Sachsen - Gericht findet keine Zeit für rechtsextreme Ultras

Erstveröffentlicht: 
28.02.2017

Die Hooligangruppe Faust des Ostens terrorisiert Ausländer und Fußballfans, wird als rechtsextrem eingestuft. Seit Jahren verfolgen Ermittler die Gruppe. Doch zum Prozess kommt es nicht. Von Steffen Winter

 

Schon das Gründungsdatum verhieß nichts Gutes. Am 20. April 2010, Hitlers 121. Geburtstag, besiegelten in der Dresdner Torwirtschaft junge Hooligans einen Bund. Sie sahen sich als "disziplinierten Haufen von 50 Mann, der nicht besoffen, sondern motiviert die Bullen wegknallt". Polizisten, westdeutsche Fußballfans und Ausländer erklärten sie zum Ziel ihrer Angriffe. Ihr Name: Faust des Ostens (FdO).

An der rechten Gesinnung der Gruppe aus dem Fan-Umfeld von Dynamo Dresden gibt es keinen Zweifel. Nach Erkenntnissen von Ermittlern grüßen sich die Mitglieder mit Hitlergruß, brüllen "Ruhm und Ehre!", beleidigen Ausländer als "Kanaken", "Polacken" und "Judenfotzen". Für Schlägereien üben sie sich gemeinsam im Kampfsport. Der Verfassungsschutz stuft die Truppe, die zeitweise bis zu hundert Mitglieder umfasst haben soll, als rechtsextrem ein.

Einen solchen Klub marodierender Ultras kann der Rechtsstaat nicht dulden. Nach wiederholten Übergriffen auf Ausländer im Land mahnte Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) noch im vergangenen Jahr eindringlich: "Wir brauchen wieder einen starken Staat." Polizei und Justiz würden jetzt aufgestockt. Es müsse zügig zu Verurteilungen kommen. Der Fall der radikalen FdO-Hooligans zeigt das Gegenteil. Seit nunmehr sieben Jahren verfolgen sächsische Ermittler die Umtriebe der rechtsextremen Gruppe. Bereits im Juli 2013 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen mutmaßlich führende Köpfe, unter anderem wegen des Verdachts der Gründung einer kriminellen Vereinigung. Doch die Hooligans machen unbeirrt weiter, ein Prozesstermin ist bis heute nicht angesetzt. Warum?

Sie randalieren in Stadien, prügeln sich mit gegnerischen Fans. Ihre Gemeinschaftskasse sollen sie mit dem Verkauf von gestohlenem Alkohol aufgebessert haben. Ermittler fanden kistenweise Champagner von Pommery und Moët & Chandon. In einer Dresdner Diskothek soll eine Gruppe FdO-Hooligans auf Türken, Vietnamesen, Libanesen und Iraner losgegangen sein, einer mit einem Nothammer bewaffnet. Zeugen hörten "Sieg Heil!"-Rufe, "Dynamo!" und "Faust des Ostens!". All das floss in die 40-seitige Anklage von 2013 ein, die seither folgenlos bei der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden liegt.

Dabei muss man bei den Männern wohl längst von Intensivtätern sprechen. Laut Justizministerium wurden gegen die fünf Beschuldigten seit 2001 insgesamt 90 Strafverfahren eröffnet. Noch nach der Anklageerhebung sollen sie Straftaten verübt haben, darunter gefährliche Körperverletzung und Landfriedensbruch.

Selbst in Frankreich hinterlässt die Faust des Ostens Spuren. Bei der Fußballeuropameisterschaft dort im vergangenen Juni kam es bei einem Deutschlandspiel zu Krawallen mit ukrainischen Fans. Ein FdO-Anhänger postete Bilder von der Randale in Lille mit dem Satz: "Wir mischen mit."

Bei Ausschreitungen im linken Leipziger Stadtteil Connewitz Anfang 2016 setzte die Polizei FdO-Mitglieder fest. Beim Dresdner Stadtfest im August kam es zu einer Schlägerei mit Nordafrikanern. Einige Angreifer sollen Dynamo-Shirts getragen haben. Auch hier wird gegen ein FdO-Mitglied ermittelt, wegen besonders schweren Landfriedensbruchs.

Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung Sachsen kommt in ihrer Studie "rechts unten" zu dem Schluss, dass die rassistischen Ausschreitungen in der Region Dresden im Sommer 2015 "von dem immer gleichen Personenzusammenhang begangen wurden", offenbar vor allem von Hooligans aus Sachsen.

Zusammen mit anderen rechten Gruppen im Land bilden die FdO-Anhänger eine explosive Mischung. Die radikalen Fußballfans marschieren mit bei Pegida und Legida, sie wurden bei der Randale von Heidenau gesichtet. Auch als es Prügeleien um ein Zeltlager von Flüchtlingen in der Bremer Straße in Dresden gab, tauchten junge Männer aus dem FdO-Umfeld auf - an ihrer Seite Aktivisten der rechtsextremen Freien Kameradschaft Dresden.

Diese unheilvolle Verbindung hat die Bundesanwaltschaft bereits ermittelt. Ein ehemaliges FdO-Mitglied zählt zu den Angeklagten der rechten Terrorgruppe Freital. Die Dresdner Kameradschaft soll den mutmaßlichen Terroristen bei einem Anschlag auf ein linkes Wohnprojekt mit etwa 15 Mann assistiert haben.

Alles ist da, was es für ein Gerichtsverfahren braucht, bloß ein Termin ist noch immer nicht in Sicht. Die Dresdner Staatsschutzkammer will im Mai erst mal ein anderes Verfahren eröffnen - gegen eine Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes. Diese Anklageschrift liegt schon drei Jahre länger bei Gericht.