Neonazis stören Gedenkfeier in Göppingen zur Reichspogromnacht

Erstveröffentlicht: 
11.11.2016

Es hätte eine würdevolle Veranstaltung werden sollen. Ein stilles Gedenken an die Progromnacht am 9. November 1938, als Nazischergen und deren Unterstützer in ganz Deutschland und auch in Göppingen Synagogen anzündeten und jüdische Geschäfte plünderten.  Rund 75 Teilnehmer hatten sich zur Gedenkfeier am Mittwochabend am Synagogenplatz versammelt. Plötzlich dumpfe Schläge, laute Böllerschüsse sind zu hören. Eine Teilnehmerin vermutet, die Böller wurden im Uhland-Schulhof und auf der Freihofstraße gezündet.

 

Den Störenfrieden hat dies aber nicht gereicht. Wenig später fahren zwei Autos mit heruntergelassenen Schreiben „und Deutschlandfahnen“, wie die Teilnehmerin berichtet, auf der Burgstraße vorbei. Die Insassen brüllen „Juden raus“ und „Juden raus aus Palästina“, bestätigte am Donnerstag Rathaussprecher Olaf Hinrichsen. Wenige Minuten zuvor hatte OB Guido Till noch betont, dass es für Rechtsextremismus in Göppingen keinen Platz gebe.

 

am Donnerstag zeigte sich das Stadtoberhaupt betroffen: „Oberbürgermeister Guido Till ist tief empört und hat keinerlei Verständnis für diese Ausschreitungen“, berichtet Hinrichsen. Diese „Ausschreitungen“ seien noch selben Abend der Polizei gemeldet worden. Zeugen meldeten einer Polizeistreife bereits gegen 19.35 Uhr einen dunklen Kleinwagen. Die Fahndung nach dem Kennzeichen laufe, habe es geheißen.

 

Polizei: „Jedes Jahr das Gleiche“


Für Polizeisprecher Rudi Bauer kamen die Vorfälle nicht unerwartet, es sei „jedes Jahr das Gleiche“, meint er. Ähnliche Fälle in den Vorjahren, als Kränze umgeworfen und Lichter umgetreten wurden, konnten bisher nie aufgeklärt werden. Eine Polizeistreife sei daher am Mittwoch vorsorglich beauftragt worden, rund um die Veranstaltung nach dem Rechten zu sehen.

 

„Die Beamten können aber nicht 24 Stunden vor Ort sein“, erklärte Bauer weiter, das sei angesichts der Delikte – „Sachbeschädigung und Ruhestörung“ – sonst unverhältnismäßig. Auf dem sehr weitläufigen Gelände könne eine Polizeistreife nicht viel ausrichten, wenn Ruhestörer mit dem Auto vorbeifahren oder jemand Böller zündet. „Wir können auch nicht ins Blaue hinein kontrollieren, wenn die Polizei keine konkreten Hinweise hat“, sagte Bauer.

 

Aufkleber von „Der Dritte Weg“


„Die Ausschreitungen werden jetzt polizeilich ausgewertet und die rechtlichen Konsequenzen geprüft“, erklärte Rathaus-Sprecher Hinrichsen am Donnerstag. Ob jetzt tatsächlich nur wegen Sachbeschädigung und Ruhestörung ermittelt wird, konnte seitens der Polizei-Pressestelle am Donnerstag Abend nicht festgestellt werden. In Frage käme aber auch Volksverhetzung als Straftatbestand.

 

Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen hatte am Mittwochabend zu einem ökumenischen Friedensgebet in die evangelische Stadtkirche am Schlossplatz eingeladen, wo der der katholische Pfarrer Markus Rometsch die Predigt hielt. Anschließend führte der Friedensweg die Teilnehmer zum Synagogenplatz an der Burgstraße, wo gegen 18.45 Uhr die  Gedenkfeier stattfand.

 

Schon auf dem Weg zum Synagogenplatz fielen einem Leser der NWZ mehrere Aufkleber der rechtsextremistischen Partei „Der Dritte Weg“ auf. Sie waren mit der Parole „Terrorstaat Israel“ bedruckt wurden offenbar gezielt an Laternen und Straßenschildern auf dem Weg von der Kirche zum Gedenkplatz angebracht. Davon wusste die Göppinger Polizei bereits am Mittwochmorgen gegen 8.30 Uhr. „Es wurden Aufkleber sichergestellt und der Bauhof der Stadt beauftragt, sie zu entfernen“, erklärte Polizeisprecher Bauer. Auch der Staatsschutz sei informiert worden.