Razzia gegen bayerische Reichsbürger

Erstveröffentlicht: 
08.02.2017

In mehreren Bundesländern führte die Polizei am Dienstag eine Razzia gegen Reichsbürger durch und stellte zahlreiche Schusswaffen sicher. Die Anhänger eines Bundesstaat Bayern sollen banden- und gewerbsmäßig „Urkunden“ ihres Fantasiestaates ausgestellt haben.

 

Am 7.2.16 durchsuchten rund 300 Polizisten die Wohn- und Geschäftsräume von Anhängern eines Bundesstaat Bayern. Sieben der Reichsbürger, gegen die die Ermittlungsgruppe Wappen der Erdinger Kriminalpolizei vorging, hätten als Vertreter dieses selbsternannten Staates banden- und gewerbsmäßig Urkundenfälschung begangen. Bei den restlichen Zielpersonen handele es sich um Sympathisanten und Erwerber der „Urkunden“ ihres Fantasiestaates.

 

Ziel der Gruppierung sei die „Schaffung eines ‚Deutschen Reichs‘, wobei die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannt wird“, heißt es in einer Meldung der Polizei, die den Reichsbürgern gestern die Existenz des echten Staates handfest demonstrierte. Der Schwerpunkt der Durchsuchungen gegen die 16 Beschuldigten im Alter von 40 bis 62 Jahren lag in Oberbayern, wo der vermeintliche Staat seine Verwaltung sieht. Laut dem Bayerischen Rundfunk (BR) wurden neben dem Einfamilienhaus in Landsham-Pliening und zwei nahen Objekten im Landkreis Ebersberg eine Adresse in Tuntenhausen im Landkreis Rosenheim durchsucht. Zudem lagen zwei Adressen in der Oberpfalz, fünf in Mittelfranken, je eine in Unterfranken und Schwaben. Zwei Objekte seien in Rheinland-Pfalz und schließlich eines in Baden-Württemberg durchsucht worden.

 

Erpressung, Nötigung und Amtsanmaßung


Die Beschuldigten beschäftigen, so die Polizei, bereits seit geraumer Zeit Ämter und öffentliche Stellen etwa mit Widersprüchen zu Pfändungs- oder Bußgeldbescheiden sowie Schreiben, in denen sie ihrer kruden Rechtsansicht Ausdruck verleihen und selbst Forderungen gegen die betroffenen Behörden erheben. Der Inhalt entspräche vielfach dem Tatbestand der versuchten Erpressung, versuchten Nötigung und Amtsanmaßung. Die bisherigen Erkenntnisse der Ermittler hätten zudem Anhaltspunkte für den Aufbau einer „Finanzverwaltung“ und eines „Gewerbeamtes“ ergeben. Es wurden „Staatsangehörigkeitsausweise“, „Führerscheine“, „Gewerbescheine“ und „Amtliche Lichtbildausweise“ ausgestellt und gegen Gebühr vertrieben. Im ersten Stock des Anwesens in Landsham-Pliening stellten die Einsatzkräfte zahlreiche Dokumente, Urkunden-Formulare und Speichermedien sicher. Zudem wurden mehrere tausend Euro Bargeld aufgefunden, die mutmaßlich aus Gebühren und „Steuereinnahmen“ stammen.

 

Spinnert…


Auf der „offiziellen Weltnetzseite des Bundesstaats Bayern“, der zum lässt sich die krude, völkische und geschichtsrevisionistische Auffassung der extrem Rechten Gruppierung im Original nachlesen:

 

„Wir, die indigenen deutschen Völker, sind eigenständige Menschengruppen gemäß § 6 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) und legitimieren uns aus den germanischen Völkern, die autochthonen Angehörigen der indigenen Völker des Staatenbundes Deutsches Reich, im Verfassungsstand 1871 und im Rechtsstand zwei Tage vor Ausbruch des 1. Weltkrieges (2. Deutsches Reich). Wir sind die Ureinwohner der angestammten (ab 1945 besetzten, später mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verwalteten) Territorien/Gebiete und wir erklären aus Gründen VN […] keinen Verzicht auf unsere indigenen, ureinwohnerrechtlichen, humanitären Rechte und wir sind nicht dem Artikel 116 GG zuzuordnen. Die Verwaltung BRD/Deutschland befindet sich auf dem angestammten ureinwohnerrechtlichen Boden der Gebiete der souveränen Staaten des 2. Deutschen Reichs, welche […] die Gebiets- und Territorialitätshoheit für ihre Völker haben. Wir, die Volkssouveräne der indigenen deutschen Völker, erklären hiermit ausdrücklich keinen Verzicht auf unsere Bodenrechte! […] Als Reisedokument bekommen wir den Heimatschein ausgestellt. […] Wir, die Volkssouveräne der indigenen deutschen Völker, übernehmen die Funktion des persistent objector“

 

… aber gefährlich


Klingt spinnert – und ist es sicher auch. Aber ungefährlich sind die sogenannten Reichsbürger nicht. Vor einer Verharmlosung warnt etwa die Amadeu Antonio Stiftung. Viel zu lange sei das „reichsideologische Milieu“ verharmlost worden. In Oberbayern gibt es nach einem Bericht des BR mit Bezug auf Angaben aus dem Innenministerium rund 700 Reichsbürger, davon besitzen etwa 110 eine waffenrechtliche Erlaubnis. In ganz Bayern leben etwa 1.700 Reichsbürger, von denen etwa 340 Waffen besitzen. Als Beamte eines Spezialeinsazkommandos (SEK) am 19. Oktober im fränkischen Georgensgmünd das Haus eines solchen durchsuchten, um ihm seine rund 30 Lang- und Kurzwaffen zu entziehen, eröffnete der Reichsbürger das Feuer, tötete einen der Polizisten und verletzte drei weitere.

 

Bereits Ende August soll der Gründer eines fiktiven Ministaat namens „Ur“ in Sachsen-Anhalt während der Zwangsräumung seines Grundstückes das Feuer eröffnet haben. Auf Grund dieser „aktuellen Gefährdungseinschätzung der Reichsbürgerbewegung“ musste die Polizei dann auch davon ausgehen, „dass Anhänger ihre Ideologie auch mit Nachdruck unter Gewaltanwendung verteidigen.“ Deshalb habe man Spezialeiniheiten wie das SEK hinzugezogen. „Außerdem hat die Polizei einem ‚Reichsbürger‘ seine legal besessenen Waffen abgenommen, da ihm die Waffenerlaubnis wegen Unzuverlässigkeit entzogen wurde“, erklärte der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann zu der Razzia gestern. Zusätzlich wurden bei anderen Reichsbürgern einige Schreckschusswaffen, eine zur scharfen Schusswaffe umgebaute Schreckschusswaffe, Munition sowie ein Schlagstock sichergestellt.