten die jeweiligen Regionalausgaben auch Artikel mit inhaltlicher Nähe zur NPD.

Im Hintergrund des verzweigten Medienverbunds agieren an zentraler Stelle vier Mitglieder der CDU im Kreis Offenbach.

  • Geschäftsführerin des Depeschen-Verbundes ist Angela Prokoph-Schmitt. Sie ist Mitglied der CDU Mainhausen.
  • Die Pressesprecherin der CDU Seligenstadt ist Anteilseignerin der Eigentümergesellschaft der Depeschen.
  • Ein CDU-Stadtverordneter in Seligenstadt ist Alleingesellschafter einer Firma, die auch im Unternehmens-Geflecht um die Depeschen eingebunden war.
  • Die Geschäftsführerin einer weiteren Gesellschaft, die zwischenzeitlich für die Herausgabe der Depeschen verantwortlich war, ist ebenfalls für die CDU im Mainhausener Kommunalparlament aktiv.

NPD-Politiker Forum gegeben


Zwischen unverfänglichen Meldungen sind in den Regionalausgaben der Depeschen in der Vergangenheit wiederholt Artikel mit rechtsextremen Inhalten aufgetaucht. In einem Artikel wird dem ehemaligen sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel eine Bühne geboten. Er schreibt dort unkommentiert über Deutsche, die "Freiwild für kulturfremde Asylbetrüger" seien.

Immer finden sich auf den Seiten Beiträge, die die Aktionen von NPD-Politikern begleiten. So wird etwa im Juni 2016 in kritikloser Form ausführlich über NPD-Politiker berichtet, die sich für eine Kundgebung in Dresden ankündigen: "Auch NPD demonstriert gegen 'Macht-Elite' und für 'Volksherrschaft'", heißt es da in der Sachsen Depesche.

Ausführlich wird auch auf die kommunalpolitischen Leistungen von rechtsextremen Politikern eingegangen - wie etwa im Oktober 2016, als ein NPD-Gemeinderat in Bad Schlema einen Kita-Antrag im Stadtparlament durchbekommt. 

 

Verfassungsschutz registriert NPD-nahe Beiträge


Für den sächsischen Verfassungsschutz ist die Sachsen-Depesche zwar kein Beobachtungsobjekt. Aber dem Landesamt ist bekannt, "dass in der Vergangenheit Rechtsextremisten, zum Beispiel Herr Gansel, für diese Publikation Beiträge lieferten".

 

Auch dem bayerischen Verfassungsschutz sind in der Bayern-Depesche in der Vergangenheit Meldungen aufgefallen, die eine Nähe zur NPD aufweisen. So wurden Positionen der "Bürgerinitiative Ausländerstopp" verbreitet, hinter der die NPD steckt. Auch in der Bayern-Depesche war NPD-Mann Gansel Autor. 

 

CDU-Mitglieder lassen Anfragen unbeantwortet


Anfragen zur Vereinbarkeit von NPD-nahen Inhalten mit den Werten der CDU haben die vier CDU-Mitglieder trotz mehrfacher Versuche bisher nicht beantwortet. Dabei sieht zumindest die Spitze des Ortsverband Mainhausen Klärungsbedarf. "Wir lehnen jegliche Aktivitäten unserer Mitglieder im Umfeld radikaler Organisationen strikt ab", sagt der stellvertretende CDU-Vorsitzende, Johannes Wegstein.

 

Die betreffenden Mitglieder sollen zu einer Stellungnahme aufgefordert werden. "Stellen wir Verstöße gegen die Statuten der CDU fest, werde wir unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um diese Mitglieder disziplinarisch aus der CDU zu entfernen", sagt Wegstein in hr-iNFO. Im Namen der CDU Seligenstadt distanziert sich ihr Vorsitzender Richard Georgi "von allen extremen politischen Positionen, dies betrifft sowohl rechts- wie linksextreme Parteien". Die privaten und geschäftlichen Aktivitäten der betreffenden Mitglieder will er nicht kommentieren. 

 

CDU Hessen nicht zuständig 


Der CDU-Landesverband Hessen sieht sich in der Angelegenheit für nicht zuständig. Bei 38.000 Mitgliedern könne man nicht Auskunft über jedes einzelne Mitglied geben, so ein Sprecher. "Haben Sie zudem Verständnis dafür, dass wir zu Fragen über unternehmerische Tätigkeiten von Einzelpersonen nicht der richtige Ansprechpartner sind."

 

Warum sich CDU-Mitglieder aus Mainhausen und Seligenstadt im Umfeld rechtsextremer Propaganda engagieren - die Antwort auf diese Frage steht noch aus. 

 

Journalisten mit erfundener Identität


Und noch eine Praxis der Depeschen ist erklärungsbedürftig. Bis vor kurzem wurden den Nutzern Journalisten als Autoren vorgegaukelt, für deren Existenz sich keine Belege finden lassen. Einer wurde in einem Steckbrief mit Foto als "Markus Fischer, Journalist, Weltenbummler und bekennendes Mitglied der FDP" vorgestellt. Das Foto des angeblichen Redaktionsmitglieds lässt sich einem Niederländer mit anderem Namen und Beruf zuordnen.

 

Einen anderer Beleg für den Einsatz von Fake-Journalisten kann man darin sehen, dass selbst Politiker, die häufig in der Hessen-Depesche auftauchen, keinen Depesche-Journalisten jemals gesehen haben. So hat der CDU-Landtagsabgeordnete Ismail Tipi der Depesche ein Interview gegeben, ohne sicher zu sein, wer der Interviewer war: Eine Mitarbeiterin habe ihm eine schriftliche Anfrage vorgelegt. "Die Fragen hab ich mir angeschaut, sie schriftlich beantwortet und zurückgeschickt". 

 

DJV-Chef: "Journalisten geben sich zu erkennen"


FDP-Fraktionsvorsitzender René Rock kennt weder die Journalisten Axel Frohmeier noch Roxana Miller, obwohl diese häufig in der Hessen-Depesche über ihn berichten. "Der Kontakt ist immer über E-Mail und an die Redaktion. Da kenne ich niemanden persönlich", so Rock. Die Depeschen-Geschäftsführerin, Angela Prokoph, erklärte dazu telefonisch: Man habe zeitweise Pseudonyme verwendet, um die Autoren zu schützen. Sie seien angefeindet worden.

 

Frank Überall, der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, kann das trotzdem nicht nachvollziehen: "Journalisten geben sich zu erkennen. Es kann Situationen geben, wo man sich ein Pseudonym zulegt, aber das ist üblicherweise nicht mit einer Legende verbunden. Dass man sich hier so eine Legende zusammenstrickt und damit im Internet auftritt, das ist unglaublich."