Eine Stadt stell sich quer

Erstveröffentlicht: 
11.02.2017

Von Karnevalisten, über Musiker und Politiker, bis hin zu Antifa-Gruppen. Zehntausende Gegendemonstranten werden bei den Protesten gegen den geplanten Bundesparteitag der AfD im April in Köln erwartet. Im Zentrum der Kritik steht derzeit das Maritim Hotel, das der Partei ihre Räume vermietet. 

Von Roland Kaufhold

 

Köln war noch nie ein gutes Pflaster für Rechtsextreme und Rassisten – und doch haben sie es immer wieder versucht. Im November 1992, nach den rassistischen Übergriffen in Mölln, Solingen und Hoyerswerda, versammelten sich 100.000 Menschen gemeinsam mit Kölns geeinter Musikerszene unter dem kölschen Motto Arsch huh, Zäng ussenander, um gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu protestieren. In Kölns Partnerstadt Tel Aviv wurden diese eindrücklichen Zeichen mit Sympathie und Erleichterung wahrgenommen. Im September 2008 gab es eine Neuauflage, als die Kölner „zeitgenössische Variante des Nationalsozialismus“ und Antisemitismus (Ralph Giordano) ihren „Anti-Islamisierungs-Kongress“ ankündigte: Ganz Köln stellte sich quer, Wirte und Hoteliers warfen die Rechtsextremisten raus, Taxifahrer weigerten sich, die Rechtspopulisten zu transportieren, Tausende blockierten die vorgesehene Marschroute. Nur etwa 100 Rechtsextreme versammelten sich am Heumarkt: Es war eine peinliche Lachnummer.

 

Dieses breite bürgerschaftliche und antifaschistische Engagement ist in Köln wieder gefragt – und vieles deutet darauf hin, dass es sich zeigen wird. Der antidemokratische Gegner ist gleich geblieben, wenn er nun auch unter einem anderen Namen auftritt.


Seit den unerträglichen Silvesterübergriffe 2015 versuchen verschiedene rechtsradikale Gruppierungen, Köln zum Aufmarschbecken zu machen: Am 31.12.2016 hatten die NPD sowie die Kölner AfD Versammlungen auf der Domplatte angemeldet, was jedoch vom Kölner Polizeipräsidenten verboten wurde.

 

Anfang 2017 folgten an zwei Samstagen gleich zwei Demonstrationen offen militanter rechter Gruppierungen, darunter bekennende Nationalsozialisten, im Zentrum Kölns sowie in Köln-Deutz. Es kamen nur 70 bzw. 110 Rechtsextremisten. Sie durften dennoch durch Köln marschieren, beschützt von 1000 und danach 1500 Polizisten. Die Proteste von Köln gegen Rechts und Köln stellt sich quer waren deutlich.


So ist es kein Zufall, dass die AfD am 22. und 23. April ihren Bundesparteitag ausgerechnet in Köln, und zwar am zentral gelegenen Maritim-Hotel durchführen möchte. Dies dürfte auch als Retourkutsche für eine Blamage vom 29. Oktober 2016 gedacht sein: Das sehr rechte „Compact-Magazin“ des Querfrontlers Elsässer hatte in den renommierten Kölner Sartory Sälen eine große Konferenz unter dem Titel „Für ein Europa der Vaterländer – Gegen Islamisierung und Fremdherrschaft“ angekündigt. Auch Björn Höcke sollte gemeinsam mit Vertreter der Identitären Bewegung und weiterer ausgewiesener sehr rechter Gruppierungen sprechen. Doch daraus wurde nichts: Der private Betreiber der Sartory Säle kündigte den Vertrag, als er erkannte, wer sich hinter der unscheinbaren Anmeldung verbarg. Stattdessen feierten am 29.10.2016 1500 Gäste gemeinsam mit zahlreichen Musikern und Künstlern unter der Moderation des Kölner Kabarettisten Fatih Cevikkollu in den Sälen ein rauschendes Fest gegen Rechts.

