Friedensorganisation hilft Staatsanwaltschaft

Erstveröffentlicht: 
14.05.2010

Nach umstrittener Aktion gibt es Streit unter Kriegsgegnern: Die DFG-VK hat der Staatsanwaltschaft Namen von Mitgliedern genannt. Kritiker sprechen von Denunziation

Eine provokante Aktion sollte es sein, doch nun hat das „Schampussaufen“ bereits zum zweiten Mal internen Streit provoziert: Der Berliner Landesverband der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) hatte zu einem Umtrunk aufgerufen, sobald der nächste Bundeswehrsoldat in Afghanistan „fällt“. Das Motto: „Feste feiern, wie sie fallen“.

Einigen Gruppen in der DFG-VK hatte das von Anfang an nicht gefallen, sie forderten den Ausschluss der verantwortlichen Antimilitaristen aus dem Verband. Der Bundessprecherkreis distanzierte sich von der Aktion, letztlich wurde sie vom Ehrenmal der Bundeswehr zum Haus der deutschen Wirtschaft verlegt, um den satirischen Charakter des Umtrunks zu verdeutlichen. Eigentlich könnte man sagen: Die Aktion ist gelaufen.

Hausdurchsuchungen befürchtet

Doch nun gibt es neuen Streit, denn die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung und offenbar gibt es unter den Friedensfreunden auch unterschiedliche Vorstellungen davon, wie man mit der Staatsgewalt umgehen sollte. Der Bundessprecherkreis hat die Namen von drei Vorstandsmitgliedern des Berliner Landesverbands der Staatsanwaltschaft übermittelt - die Berliner sprechen von „Denunziation“. Sie befürchten, dass die Betroffenen nun mit Hausdurchsuchungen zu rechnen haben. Den Berliner Buchladen „Schwarze Risse“ hatte die Polizei schon vor kurzem deswegen durchsucht.

Die Berliner Friedensaktivisten schreiben in einer Erklärung, die auch auf dem alternativen Nachrichtenportal indymedia veröffentlicht wurde, die DFG-VK lasse sich „militärisch einbetten“. Es gehe um die Frage: „Lassen wir zu, dass die Staatsgewalt eine antimilitaristische Aktion kriminalisiert, und lassen wir zu, dass ein Friedensverband wie die DFG-VK sich als williger Helfer der Staatsanwaltschaft betätigt?“

Der Berliner Landesverband fürchtet in dem Fall einen Vertrauensverlust. Andere Friedensorganisationen müssten dann ihre Zusammenarbeit mit der DFG-VK „überdenken“: Wer beispielsweise Blockaden von Atomwaffenstandorten plane, wisse nun, „dass in der DFG-VK Zuträger der Staatsanwaltschaft sitzen.“

"Der Vorwurf der Denuziation ist haltlos"

Der Bundessprecherkreis weist die Anschuldigungen zurück. „Der Vorwurf der Denunziation ist beleidigend und haltlos“, schreiben vier Sprecher in einer gemeinsamen Stellungnahme, die dem Freitag vorliegt. Sie seien zu ihren Handlungen verpflichtet gewesen. Der Fünfte im Kreise, Monty Schädel, hat die Erklärung nicht unterschrieben. Der hatte sich am Tag zuvor in einem Interview mit der jungen Welt gegen die Weitergabe der Namen ausgesprochen.

Schädel will vermitteln und hatte sich deswegen in der letzten Woche mit den Berlinern getroffen. Das Gespräch fand am Donnerstagnachmittag statt, doch schon am Morgen hatte der Bundessprecherkreis den Brief mit den Namen abgeschickt. Für Bundessprecher Jürgen Grässlin kein Problem: Das Schreiben sei frühestens am Freitag bei der Staatsanwaltschaft eingegangen, Schädel habe die Berliner am Donnerstag informiert. „Somit bestand ausreichend Vorlaufzeit, etwaige sensible Daten und PCs in Sicherheit zu bringen.“

Grässlin sagt, der Sprecherkreis sei als Zeuge verpflichtet, die Namen zu nennen. Die Staatsanwaltschaft habe außerdem dem Bundesverband mit einer Hausdurchsuchung gedroht, sollte er nicht die Namen und Anschriften der Verantwortlichen rausrücken. Also reagierte der Sprecherkreis: Die Privatadressen wurden nicht übermittelt, die Namen dreier Landesvorstände aber schon. Grässlin sagt: „Damit konnte eine Hausdurchsuchung der Bundesgeschäftsstelle mit Beschlagnahmung der Daten aller Mitglieder und Anti-Kriegsaktion der DFG-VK abgewendet werden.“

War noch Zeit?

Frank Brendle, Mitarbeiter der Berliner DFG-VK, hält das für Panikmache: Solche Maßnahmen stünden „zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ gar nicht im Raum. Schließlich habe die Staatsanwaltschaft nur ein Fax geschickt. „Es gab noch nicht mal einen ordentlichen Brief.“ Außerdem würden Hausdurchsuchungen nicht vorher angekündigt. Vermutlich sei also noch Zeit gewesen – Zeit, die man hätte nutzen können, um im Gespräch zwischen Bundessprecherkreis und Berliner Landesverband eine Lösung zu finden.

Der Sprecherkreis weist die Kritik zurück. Nach der Distanzierung von der Aktion hätte sich der Berliner Landesverband „an uns wenden und für den Fall der Fälle gemeinsam mit uns Handlungsoptionen festlegen können“, heißt es in der Stellungnahme der vier Sprecher. Zudem seien die Namen von Vorstandsmitgliedern ohnehin öffentlich bekannt.

Aufwiegeln und Stimmung machen

Der Sprecherkreis vermutet, hinter den Anschuldigungen stecke „offenbar das Kalkül, Teile des Verbandes emotional aufzuwiegeln, um den Verband zu spalten.“ Brendle gibt zu, dass es ihm darum gehe „Stimmung zu machen“ - allerdings, um den Vorstand zum Rücktritt zu bewegen. Nur so könne die DFG-VK „halbwegs glaubwürdig“ bleiben.

Doch der Sprecherkreis denkt gar nicht daran – stattdessen fordert er von den Berlinern, den Vorwurf der Denunziation zurückzunehmen. Kommt es in der DFG-VK zum großen Krach? Beide Seiten beteuern, dass sie prinzipiell zusammenarbeiten wollen. Der Berliner Verband erklärt, er wolle nicht austreten und sei „daran interessiert, dass die DFG-VK eine handlungs- und bündnisfähige Kraft bleibt“ - allerdings werde man „bis auf weiteres dem Bundessprecherkreis keinerlei Informationen über geplante Aktivitäten zukommen lassen“. Und auch Bundessprecher Jürgen Grässlin sagt: „Wir wollen deeskalierend wirken und den Verband zusammenhalten.“