Salafisten und Reichsbürger fordern Verfassungsschutz Sachsen neu heraus

Erstveröffentlicht: 
09.04.2017

Den Verfassungsschutz in Sachsen erreichen immer mehr Hinweise auf islamistische Extremisten. Gleichzeitig radikalisieren sich immer mehr Menschen im Zusammenhang mit Flüchtlingen. Martin Döring, Sprecher des Sächsischen Verfassungsschutzes, erklärt vor der Veröffentlichung des neuen Verfassungsschutzberichtes, welche aktuelle Tendenzen es gibt.

von Katrin Tominski

 

Herr Döring, Sachsen ist gespalten und Terrorakte erschüttern die Welt. Sie haben gerade viel zu tun, oder?


Ja, in den vergangenen Jahren haben wir einen leichten Anstieg unserer Arbeit zu bewältigen. Im Rahmen des Zuzugs von Migranten ist das Hinweisaufkommen auf islamistische Straftäter gestiegen.

 

Flüchtlinge bringen also doch den Terror nach Deutschland?


Wir haben mehr Hinweise auf Personen mit einem islamistischen Weltbild. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Flüchtlinge unter Generalverdacht stehen. Die Mehrheit der Flüchtlinge kommt unter ehrbaren Absichten.

 

Ist die Terrorgefahr für Sachsen real? Immerhin haben wir es mit Dschaber al-Bakr zu tun gehabt.


In Sachsen treten islamistische Extremisten vor allem als politische Salafisten auf. Sie rufen nicht direkt zum Heiligen Krieg auf, dem Dschihad. Doch sie stellen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 unseres Grundgesetztes in Frage. Dieser Artikel gewährt die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau sowie allen Menschen, unabhängig von Herkunft, Abstammung und Glauben.

 

Sie erhalten mehr Hinweise auf Islamisten. Was sind das für Meldungen?


An vielen Hinweisen ist nichts dran. Oft haben sie auch persönliche Hintergründe. Manchmal wird auch auf dem Display des Schlafnachbarn in der Flüchtlingsunterkunft etwas entdeckt und gemeldet. Haben Sie Verständnis, dass ich nicht weiter auf Details eingehe.

 

Vor einem Jahr standen die Fremdsprachenkenntnisse des Verfassungsschutzes in der Kritik. Das Innenministerium räumte ein, dass lediglich einer von 187 Mitarbeitern Arabisch spricht. Wie wollen Sie so Islamisten ausfindig machen?


Wir verfügen in unserem Haus über Sprachkenntnisse. Eine Frau spricht fließend Hocharabisch, weitere Mitarbeiter verfügen über Arabisch-Kenntnisse. Zudem stehen uns Honorarkräfte zur Verfügung.

 

Sie arbeiten als Geheimdienst mit Honorarkräften?


Ja.

 

Wie können Sie sich derer Loyalität sicher sein?


Die Honorarkräfte durchlaufen – wie alle anderen Mitarbeiter auch – unsere Sicherheitsprüfungen. Wir gehen davon aus, dass diese funktionieren.

 

Islamistischer Extremismus ist nicht das einzige Problem in Sachsen?


Das ist richtig. Seit dem 1. Dezember 2016 haben wir die Reichsbürger als Beobachtungsobjekt dazubekommen.

 

Und, gibt es Neuigkeiten?


Schon jetzt können wir feststellen, dass Reichsbürger zunehmend aggressiv auftreten. Viele Reichsbürger handeln nicht als Gruppe, sondern als einzelne Personen. Wir sind noch dabei, uns ein Bild zu machen. Aktuell gehen wir von etwa 500 Reichsbürgern in Sachsen aus - Tendenz steigend.

 

Wie identifizieren Sie die Reichsbürger?

Derzeit warten wir auf die Zulieferung der sächsischen Kommunen. Von den Daten der dortigen Behörden erhoffen wir uns hilfreiche Informationen. Die Frage ist, wie viele Reichsbürger verfügen über Waffen? Deswegen gleichen wir die von uns erfassten Personen mit dem nationalen Waffenregister ab. Möglicherweise bekommen dann einige Bürger ihre Waffen abgenommen.

 

Bei den Reichsbürgern und auch den klassischen Rechtsextremisten wird dem Verfassungsschutz immer wieder vorgeworfen, er sei zu langsam.

Wir haben schon früh Alarm geschlagen. Doch bevor der Staat zu seiner schärfsten Waffe – dem Verbot – greift, muss er sich alles genau anschauen. Strukturen, die erst wenige Wochen bestehen, kommen nicht gleich ins Visier. Alles andere würde dazu führen, dass wir als Verfassungsschutz zum Narren gehalten werden.

Die mutmaßliche rechte Terrorgruppe "Gruppe Freital" steht gerade vor Gericht. Ist der Spuk jetzt vorbei?

Davon gehen wir nicht aus. Wir registrieren, dass sich immer mehr Personen im Kontext mit Flüchtlingen radikalisieren. Darunter sind auch Menschen, die vorher noch niemals aufgefallen sind. Rechtsextremismus bleibt eine Daueraufgabe und das größte Problem. Wir müssen damit rechnen, dass es zu weiteren Vorfällen wie in Freital kommen wird.

 

Sachsen galt in der Vergangenheit als schwarzes Schaf, oft wurde ein mangelndes Bewusstsein für Rechtsextremismus kritisiert.

Das hat sich geändert. Heute ist die Bevölkerung viel stärker sensibilisiert. Gerade in den Kommunen ist die Aufmerksamkeit mittlerweile viel größer. Das Bewusstsein, dass sich Strukturen mit der Strategie des "Nicht-Hinschauen" verschärfen, ist viel deutlicher.

 

Die Verantwortung liegt also auch in den Kommunen?

Der mündige Bürger ist aufgefordert, aktiv zu werden. Wir können nicht jeden Rechtsextremen in ein sozialpsychologisches Betreuungsprogramm aufnehmen. Gefordert sind alle Menschen, für die Werte ihrer Verfassung einzustehen. Wir haben nur den Anspruch, die zweitbesten Verfassungsschützer zu sein.