Polizeigewalt in Sonneberg? Ermittlungen nun auch gegen Demonstranten

Erstveröffentlicht: 
06.04.2017

Der Pfefferspray-Einsatz der Polizei gegen eine Sitzblockade in Sonneberg beschäftigt nun auch die Staatsanwaltschaft in Meiningen. Die Ermittlungen dazu dauern noch an, sagte Sprecher Jochen Grundler gegenüber Thüringen24 im Anschluss an ein Treffen zwischen den internen Ermittlern der Polizei und der Staatsanwaltschaft.

 

Die Justiz beschäftigt sich momentan mit zwei Anzeigen von Gegendemonstranten, die sie im Anschluss an die Thügida-Demonstration in Sonneberg am 31. März stellten. Am Rande der Demo räumte die Polizei kurz nach 19 Uhr eine Sitzblockade und setzte dabei Pfefferpray ein. Fotos dokumentieren den Einsatz des Reizgases. Ob dieser gerechtfertigt war, darüber muss jetzt die Staatsanwaltschaft entscheiden. Im April sei nicht mehr mit einem Ergebnis zu rechnen, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Jochen Grundler. 

 

Zwei Verletzte erstatten Anzeige gegen Polizeibeamte


In Meiningen weiß man von zwei leicht Verletzten, die nach dem Polizei-Einsatz über Rötungen im Gesicht klagten, so der Sprecher. Es könne noch weitere Verletzte geben, die bisher keine Anzeige erstattet haben, jedoch sei ihre Zahl für die Aufnahme der Ermittlungen unerheblich, heißt es. 

 

Innenministerium: Polizei hat Anzeige gegen Demonstranten erstattet


Auf Thüringen24-Anfrage teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit, dass auch die Polizei Anzeige gegen Gegendemonstranten gestellt habe – wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Weil die polizeiinternen Voruntersuchungen noch andauern, sind diese Anzeigen jedoch bislang nicht bei der Staatsanwaltschaft Meiningen eingegangen, wie Jochen Grundler bestätigt. 

 

Innenausschuss soll Landtag über Ermittlungen informieren


Unmittelbar nach der Veröffentlichung der Bilder vom Polizeieinsatz forderte der Landtagsabgeordnete Steffen Dittes (Linke) eine Erklärung vom Thüringer Innenministerium. Diese soll am 27. April bei der nächsten Sitzung des Innenausschusses erfolgen. Dessen Mitglieder sollen dort umfassend über den Stand der Ermittlungen und die rechtlichen Rahmenbedingungen für Polizeihandeln informiert werden. 

 

Einsatz nicht gerechtfertigt: Linksfraktion führt eigene Zeugenbefragung durch


Der Linken-Politiker hat infolge der Ereignisse Kontakt zu dem Fotografen, der die möglichen Beweisbilder gemacht hat, sowie zu nicht beteiligten Zeugen aufgenommen. "Aus den bisherigen Schilderungen, der Bildfolge und den gesammelten Beschreibungen der etwa ein bis zwei Minuten langen Szene hat sich für mich bisher keinerlei Anhaltspunkt ergeben, dass der Einsatz von Pfefferspray in auch nur irgendeiner Form verhältnismäßig oder gerechtfertigt war", so Steffen Dittes. 

 

Dittes fordert Regulierung des Reizgas-Einsatzes


Der Parlamentarier weist gleichzeitig auf die Gefahren von Pfefferspray für die Gesundheit bestimmter Personengruppen hin. "Es bestehen zum Beispiel Gefahren für Asthmatiker", so Dittes. Daher solle das Reizgas rechtlich nicht mehr als Hilfsmittel, sondern als Waffe erfasst werden, was eine stärkere Regulierung des Einsatzes zur Folge hätte. 

 

Gewerkschaft der Polizei kritisiert Berichterstattung


"Die Bilder, die wir da gesehen haben, lassen die Polizei schlecht dastehen", sagt Kai Christ, Vorsitzender der Gewerkschaft für Polizei Thüringen (GdP). Die anschließende Berichterstattung in den Medien sei "zu einseitig und zu schnell" erfolgt, so der Chef der Thüringer GdP. Eine bundesweit erscheinende Zeitung habe einem der abgebildeten Polizisten sogar ein Verfahren wegen Körperverletzung im Amt in der Vergangenheit angedichtet. 

 

GdP-Vorsitzender: Fall ist ohne Kontext schwierig zu beurteilen


Gleichwohl sei der Fall schwierig: "Auf den Bildern bekämpft die Polizei mit Reizgas eine ruhige und sich nicht bewegende Sitzgruppe", so Christ. "Wenn dem so war, dann ist Pfefferspray nicht das angebrachteste Mittel." Auf der anderen Seite fehle aber der nötige Kontext zu den Fotos. 

 

Künftige Ermittlungen könnten von Bodycams profitieren


"Bodycams hätten in diesem Fall viel geholfen", meint der Thüringer GdP-Vorsitzende. Deren Aufnahmen hätten Rechtssicherheit sowohl für die Beamten geschaffen, falls der Widerstand der Gegendemonstranten den Einsatz gerechtfertigt hätte, als auch für die Teilnehmer der Sitzblockade, falls es deren friedliches Verhalten dokumentiert hätte, so Kai Christ.