Gesetzeslücke: Opfern rechter Gewalt droht Abschiebung

Erstveröffentlicht: 
27.11.2016

Vier Opfern rechtsextremer Angriffe droht die Abschiebung. Betroffen ist auch ein Flüchtling, der in Neustadt an der Orla attackiert worden war. Der Prozess gegen die Täter könnte damit platzen. Migrationsminister Lauinger kritisiert die geltende Rechtslage als "unzureichend". Der Grünen-Politiker fordert deshalb einen Abschiebestopp bei laufenden Prozessen.

 

von Stefanie Magiera und Johanna Hemkentokrax

 

Vier Opfern rechtsextremer Angriffe droht laut Opferberatung Thüringen "Ezra" die Abschiebung. Ein Sprecher sagte MDR THÜRINGEN, dass in keinem der vier aktuellen Fälle bisher ein Prozess gegen die Täter stattgefunden habe. Bei den akut Betroffenen handele es sich um Flüchtlinge aus der Balkanregion, die nach rechtsextremen Attacken durch "Ezra" betreut würden, so der Sprecher: "Sobald sie abgeschoben werden, gibt es keine belastenden Aussagen mehr gegen die Täter. Das würde bedeuten, dass die Täter dann freigesprochen werden." 

 

Lauinger hält Rechtslage für unzureichend

 

Migrationsminister Dieter Lauinger sagte MDR THÜRINGEN, einen Abschiebestopp gebe es bisher nur bei schweren Straftaten beziehungsweise Verbrechen. Er halte diese Rechtslage aber für unzureichend. "Ich persönlich glaube, es ist sinnvoll nicht nur Opfer von Verbrechen, sondern auch Opfer von Vergehen nicht abzuschieben", so der Grünen-Politiker. "Grundsätzlich gilt nach meiner Auffassung, wenn es ein Strafverfahren gegen einen Täter gibt, dann dürfe das Opfer bis zum Ende des Prozesses nicht abgeschoben werden." Seines Wissens handle es sich allerdings nicht um viele Fälle, bisher habe die Staatsanwaltschaft immer die Ausländerbehörde über das Verfahren informiert, sagte Lauinger. 

 

Auch Tschetschene von Abschiebung bedroht


Unter den aktuellen Fällen, die "ezra" betreut, ist auch ein 20-jähriger Tschetschene. Aslan K. war im September in Neustadt an der Orla zweimal am selben Tag von Rechtsextremen mit Schlagstock, Pfefferspray und einem Hund attackiert worden und soll nun abgeschoben werden. Für die Aufklärung ist das Thüringer Landeskriminalamt zuständig. Dort liegen die Akten derzeit. Man ermittle gegen zwei Täter, heißt es auf Anfrage von MDR THÜRINGEN. Die Staatsanwaltschaft sei noch nicht informiert worden. 

 

Opferberatung fürchtet weitere Abschiebungen

 

Die Thüringer Opferberatung fürchtet, dass viele weitere Angriffsopfer jederzeit mit einer Ablehnung ihres Asylgesuchs rechnen müssten, bevor es zum Prozess gegen die Täter komme. Auch in Thüringen sei die Zahl rechtsextremer Gewalttaten gestiegen, die Ermittlungsverfahren dauerten oft lange, gleichzeitig habe sich die Bearbeitungszeit der Asylverfahren verkürzt. Die Dunkelziffer der Betroffenen schätze man aber auch schon deshalb höher ein, weil nicht jeder rechtsextreme Angriff, insbesondere auf Flüchtlinge, auch gemeldet würde, so ein "Ezra"-Sprecher. 

 

Dauerhaftes Bleiberecht gefordert


Die Opferberatung fordert ein dauerhaftes Bleiberecht für Betroffene. "Um auch den Tätern das Signal zu senden: wenn sie jemanden angreifen aus rassistischen Motiven, bedeutet das für die Betroffenen dass sie hier bleiben dürfen ohne Einschränkungen." Mitte November war allerdings ein entsprechender Antrag der Partei "Die Linke" zur Änderung des Aufenthaltsrechts für Opfer rechter Gewalt im Bundestag gescheitert.