Die Frau im Hintergrund will führen

Erstveröffentlicht: 
12.11.2016

Alice Weidel, Mitglied im AfD-Bundesvorstand, hielt sich bisher aus den Flügelkämpfen der Partei heraus / Zur Bundestagswahl will sie im Südwest-Spitzenteam antreten.

 

BERLIN. In der Steuer- und Finanzpolitik kennt sie sich aus. Die Pressemitteilungen der Alternative für Deutschland (AfD) auf diesem Gebiet erscheinen oft unter Alice Weidels Namen. "Wir sind die Partei für Steuersenkung und Steuervereinfachung", heißt eine aktuelle Meldung aus der AfD-Zentrale in Berlin. Darin wird Weidel zitiert, die sich als Bundesvorstandsmitglied und Unternehmensberaterin mit ökonomischen Fragen beschäftigt. Die Erbschaftsteuer würde sie am liebsten abschaffen, vom Mindestlohn hält sie nichts. Abgesehen davon ist Weidel aber ein unbeschriebenes Blatt – obwohl die 38-Jährige schon seit einiger Zeit zur obersten Führungsriege zählt und in mehreren Talkshows vertreten war. Seit der Gründung der AfD vor drei Jahren gehört sie ihr an. Zuletzt war sie verantwortlich für die Arbeiten am Grundsatzprogramm. Aus den Ränkespielen der Partei hält sie sich heraus. Doch künftig wird sie öffentlich stärker in Erscheinung treten.

Weidel, die am Bodensee mit ihrer Lebensgefährtin in eingetragener Partnerschaft lebt und einen Sohn großzieht, hat gute Chancen, die baden-württembergische Spitzenkandidatin der AfD zur Bundestagswahl zu werden. Auf welchem Listenplatz die studierte Volkswirtin antritt, verrät sie nicht. Die Entscheidung habe letztlich der Parteitag, der kommendes Wochenende in Kehl stattfindet. Gegenüber der BZ erklärte sie ihren Führungsanspruch. "Baden-Württemberg braucht eine vernunftorientierte liberal-konservative Politik, die uns in den Bundestag trägt." Dafür stehe sie.

"Deshalb bin ich im Spitzenteam dabei", sagte sie. Zum Spitzenteam der Südwest-AfD sollen noch Lothar Maier (72), Sprecher der AfD Baden-Württemberg und bis 2009 Professor für Verbraucherpolitik an der Hamburger Hochschule, und Marc Jongen (Jahrgang 1968), stellvertretender Landessprecher, kommen. Vierter ist Markus Frohnmaier (25), Bundeschef der AfD-Jugend und Pressesprecher von Bundessprecherin Frauke Petry. Frohnmaier wird dem strammrechten Flügel der Partei zugeordnet. Die Badische Zeitung und das ZDF-Magazin Frontal 21 berichteten im Juli über Hinweise, die nahelegen, dass Frohnmaier in der "German Defence League" aktiv war, einer als rechtsextremistisch und gewaltbereit eingestuften Organisation aus dem Dunstkreis der Hooligan-Szene. Frohnmaier bestreitet die Vorwürfe.

Mit der Ankündigung des Teams wollen Weidel und ihre Unterstützer den Interessensgruppen in der AfD entgegentreten, die eigene Kandidatenlisten ins Spiel gebracht haben. Hinter den Kulissen wird in der Partei längst um die Ausrichtung der künftigen Bundestagsfraktion gerungen. Zu heftigen Debatten hat geführt, dass der thüringische AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke jüngst nach Baden-Württemberg reiste, um Bundestagskandidaten für seine völkisch-nationale Strömung zu mobilisieren. Vom Höcke-Lager kursieren bereits Namenslisten mit Bewerbern für den Listenparteitag im Südwesten – sie kommen vom rechten Rand der Partei. Mit solchen Manövern will der vergleichsweise kleine thüringische Landesverband den Einfluss auf eine mögliche Bundestagsfraktion erhöhen. Klar ist, dass die großen Landesverbände Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen die meisten Abgeordneten in den Bundestag entsenden würden. Kleine ostdeutsche Landesverbände könnten selbst bei guten Ergebnissen nur wenige Abgeordnete nach Berlin schicken. Weidel will den den Einflussversuchen von außen nun eine baden-württembergische Lösung entgegensetzen.