So schüchtern die Nauener Neonazis ihre Gegner ein

Erstveröffentlicht: 
13.01.2017

Sie versuchen Zeugen mundtot zu machen, dazu scheuen sie vor körperlicher Gewalt und Bedrohungen nicht zurück. Im Prozess gegen die Nauener Neonazi-Gruppe um NPD-Mann Maik Schneider wird immer deutlicher, wie Zeugen eingeschüchtert werden. Die Anklage gegen die sechs Männer ist mittlerweile deutlich reduziert worden.

 

Potsdam. Bedrohung, Einschüchterung, Beleidigung – je länger der Prozess gegen die Nauener Neonazi-Bande um NPD-Mann Maik Schneider andauert, desto klarer wird, mit welchen Methoden sie und ihr Umfeld versucht haben, Zeugen mundtot zu machen und belastende Aussagen zu verhindern. Auch am Donnerstag haben Zeugen berichtet, dass sie Angst hatten gegen die Angeklagten auszusagen. Eine sichtlich verunsicherte 21-jährige Altenpflegerin sagte über einen der Hauptangeklagten Dennis W.. „Ich hatte Angst, dass er irgendwann vor meiner Tür steht.“ Bei ihm könne sie sich alles vorstellen. Ein 22-jähriger Einzelhandelskaufmann bekam kurz nach seiner Aussage bei der Polizei Drohanrufe. Zunächst vermutete er, dass das mit dem Prozess zu tun haben könnte. Inzwischen glaube er, dass die Anrufe einen anderen Hintergrund hätten. Ganz überzeugt klang er nicht. 

 

Zettel mit Aufschrift „Verräter“ war am Auto eines Angeklagten


Eine 26-Jährige berichtete von bösen Blicken, die ihr in Nauen zugeworfen wurden. „Das gehörte dazu in Nauen“, sagte sie. In der Kleinstadt sei sie unten durch gewesen. Allein deshalb, weil sie im Prozess aussagen musste. Dazu passt auch die Aussage einer 22-jährigem Zeugin an einem der --ersten Prozesstage. Nach ihrer Einlassung bei der Polizei waren in Nauen Plakate aufgetaucht, die das Konterfei der Zeugin mit einem Davidstern auf der Stirn zeigten. Auch vor körperlicher Gewalt machten die Unterstützer der Nauener Neonazis nicht Halt. Die 22-Jährige bekam einen Tritt vors Schienbein verpasst.

Ebenfalls gedroht wurde dem Angeklagten Christian B., der Maik Schneider und Dennis W. stark belastet hatte. B. fand an seinem Auto einen Zettel mit einer klaren Botschaft: „Verräter“ stand darauf. 

 

Urteil wird Ende des Monats erwartet


Der Prozess neigt sich nach acht Verhandlungstagen dem Ende zu. Noch sind drei Termine (17., 19. und 24. Januar) angesetzt. Die Planung könne sich aber noch ändern, wenn weitere Beweisanträge gestellt werden, so eine Gerichtssprecherin. Und die könnte es geben, Schneiders Anwalt Ulli H. Boldt stellte den Antrag, einen Polizisten vom LKA in den Zeugenstand zu rufen. Der Beamte ist Prozessbeobachter. Boldt will durch eine Befragung herausfinden, ob der Polizist Kollegen auf ihre Aussagen im Prozess vorbereitet hat.

 

Am Donnerstag verkündete der Vorsitzende Richter Theodor Horstkötter, dass die Anklage weiter reduziert wird. In einem Anklagepunkt wegen der massiven Störung einer Stadtverordnetenversammlung solle der Vorwurf auf Nötigung beschränkt werden. Damit wird Schneider auch in diesem Fall nicht mehr als Rädelsführer einer Bande verfolgt. Der Vorwurf einer kriminellen Vereinigung war erst kürzlich von der Staatsanwaltschaft zurückgezogen worden. Schneider hatte vor dem Versammlungsraum mit Gesinnungsgenossen so lautstark randaliert, dass die Sitzung des Nauener Stadtparlaments im Februar 2015 abgebrochen werden musste. Das Stadtparlament wollte an dem Abend über ein Flüchtlingsheim entscheiden. 

 

In Nauen haben viele vermutet, dass Schneider hinter dem Anschlag steckt


Die Aussagen der Zeugen vom Donnerstag zeigten deutlich, welch Klima der Angst nach den Anschlägen in Nauen geherrscht haben muss. Viele Bewohner vermuteten, dass Schneider und W. hinter der Tat stecken könnten. Die beiden hatten im Vorfeld asylfeindliche Demos organisiert bzw. waren in der ersten Reihe mit dabei. Die 21-jährige Altenpflegerin sagte aus, dass sie W. Kurz nach dem Brandanschlag auf die Halle im Karpfen, der Stammkneipe der Angeklagten, gesehen habe. Hippelig und nervös sei W. gewesen und er habe dringend telefonieren müssen. Bei der Polizei sagte die 21-Jährige außerdem, dass sie W. Und Schneider dort wenige Tage später wieder gesehen hat. Damals soll eine Art Nachbesprechung des Anschlags stattgefunden haben. Vor Gericht bestritt die 21-Jährige dies lange. So lange, bis ihr von der Staatsanwalt ein Strafverfahren wegen Falschaussage angedroht wurde. Daraufhin berief sich die Altenpflegerin auf Erinnerungslücken.

 

Der 22-jährige Einzelhandelskaufmann, der am Abend des Brands ebenfalls im Karpfen war, erinnerte sich an einen „komischen Abend“. Die Stimmung in der Kneipe sei seltsam gewesen. Und er beschrieb anschaulich, welchen Einfluss Schneider auf andere junge Menschen gehabt haben muss. Der 22-Jährige erzählte, dass sich eine enge Freundin von ihm nur noch um „ihre Nazifreunde“ kümmern wollte, nachdem sie Schneider kennengelernt hatte. Außerdem hörte die junge Frau fortan rechtsradikale Musik und übernahm Schneiders rechtsextreme Einstellung.

 

Vor Gericht versuchen die Angeklagten ihre Taten zu bagatellisieren, sie als Unfall darzustellen. Eine SMS, die eine Zeugin kurz nach dem Brand der Halle erhalten hat, zeigt aber, mit welch gehässiger Freude sie darauf reagiert haben. Der Angeklagte Christopher L., er soll am Brandabend Schmiere gestanden haben, schickte eine SMS an eine Freundin: „Hast du schon gehört gehabt? Die Turnhalle brennt.“ Garniert mit einem lachenden Smiley.

Von Christian Meyer