Sachsens Regierung muss erstmals Straftaten von „Reichsbürgern“ auflisten

Erstveröffentlicht: 
01.02.2017

Lange wurden «Reichsbürger» als verschrobene Verschwörungstheoretiker wahrgenommen. Dass sie ein Sicherheitsrisiko sind, steht nach zahlreichen Gewalttaten inzwischen fest. Erstmals liegen Zahlen für Sachsen vor.

 

Dresden . In Sachsen haben sogenannte Reichsbürger im vergangenen Jahr in erheblichem Umfang Straftaten begangen. Das geht aus einer erstmals vom Innenministerium veröffentlichten Statistik hervor. Demnach rechnet ihnen das Operative Abwehrzentrum von Januar bis 25. November 2016 insgesamt 254 Delikte zu.

 

Die Bandbreite reicht von Beleidigung, Nötigung und Widerstand gegen Vollzugsbeamte bis hin zu Diebstahl, Betrug, Körperverletzung, Volksverhetzung, schwerer Brandstiftung und sexuellem Missbrauch von Kindern. Die Linken-Politikerin Kerstin Köditz sprach am Mittwoch von einer «völlig neue Qualität». 

 

Problem der Reichsbürger bisher unterschätzt


«Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir es mit einer Gruppierung zu tun haben, die massiv Straftaten begeht», sagte Köditz der Deutschen Presse-Agentur. Die Extremismus-Expertin hatte die Zahlen per Kleiner Anfrage im Parlament erfragt. Mit einem solchen Ausmaß habe sie selbst nicht gerechnet. Sachsens Regierung habe das Problem der «Reichsbürger» in den vergangenen Jahren völlig unterschätzt.

 

«Ich frage seit vielen Jahren im Parlament nach. Es musste erst ein SEK-Beamter durch einen Reichsbürger ums Leben kommen, damit man sich des Problems in Sachsen annimmt», sagte Köditz mit Blick auf einen tragischen Fall in Bayern. Dort hatte ein «Reichsbürger» im Herbst 2016 einen Polizisten erschossen und drei weitere verletzt. «Reichsbürger» erkennen die staatliche Ordnung in Deutschland und folglich auch Entscheidungen wie Gerichtsurteile oder Steuerforderungen nicht an. Sie behaupten, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort.

 

Eine einheitliche «Reichsbürger-Bewegung» existiert nach Ansicht des sächsischen Innenministeriums nicht. Die Anzahl der Betroffenen belaufe sich auf eine mittlere dreistellige Zahl. Wenige Einzelpersonen würden der «Exilregierung Deutsches Reich» zugeordnet. Darüber hinaus sei die Gruppierung «Bundesstaat Sachsen» mit etwa zehn Leuten bekannt.