 

Der für das Wochenende 22./23. April angekündigte Bundeskongress der AfD ruft nun schon elf Wochen vorher sehr massive Proteste eines großen Spektrums unterschiedlichster Kölner Gruppen hervor. Vieles spricht dafür, dass die Proteste das Niveau des Jahre 1992 erreichen.


Der Sprecher des Bündnisses „Köln gegen Rechts“, Reiner Krause, teilte mit, Köln werde erneut zeigen, „dass eine Zusammenkunft von Rassisten, Rechtspopulisten und Rechtsextremisten hier nicht erwünscht“ sei.

 

Auf Einladung des Bündnisses „Köln gegen Rechts“ trafen sich Anfang Februar 100 Vertreter aus 40 antifaschistischen und antirassistischen bundesweiten Organisationen, um den Protest gegen den angekündigten AfD Parteitag zu organisieren. Am 22. April sollen ab den frühen Morgen mehrere Tausend Menschen den AfD-Parteitag blockieren. Weiterhin ist ab dem Heumarkt eine Großkundgebung quer durch das Zentrum der Stadt geplant. Und ab März wird es unter dem Motto „Solidarität statt Hetze. Der AfD die Show stehlen!“ eine Kampagne gegen die Maritim-Kette und Mahnwachen vor dem Kölner Maritim-Hotel geben, da diese Hotelkette bereits in mehreren Städten ihre Säle für AfD-Veranstaltungen zur Verfügung gestellt habe.

 

In einer Online-Petition des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Opfer haben bisher über 2000 Menschen die Maritim Hotelgesellschaft aufgefordert, ihre Zusage zurück zu ziehen und „dieser Partei keinen Ort mehr für ihre menschenverachtende Hetze zu geben.“

 

Doch die Proteste insbesondere gegen das Maritim-Hotel ziehen immer weitere Kreise: Am 7. Februar kündigten zahlreiche renommierte Kölner Musiker und Karnevalisten, darunter Bläck Fööss, Höhner, Brings, Paveier, Kasalla, Miljö, Querbeat, Björn Heuser, und Cat Ballou sowie Redner wie Bernd Stelter und Marc Metzger in einem offenen Brief dazu auf, das Maritim Hotel – in dem traditionell und schon seit Tagen nahezu täglich Karnevalsveranstaltungen stattfinden – zu boykottieren, wenn das Hotel den Vertrag nicht kündige. In einer gemeinsamen, sehr scharf formulierten Presseerklärung teilten die Kölner Musik- und Karnevalsgrößen mit: „Der Moment ist gekommen, an dem alle der Stadt Köln verbundenen Menschen fest geschlossen und Arm in Arm dagegen protestieren, dass unsere Stadt im April zur Bühne für die AfD im Kölner MARITIM Hotel“ werde.

 

Nachdem „eines der prominentesten Gesichter dieser Partei, Björn Höcke, in infamer und unerträglicher Weise das Erinnern an einen der grausigsten Völkermorde beschmutzt und herabgewürdigt hat“ sei die AfD „trotz vieler Worte und Pseudoempörung nicht bereit, die logische Konsequenz zu ziehen und dieses Mitglied aus der Partei auszuschließen.“ Dies lasse „Rückschlüsse auf den inneren Geist sowie die gefährliche und demagogische Ausrichtung dieser Partei“ zu. Sie alle – Kölner „Musiker, Redner, Karnevalsvereine, Tanzgruppen und Techniker“ – wären nicht bereit hinzunehmen, „dass in Kürze der AfD und Björn Höcke auf eben diesen Brettern der MARITIM-Bühne Gelegenheit gegeben werden soll, einer menschenverachtenden Gesinnung Gehör zu verschaffen. Diese Vorstellung bereitet uns tiefes Unbehagen!“ Köln stehe für „Weltoffenheit, Toleranz und nicht zuletzt Nächstenliebe.“ Sie wollten gemeinsam ein Zeichen gegen die „Spaltung unserer schützenswerten Gesellschaft“ setzen

