Szene-Streit: Militante Neonazis mobilisieren zum 1. Mai 2017 nach Halle/Saale

Erstveröffentlicht: 
20.11.2016

Nach den schweren Ausschreitungen am 1. Mai 2016 in Plauen gibt es innerhalb der Neonazi-Szene Auseinandersetzungen über das Auftreten bei Demonstrationen. Die Folge: Der neonazistische „Schwarze Block“ hat sich mit der Kader-Partei „III. Weg“ überworfen und mobilisiert für den 1. Mai 2017 nach Halle. 

 

Von Felix M. Steiner

 

Seit Jahren gehören die Demonstrationen der bayrischen Neonazi-Szene am 1. Mai zu den größten bundesweit. Mit dem Verbot des „Freien Netzes Süd“ und dem Übergang der Strukturen in die neonazistische Kader-Partei „Der III. Weg“ hat sich zwar das öffentliche Auftreten geändert, die Organisatoren und die Inhalte aber kaum. Nach einem Einbruch zeigte sich die letzten Jahre wieder ein deutlicher Anstieg der Teilnehmerzahlen. Die letzten drei Jahre folgten bis zu 900 Neonazis dem Aufruf der Strukturen rund um den „III. Weg“ und deren Führungskräfte. Spätestens seit 2015 zeigte sich eine Aktionsform der Neonazi-Szene, die ihre Hochzeit eigentlich schon vor knapp 10 Jahren hatte, erneut: Der „Schwarze Block“ aus selbsternannten Antikapitalisten völkischer Prägung.

 

Im Mai 2015 marschierte dieser militant auftretende Block in Saalfeld (Thüringen) erstmals in deutlich wahrnehmbarer und organisierter Form auf. Mit dabei waren vor allem Neonazis aus Hessen, Berlin, Sachsen, Bayern, Thüringen und Baden-Württemberg. Doch weit kam die Demonstration nicht: Die Situation eskalierte und die Polizei musste Tränengas gegen die gewaltbereiten Neonazis einsetzen. Nur ein Jahr später, am 1. Mai 2016 in Plauen, kam es zu ähnlichen Vorfällen. Nicht nur, dass Neonazis Gegendemonstranten attackierten, ihr militantes Auftreten führte auch 2016 zum Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas.

 

Die Struktur im Hintergrund: Die „Antikapitalistischen Kollektive“


Schon einige Zeit vor dem erneuten Auftreten eines neonazistischen „Schwarzen Blockes“ organisierte sich die Szene – vor allem in Hessen und Baden-Württemberg – unter dem Label der „Antikapitalistischen Kollektive“ neu. Sie dient als Koordinierungs- und Organisationsstruktur und führte im Sommer 2016 ein bundesweites Neonazi-Camp durch. Hinter der Struktur stecken altbekannte Neonazi-Führungskräfte aus Thüringen, Hessen und Baden-Württemberg, die nun unter neuem Label agieren.

 

Neben der Organisation des „Schwarzen Blockes“ sind die Strukturen vor allem rund um Frankfurt aktiv, wo Neonazi-Gruppen am Rande von Demonstrationen gegen die Eröffnung der Europäischen Zentralbank oder TTIP immer wieder versuchen, durch Aktionen ihre Ideologie zu verbreiten oder Aufmerksamkeit zu erhaschen. Dabei tritt hier zumeist ein Kern von Neonazi-Aktivisten von nicht mehr als 20 Personen in Erscheinung. So unbedeutend die „Antikapitalistischen Kollektive“ außerhalb der Neonazi-Szene sind, so anziehend sind sie vor allem für das aktionsorientierte Klientel innerhalb der extremen Rechten. Neben den üblichen „fähnchentragenden Demonstrationen“ bieten sie vor allem jüngeren Neonazis ein modernisiertes und aktionsreicheres Agieren. Hinzu kommt ein modernisierter Nazi-Lifestyle, der sich von den altbackenen völkischen Traditionen abhebt: LAN-Party statt Volkstanz oder Rap statt HJ-Liederbuch.

 

Der Szene-Streit verlagert die Mobilisierung zum 1. Mai


Bereits Ende Mai 2016 kursierten in der extremen Rechten Aufrufe aus dem Dunstkreis der „Antikapitalistischen Kollektive“, dass man am 1. Mai nicht zur Demonstration des „III. Weges“ nach Gera fahren, sondern die Konkurrenz-Veranstaltung aus dem Umfeld der Neonazi-Partei „Die Rechte“ unterstützen würde.

 

Weitere Neonazi-Gruppen schlossen sich diesen Aufrufen im Laufe des Jahres an und bezeichneten die Organisatoren des „III. Weges“ als „Spalter“. Außerdem wurden Vorwürfe laut, die Organisatoren der 1.-Mai-Demonstration in Plauen hätten Angehörige des „Schwarzen Blockes“ nach den Ausschreitungen als „Scheinkameraden“ und „Asoziale“ bezeichnet. Auf dem Bundesparteitag des „III. Weges“ Anfang Oktober schlugen auch deren Funktionäre keine versöhnlichen Töne an.

 

In seiner Rede zur Planung des 1. Mai 2017 sagte Tony Gentsch: „Ja, wenn ich sehe, wer sich in diesem Lager alles als national betitelt, dann können wir über so eine Aussage uns gegenüber nur froh sein, denn mit solchen Leuten wollen wir gar nicht gemeinsam auf der Straße stehen und schon gar nicht in Verbindung gebracht werden“. Außerdem demonstriere man nicht, um „mit irgendwelchen Halbstarken ‚Antifa Huhrensöhne‘ zu schreien“, so Gentsch weiter.

 

Dass die „Antikapitalistischen Kollektive“ seit Mitte November offen nach Halle/Saale mobilisieren ist wenig überraschend. Die Sicherheitsbehörden und auch die Organisatoren der Gegenproteste müssen sich also aller Voraussicht nach auf ein enorm hohes Gewaltpotential am 1. Mai 2017 in Halle einstellen, damit schwere Übergriffe auf Gegendemonstranten – wie in Saalfeld oder Plauen – verhindert werden können.