 

Dem Aufruf haben sich nun immer weitere Kölner Musik- und Karnevalsgrößen angeschlossen, darunter auch das Festkomitee Kölner Karneval und die Roten Funken. Der Präsident der Roten Funken, Heinz-Günther Hunold, betonte gegenüber dem Kölner Stadt Anzeiger, die AfD habe einen weiteren deutlichen Ruck nach rechts gemacht: „Da muss man mit aller Entschiedenheit aufschreien und sich wehren“, fügte er hinzu. Das Maritim müsse den Vertrag kündigen, so wie dies im November bereits die Familie Sartory gemacht habe. Konkret schlug der Rote Funken Präsident vor, dass der Karneval den Termin übernehmen und dort statt eines sehr rechten Kongresses ein rauschendes „Fest der Kulturen“ feiern werde.

 

Darüber sei er auch mit allen anderen Korps im Gespräch. Hans-Georg Haumann, Präsident der Ehrengarde, fügte hinzu: „Auch die Ehrengarde ist auf demokratischen und liberalen Werten aufgebaut. Wir sind erschüttert über den Inhalt des Höcke-Zitats und dessen Dimensionen.“ Vor diesem Hintergrund solle man ernsthaft überlegen, ob eine AfD in dem Saal, in dem „wenige Wochen vorher die Grundwerte der Freiheit und Menschlichkeit gefeiert wurden, ihren Parteitag abhalten“ dürfe. Die Kölner Tanzkorps zeigten sich „fassungslos über die Aussagen von Björn Höcke zum Holocaust-Mahnmal. Und Christian Blüm und Peter Brings bezeichneten es unerträglich, dass der Parteitag in Köln auf einer Bühnen stattfinde, in denen sie spielten und feierten. Höckes Ausfälle seien ein Tabubruch und dürften nicht hingenommen werden. „Wenn einer ausunseren Reihen das getan hätte der hätte gehen müssen“, fügte Peter Brings hinzu.

 

Bömmel Lückerath, Gittarist der hoch angesehenen Bläck Fööss, bezeichnete es im Express als „unerträglich, dass eine sogenannte demokratische Partei solch widerliche, schamlose, ungeheuerliche Äußerungen eines ihrer führenden Mitglieder ungeahndet“ lasse. Das habe „nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun“, das sei „schlicht Geschichtsverleugnung, -fälschung“ und komme „der Holocaustleugung gleich.“ Und Sven Welter von Kasalla wandte sich dagegen, dass die „tragischen Ereignissen der Silvesternacht“, als Podium genutzt werden, „um populistische Nichtlösungen zu propagieren und Ängste zu schüren“. Die „schreiet danach aufzustehen, sich zu wehren und unsere liberale und offene Art zu leben zu verteidigen.“

 

Auch zahlreiche Kölner Politiker insbesondere von den Grünen und der SPD schlossen sich dem Vorschlag an, dass das Maritim den Vertrag mit der AfD kündigen müsse. Die AfD reagierte auf die angekündigten Proteste wenig souverän: Beatrix von Storch, stellvertretende Bundespressesprecherin der AfD, die in ihren Auftritten stets ihr heiteres Gemüt zeigt, bezeichnete die engagierten Kölner Karnevalisten in einem Twitter als „erbärmliche Gutmenschenfanatiker“. Die NRW-AfD unter Petrys Lebensgefährten Pretzell lieferte auf Facebook eine Steilvorlage für eine Büttenrede, indem sie fragte, ob „der Karneval zum Fall für den Verfassungsschutz“ werde und bezeichnete die Protestierer und Karnevalisten als „Antidemokraten“ und als „eine Schande für Köln und Deutschland“. Und der Kölner Kreisverband der AfD postete in feinster Politiksprache: „Ach herrje, uns schlottern die Knie! Mal sehen, wie „bunt“ und „weltoffen“ sich der aggressive schwarze Block diesmal verhält.“